VG Gera

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Zitieren als:
VG Gera, Urteil vom 01.07.2010 - 4 K 20025/08 Ge [= ASYLMAGAZIN 2010, S. 331 f.] - asyl.net: M17477
https://www.asyl.net/rsdb/M17477
Leitsatz:

Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG wegen geistiger Behinderung mit einem Behinderungsgrad von 80 Prozent, da nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 20.6.2010 die Aufnahmekapazitäten der Einrichtungen für geistig Behinderte im Kosovo ausgeschöpft sind.

Schlagwörter: Abschiebungsverbot, krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot, Kosovo, geistige Behinderung, Betreuung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

[...]

Der jetzige Antrag ist begründet, weil in der Person der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG in Gestalt eines beachtlichen Abschiebungshindernisses vorliegen.

Nach § 60 Abs. 7 AufenthG kann von einer Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60 Abs. 7 AufenthG erfasst dabei lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen (zielstaatbezogene Abschiebungshindernisse). Solche zielstaatbezogenen Abschiebungshindernisse liegen auch dann vor, wenn die im Abschiebezielstaat zu erwartende Rechtsgutbeeinträchtigung in der Verschlimmerung einer Krankheit besteht, unter welcher der Ausländer bereits in Deutschland leidet. Die Vorschrift setzt dabei weiter voraus, dass die Klägerin bei einer Abschiebung in den Heimatstaat drohende Gesundheitsgefahr erheblich ist, also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist.

Die Klägerin kann in ihrer Heimat (derzeit) keinerlei Betreuung erwarten. Bei der Klägerin wurde eine geistige Behinderung mit einem Behinderungsgrad von 80 Prozent festgestellt. In Folge fehlender Kapazitäten wäre eine Betreuung der Klägerin, die auch der Amtsarzt für erforderlich hält, im Kosovo keines Falls gesichert. Dies ergibt sich aus der in die mündliche Verhandlung eingeführten aktuellen Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 20.06.2010. Dort heißt es auf Seite 32 unter 1.2.5: Die Betreuung von Personen mit geistiger Behinderung fällt in den Zuständigkeitsbereich des Sozialministeriums von Kosovo (Ministry of Social Welfare). Es besteht eine Betreuungseinrichtung für geistig Behinderte in Shtime/Stimlje, die Aufnahmekapazitäten dort sind ausgeschöpft. Die maximale Kapazität der Spezialeinrichtung liegt bei 156 Plätzen. Diese verteilen sich auf 77 Plätze für geistig Behinderte (Erkrankung, bei denen die geistige Retardierung im Vordergrund steht und eine psychiatrische oder somatische Komorbidität bestehen kann). 59 Plätze bestehen im Bereich der seelischen Behinderung (z.B. chronisch schizophrene Erkrankung mit ausgeprägter Negativsymptomatik).

Es bestehen professionelle Dienste und eine 24-Stunden-Fürsorge für bedürftige Personen, bei denen ein Rückstand in der geistigen Entwicklung diagnostiziert worden ist auch in den Fürsorgeeinrichtungen in Ferizaj/Urosevac, Shtime/Stimlje, Vushtri/Vucitrn, Decan/Decane und Dardane. Freie Kapazitäten für die Neuaufnahme von Patienten in diese Einrichtungen sind nach Auskunft des Sozialministeriums derzeit aber nicht vorhanden. [...]