SG Detmold

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Zitieren als:
SG Detmold, Urteil vom 24.06.2010 - S 6 AY 68/09 - asyl.net: M17561
https://www.asyl.net/rsdb/M17561
Leitsatz:

1. Zur örtlichen Zuständigkeit nach dem AsylbLG bei Stellung eines (rückwirkenden) Überprüfungsantrags, wenn die Antragsteller zwischenzeitlich verzogen sind.

2. Kein rechtsmissbräuchliches Verhalten nach § 2 AsybLG, da die Antragsteller zwar gefälschte Dokumente vorgelegt hatten, jedoch ohnehin nicht in den Irak abgeschoben werden konnten und zwischenzeitlich auch als Asylberechtigte anerkannt worden sind.

Schlagwörter: Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Analogleistungen, Rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer, örtliche Zuständigkeit, Überprüfungsantrag, Irak, Kausalität, Amtsermittlung,
Normen: AsylbLG § 2, SGB X § 44, AsylbLG § 10, AsylbLG § 10a, SGB X § 20,
Auszüge:

[...]

Bei der Beklagten handelt es sich zudem um die für die Entscheidung über den Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X zuständige Behörde. Dabei entscheidet gemäß §44 Abs. 3 SGB X über die Rücknahme eines Verwaltungsaktes nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist. Gemäß § 10 a AslybLG ist für die Leistungen nach diesem Gesetz (= AsylbLG) örtlich zuständig die nach § 10 bestimmte Behörde, in deren Bereich der Leistungsberechtigte aufgrund der Entscheidung der vom Bundesministerium des Innern bestimmten zentralen Verteilungsstelle verteilt oder von der im Land zuständigen Behörde zugewiesen worden ist. Im Übrigen ist die Behörde zuständig, in deren Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält, § 10 a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG. Diese Zuständigkeit bleibt bis zur Beendigung der Leistung auch dann bestehen, wenn die Leistung von der zuständigen Behörde außerhalb ihres Bereichs sicher gestellt wird, § 10 a Abs. 1 Satz 3 AsylbLG. Gemäß § 10 AsylbLG bestimmen die Landesregierungen oder die von ihnen beauftragten obersten Landesbehörden die für die Durchführung dieses Gesetzes (somit des Asylbewerberleistungsgesetzes) zuständigen Behörden und Kostenträger und können näheres zum Verfahren festlegen, soweit dies nicht durch Landesgesetz geregelt ist. Die bestimmten zuständigen Behörden und Kostenträger können aufgrund näherer Bestimmung gemäß Satz 1 Aufgaben und Kostenträgerschaft auf andere Behörden übertragen, § 10 Satz 2 AsylbLG.

Dabei scheint der Wortlaut des § 44 Abs. 3 SGB X zunächst nahe zu legen, dass die hiesige Beklagte für die Entscheidung über den Antrag gem. § 44 SGB X nicht mehr zuständig ist. Nach der Norm entscheidet über die Rücknahme nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde. Dabei bewirkt ein im Zugunstenverfahren gestellter Antrag gemäß § 44 SGB X grundsätzlich nicht, dass der mit dem Ausgangsbescheid abgelehnte "Anspruch" dort "noch anhängig" geblieben ist. Die Möglichkeit der Rücknahme eines Bescheides nach § 44 SGB X ändert nichts an der Bestandskraft des zu überprüfenden Bescheides. Allerdings wird dann, wenn es zur Rücknahme kommt, faktisch die Bestandskraft durchbrochen (vgl. Landessozialgericht Berlin Brandenburg, Urteil vom 08.10.2009 L 15 SO 267/08 Rdnr. 40). Dem folgend kann die von der Beigeladenen zu 2) geäußerte Auffassung, es handele sich bei dem Rücknahmeverfahren um ein gegenüber dem Bewilligungsverfahren eigenständiges Verwaltungsverfahren, nicht uneingeschränkt geteilt werden. Denn diese Rechtsauffassung verkennt, dass mit der Entscheidung darüber, dass die Bestandskraft des ursprünglich erlassenen Verwaltungsaktes aufgehoben wird, die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes revidiert wird und mit dieser Entscheidung zugleich auch die Entscheidungsbefugnis der ursprünglich zuständigen Behörde wieder aufleben kann. Allein diese Schlussfolgerung wird zudem dem Grundgedanken, dass die Rücknahmeentscheidungen der §§ 44 ff. SGB X einen actus contrarius der ursprünglich erlassenen Verwaltungsakte darstellen, gerecht. Soweit die Beigeladene zu 2) darauf hingewiesen hat, dass der Sinn des § 44 Abs. 3 SGB X insbesondere darin liegt, dass Zuständigkeitswechsel nach Unanfechtbarkeit berücksichtigt werden sollen, verfängt auch dieses Argument im konkreten Fall nicht. Hintergrund der Berücksichtigung von Zuständigkeitswechseln ist der Gedanke der Verwaltungspraktikabilität. Die Behörde, die aktuell mit den Leistungsvoraussetzungen der Berechtigten vertraut ist, soll ggf. auch die Befugnis haben unter Zugrundelegung zwischenzeitlich evtl. aktuell gewonnener Erkenntnisse den Sachverhalt und die Leistungsgewährung für die Vergangenheit mit zu regeln. Dieser durchaus sinnvolle Grundgedanke scheint auf den Bereich des Asylbewerberleistungsrechts jedoch nur eingeschränkt übertragbar zu sein. Insbesondere im vorliegenden Fall verhält es sich so, dass infolge einer Änderung des Aufenthaltsstatus der Leistungsberechtigten zwischenzeitlich neben einem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zugleich auch ein Wechsel der sachlichen Zuständigkeit stattgefunden hat. Denn zeitgleich mit der Anerkennung als Asylberechtigte sind die Kläger in den Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1) verzogen. Da sich exakt in diesem Moment auch ihr Aufenthaltsstatus geändert hat, war von diesem Zeitpunkt an nicht mehr die für die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG zuständige Behörde, sondern die für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II zuständige Behörde für sie örtlich und sachlich zuständig. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass der Beigeladenen zu 1) bislang weder Antragsunterlagen noch sonstige Erkenntnisse über einen etwaigen Aufenthaltsstatus der Kläger, Einkommens- und Vermögensverhältnisse, insbesondere für den hier streitgegenständlichen Zeitraum, Erkenntnisse über etwaige Bezugszeiten und weitere, für die Entscheidung über die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG notwendige Erkenntnisse vorgelegen haben. Vor diesem Hintergrund spricht auch der Aspekt der Verwaltungspraktikabilität dafür, dass die ursprünglich zuständige Behörde über den Antrag gemäß § 44 SGB X zu befinden hat. Soweit die Beigeladene zu 2) darauf hingewiesen hat, die örtliche Zuständigkeit für die Entscheidung über die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG sei deckungsgleich mit der nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG), kann dem gerichtlicherseits ebenfalls nicht gefolgt werden. Dem Gesetzeswortlauf läßt sich dies nicht entnehmen. Soweit die Beigeladene zu 2) insoweit auf die Verwaltungsvorschriften zu § 71 AufenthG Bezug nimmt, handelt es sich hierbei um bloße der Selbstbindung der Verwaltung dienende Auslegungsvorschriften, die die Judikative nicht binden. Soweit die Beigeladende zu 2) darüber hinaus darauf hinweist, es sei auch praktisch sinnvoll, einen Gleichklang zwischen der örtlichen Zuständigkeit der Behörden für die Entscheidungen nach dem AufenthG und der für die Entscheidung nach dem AsylblG zuständigen Behörde herbeizuführen, kann dem ebenfalls nicht ohne weiteres gefolgt werden. Dabei sind für die Entscheidung nach dem AsylbLG in der Regel auf Verwaltungsebene die kreisangehörigen Gemeinden zuständig, während die ausländerrechtliche Entscheidungen häufig abschließend bei den Kreisen und kreisfreien Städten getroffen wird. In der Regel bedeutet dies, dass die Ausländerakten ohnehin nicht bei der entscheidenden Gebietskörperschaft geführt werden, sondern von außerhalb beigezogen werden müssen. Regelmäßig werden auch seitens der Sozialgerichte zur Sachaufklärung für die Entscheidung über die Gewährung von Leistungen nach dem AsylblG die Ausländerakten beigezogen. Häufig ist es zudem erforderlich, für eine abschließende Beurteilung des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Antragsteller ohnehin weitere Akten, beispielsweise Akten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge oder Akten der Verwaltungsgerichte beizuziehen. Ein gewisser organisatorischer Aufwand ist in diesem Bereich daher von vornherein unvermeidbar und zwar unabhängig davon, ob die ursprünglich zuständige Behörde oder eine ggf. zwischenzeitlich zuständige gewordene Behörde für die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG die Entscheidung trifft. Anders verhält es sich hingegen mit den übrigen Tatbestandsvoraussetzungen, die ebenfalls im Wege der Amtsermittlung gem. § 20 SGB X aufzuklären sind. Zu nennen sind hierbei insbesondere die Vorbezugszeiten sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Leistungsberechtigten. Diese sind regelmäßig anhand der Leistungsakten nachzuvollziehen. Im Gegensatz zu den Ausländerakten werden die Leistungsakten der Sozialämter jedoch regelmäßig bei einem Umzug nicht dauerhaft der nach dem Umzug zuständigen Behörde übergeben. Das Argument der Verwaltungspraktikabilität spricht daher auch vor diesem Hintergrund für die Zuständigkeit der zunächst angegangenen Behörde. Zudem sprechen weitere systematische Erwägungen für das zuvor gefundenen Ergebnis: So findet sich die Norm des § 44 SGB X im Zweiten Titel des SGB X "Bestandskraft des Verwaltungsaktes". Auch die §§ 45, 48 SGB X sehen die Möglichkeit vor, bestandskräftige Verwaltungsakte unter bestimmten Voraussetzungen aufzuheben. Den gesamten Aufhebungsvorschriften ist es dabei inhärent, dass die Prüfung unter Durchbrechung der Bestandskraft anhand im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes maßgeblichen rechtlichen Voraussetzungen, somit auch der entsprechenden Zuständigkeitsvorschriften stattfindet. Jeder andere Interpretation könnte nachträglich zudem Kompetenzkonflikte der Behörden untereinander herbeiführen. Auch der Umstand, dass der Gesetzgeber in den §§ 102 ff. SGB X keine Erstattungsmöglichkeit der Leistungsträger für diesen Fall vorgesehen hat, spricht für eine Entscheidungskompetenz der ursprünglich zuständigen Behörde. Insoweit verfängt auch der Hinweis der Beigeladenen zu 2) auf die Kommentarliteratur bezüglich der Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag gem. § 44 SGB X ebenso wenig wie der Hinweis auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung und das Urteil des Bundessozialgerichtes 11. Senat vom 22.03.1984 Az.: 11 RA 22/83. Soweit die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung in Bezug genommen wurde, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung die Vorschrift des § 44 SGB X entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut auf Entscheidungen über die Gewährungen von Leistungen nach den AsylbLG gar nicht angewandt wurde. Es ist aber auch nicht ersichtlich, dass das Urteil des BSG vom 22.03.1984 Az.: 11 RA 22/83 der zuvor getroffenen Entscheidung entgegen stehen würde. In dem Urteil wird darauf hingewiesen, dass im Fall der sog. Wanderversicherung (d.h. für den Fall, dass an unterschiedliche Träger des gleichen Versicherungszweiges Beiträge entrichtet wurden) die Behörde, die einen Bescheid erlassen hat, auch für dessen Aufhebung zuständig ist. In der Entscheidung wurde davon ausgegangen, dass es für einen Zuständigkeitswechsel zur dortigen Beklagten an einer Rechtsgrundlage fehlt. Soweit § 44 Abs. 3 SGB X zwischenzeitlich die Regelung des vor Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes (vgl. die dem § 44 Abs. 3 SGB X entsprechende Regelung des § 48 Abs. 5 VwVfG) und des SGB X allgemein anerkannten Rechtsgrundsatzes einschränken sollte, wonach die Zuständigkeit für die Beseitigung (Aufhebung, Rücknahme, Widerruf) eines Verwaltungsaktes vorbehaltlich einer besonderen gesetzlichen Regelung bei der Behörde lag, die den Verwaltungsakt erlassen hatte, um dessen Rücknahme es geht (vgl. hierzu OVG Münster Urteil vom 22.01.1998 - Az.: 8 A 940/96 -, Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter 1998, S. 356, 357; Urteil des BSG vom 09.06.1999 Az.: B 6 KA 70/98 R) ergibt sich hieraus - speziell für den Bereich des Asylbewerberleistungsgesetz - nichts Gegenteiliges. Grundgedanke dieser Regelung sollte sein, dass die Behörde, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat, für seine Beseitigung nach geltendem Recht nicht mehr zuständig sein soll, wenn sie entweder zu keinem Zeitpunkt zuständig war oder ihre Zuständigkeit nach Erlass des Verwaltungsaktes, um dessen Beseitigung es geht, entfallen ist. Damit sollte verhindert werden, dass eine andere Behörde über die Beseitigung eines Verwaltungsaktes zu entscheiden hat als diejenige, die nunmehr zuständig ist, den maßgeblichen Sachverhalt zu regeln. Dieser Rechtsgedanke findet im Rahmen der § 95 Abs. 6 SGB V speziell geregelten Tatbestände der Entziehung der Zulassung und des Widerrufs der Ermächtigung entsprechende Anwendung (vgl. BSG Urteil vom 09.06.1999 Az.: B 6 KA 70/98 R). Die zuvor genannten Entscheidungen beziehen sich daher offensichtlich auf Regelungsgegenstände, die auch über einen längeren Zeitraum andauern können. So werden beispielsweise im Rahmen des Rentenversicherungsrechtes nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in der Regel Dauerverwaltungsakte erlassen. Sofern in diesem Bereich beispielsweise Vormerkungsbescheide für rentenrechtliche Zeiten ergangen sind, erscheint es durchaus sinnvoll bei etwaigen Zuständigkeitswechsel dem dann zuständigen Träger die Möglichkeit zu geben, im Rahmen einer Bewilligungsentscheidung über laufende Rentenleistungen eine von einer andere Behörde zuvor getroffene Entscheidung über die Vormerkung von Beitragszeiten oder ähnlichem zu revidieren, da sie noch Auswirkungen auf die von ihm zu gewährenden Leistungen hat. Dieses Erfordernis der ganzheitlichen Betrachtung insbesondere im Bereich von Dauerschuldverhältnissen ist auf den Bereich des Asylbewerberleistungsrechts nicht übertragbar. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind - den im § 1 AsylbLG genannten Aufenthaltsstatuten der Leistungsberechtigten entsprechend - von vorn herein nicht auf Dauer angelegt. Dementsprechend wurden in der Vergangenheit Entscheidungen über die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG häufig auch nicht als Dauerverwaltungsakte, sondern als Einmalverwaltungsakte, die auf den Zeitraum von einem Monat beschränkt waren, erlassen. Soweit in der zuvor genannten Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 09.06.1999 darauf hingewiesen wurde, dass durch die Regelung des § 44 Abs. 3 SGB X verhindert werden soll, dass eine andere Behörde über die Beseitigung eines Verwaltungsaktes zu entscheiden hat als diejenige, die nunmehr zuständig ist, den maßgeblichen Sachverhalt zu regeln, klingen in dieser Argumentation auch die zuvor von der Kammer angeführten Kompetenzkonflikte an. Diese treten im Bereich des Asylberwerberleistungsrechts zudem verschärft auf. Denn die Erstattungsvorschriften der §§ 102 ff. SGB X sehen keine Möglichkeit der zwischenzeitlich ggf. zuständig gewordenen Behörde vor, einen etwa nachzuzahlenden Betrag von der ursprünglich zuständigen Behörde erstattet zu verlangen. Entgegen dem auch im Urteil des Bundessozialgerichtes vom 22.03.1984 (Az.: 11 RA 22/83) angesprochenen Grundgedanken, dass die zur Gewährung von Leistungen verpflichtete Behörde über das streitgegenständliche Leistungsbegehren dispositionsbefugt sein soll, kann nur Rechnung getragen werden, wenn vorliegend die ursprünglich zuständige Behörde die für die Vergangenheit möglicherweise rechtswidrig getroffene Entscheidung korrigieren muss. Denn in der Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 22.03.1984 (dort Rdnr. 11) war differenziert worden zwischen den Fällen der Wanderversicherung nach § 1311 RVO und nach § 90 AVG und anderen Fällen. Allein der Umstand, dass es sich bei der dort streitgegenständlichen Aufhebung der Beitragserstattung nicht um eine zu zahlende Leistung im Sinne der §§ 1311 RVO, 90 AVG handelte, war dort Rechtfertigung dafür, dass derjenige Versicherungsträger für die Entscheidung zuständig blieb, der sie erlassen hatte. Offensichtlich lag daher auch dieser Entscheidung der oben angedeutete Grundgedanke zugrunde, dass demjenigen, der die Kostenlast für eine Entscheidung trägt auch die Kompetenz für die Entscheidung selbst zukommen soll. Vorliegend führt dies zur Annahme der Zuständigkeit der Behörde, die den streitgegenständlichen Verwaltungsakt erlassen hat. Hinzu tritt folgende Erwägung: Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 09.06.1999 Az.: B 6 KA 70/98 R, Rdnr. 21 ausgeführt, dass die Zuständigkeit für die Beseitigung eines Verwaltungsaktes vorbehaltlich einer besonderen gesetzlichen Regelung bei der Behörde lag, die den Verwaltungsakt erlassen hatte, um dessen Rücknahme es geht. Diese Regelung sei durch § 44 SGB X eingeschränkt worden. Soweit der Gesetzgeber daher mit dieser Regelung den Grundsatz einschränken wollte, wonach die Zuständigkeit für die Beseitigung des Verwaltungsaktes bei der Behörde lag, die den Verwaltungsakt erlassen hatte, ist damit nicht zwangsläufig auch die Aussage verbunden, dass der Vorbehalt einer besonderen gesetzlichen Regelung aufgehoben werden sollte. Insoweit ist im Bereich des Asylbewerberleistungsrechtes auf die Spezialvorschrift des § 10 a AsylbLG hinzuweisen. Nach den oben bereits zitierten Vorschriften der §§ 10, 10 a AsylbLG existieren in diesem Bereich Sonderregelungen für die örtliche Zuständigkeit. Danach ist gemäß § 10 a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG für Leistungen nach dem AsylbLG örtlich zuständig die nach § 10 bestimmte Behörde, in deren Bereich der Leistungsberechtigte aufgrund der Entscheidung der vom Bundesministerium des Innern bestimmten zentralen Verteilungsstelle verteilt oder von der im Land zuständigen Behörde zugewiesen worden ist. Hintergrund dieser Regelung ist eine gleichmäßige Verteilung der Kostenlast für Leistungen nach dem AsylbLG durch die Verteilungsstellen, die vom Innenministerium bestimmt werden. Diese Zuweisungsentscheidung, die eine finanzielle gleichmäßige Lastenverteilung herbeiführen soll, würde umgangen, wenn nachträglich die Zuständigkeit einer anderen Leistungsbehörde aufleben würde. Soweit die Beigeladene zu 2) sich im Übrigen auf die zu § 44 Abs. 3 SGB X vorhandene Rechtsprechung und Kommentarliteratur stützt, ist diese nur begrenzt auf den Bereich des AsylbLG übertragbar. Insoweit ist nämlich noch zu berücksichtigen, dass das Bundessozialgericht unter ausdrücklicher Abkehr von der bisherigen ständigen auch höchstrichterlichen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung erstmals mit Urteil vom 17.06.2008 (Az. B 8 AY 5/07 R) überhaupt die Regelung des § 44 Abs. 1 SGB X für den Bereich des Asylbewerberleistungsrechts für anwendbar erklärt hat. Auch vor diesem Hintergrund hatte das Gericht Zweifel daran, ältere von der Beigeladenen zu 2) zitierte Entscheidungen, insbesondere solche der Verwaltungsgerichtsbarkeit, auf das hiesige Verfahren zu übertragen, zumal - wie oben ausführlich dargelegt - der Hintergrund dieser Entscheidungen im Einzelnen die hiesige Entscheidung eher stützt als widerlegt. [...]

Sie haben die Dauer ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland zudem nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst. [...]

Dabei kam es auf die Frage, ob die Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt gefälschte Identitätsnachweise vorgelegt haben, nicht entscheidend an. Zwar liegt grundsätzlich eine Beeinflussung der Aufenthaltsdauer schon dann vor, wenn bei - generell - abstrakter Betrachtungsweise das rechtsmissbräuchliche Verhalten typischerweise die Aufenthaltsdauer verlängern kann (vgl. Urteil des BSG vom 17.06.2008, Az.: B 8/9 b AY 1/07 R). Eine Ausnahme von der sog. typisierenden Betrachtungsweise muss allerdings dann gemacht werden, wenn eine etwaige Ausreisepflicht des betroffenen Ausländers unabhängig von seinem Verhalten ohnehin in dem gesamten Zeitraum ab dem Zeitpunkt des Rechtsmissbrauchs nicht hätte vollzogen werden können (so im Ergebnis auch Herbst in Nergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 2 AsylbLG, Rdnr. 28, Stand August 2007), etwa weil die Erlasslage des zuständigen Innenministerium eine Abschiebung ohnehin nicht zugelassen hätte. In diesen Fällen ist eine typisierende Betrachtungsweise nicht mehr zulässig; sie entspricht nicht der oben geschilderten Typik. Läßt sich nicht feststellen, ob eine solche Ausnahme vorliegt, geht dies zu Lasten des Ausländers (vgl. hierzu Urteil des BSG 8. Senat von 17.06.2008, Az.: B 8/9 b AY 1/07 R Rdnr. 44). Eine Atypizität in diesem Sinne liegt bereits nahe, da es sich bei den Klägern jedenfalls unstreitig um irakische Staatsangehörige handelt. Das niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport hat im Erlasswege mit Schreiben vom 19.07.2004 (Az.: 45.11 - 12 235/12-6-5) darauf hingewiesen, dass nach dem Beschluss der Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 7./8. Juli 2004 weiterhin eine tatsächliche Unmöglichkeit der zwangsweisen Rückführung vollziehbarer ausreisepflichtiger irakischer Staatsangehöriger besteht. Der im Irak auch weiterhin bestehenden angespannten bürgerkriegsähnlichen Lage trug ein weiterer Erlass des niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 29. März 2007 (Az.: 42.15 - 12 231/3 - 6 IRQ) Rechnung, der auf den Erkenntnissen der ständigen Konferenz der Innenminister- und Senatoren am 16./17. November 2006 beruhte. Danach wurde unter strengen Beschränkungen nur eine Rückführung in den Nordirak für möglich erachtet. Diese stark eingeschränkte Rückführungsoption sei angesichts der aktuellen Anschläge auch im Nordirak entfallen. Rückkehrmöglichkeiten in angrenzende Gebiete der Türkei oder des Irans würden sich aus demselben Grund verbieten (vgl. hierzu Urteil des LSG Niedersachsen/Bremen vom 16.10.2007 (Az.: L 11 AY 61/07). Jedenfalls war den eigenen Ausführungen der Beklagten zufolge mit Schreiben vom 21.09.2001 seitens der irakischen Botschaft mitgeteilt worden, dass sie bereit sei, unter bestimmten Bedingungen Heimreisepapiere für die Kläger auszustellen. Diese wurden seinerzeit jedoch nicht abgerufen, da die Bedingungen für die Ausreise, u.a. amtliche Begleitung in den Irak, nicht erfüllt werden konnten. Da somit seitens der Ausländerbehörde selbst auf eine Vollziehung der Ausreiseverpflichtung verzichtet wurde, kann den Klägern keine rechtsmissbräuchliche Verlängerung ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland vorgeworfen werden. Hinzu kommt, dass die Kläger zwischenzeitlich als Asylberechtigte anerkannt sind, und somit den verfassungsrechtlichen Schutz des Artikel 16 a Grundgesetz (GG) genießen. Auch vor diesem Hintergrund kann ihnen kein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden. [...]