VG Gera

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Zitieren als:
VG Gera, Urteil vom 01.07.2010 - 4 K 20023/08 Ge - asyl.net: M17476
https://www.asyl.net/rsdb/M17476
Leitsatz:

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 AufenthG für ein Ehepaar. Die Ehefrau leidet an einer Posttraumatischen Belastungsstörung und ihr droht im Falle einer zwangsweisen Rückkehr in den Kosovo eine Retraumatisierung; das Bleiberecht des Ehemannes folgt aus Art. 6 GG.

Schlagwörter: Abschiebungsverbot, krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot, Kosovo, Ashkali, Posttraumatische Belastungsstörung, Retraumatisierung, Schutz von Ehe und Familie
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7, GG Art. 6
Auszüge:

[...]

Die Klage ist begründet. In der Person der Kläger liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG in Gestalt eines beachtlichen Abschiebungshindernisses vor.

Nach § 60 Abs. 7 AufenthG kann von einer Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60 Abs. 7 AufenthG erfasst dabei lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen (zielstaatbezogene Abschiebungshindernisse). Solche zielstaatbezogenen Abschiebungshindernisse liegen auch dann vor, wenn die im Abschiebezielstaat zu erwartende Rechtsgutbeeinträchtigung in der Verschlimmerung einer Krankheit besteht, unter welcher der Ausländer bereits in Deutschland leidet. Die Vorschrift setzt dabei weiter voraus, dass die den Klägern bei einer Abschiebung in den Heimatstaat drohende Gesundheitsgefahr erheblich ist, also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist.

Diese Voraussetzungen liegen im Fall der Klägerin vor. Dabei ist sich das Gericht bewusst, dass viele der von den Klägern vorgetragenen und auch nachgewiesenen Erkrankungen rechtlich im Sinne eines Abschiebungshindernisses irrelevant sind, weil sie nach den Erkenntnisquellen im Kosovo behandelbar und - wenn überhaupt möglich - auch heilbar sind. Deshalb setzt das Gericht den Schwerpunkt allein bei der ausführlich belegten posttraumatischen Belastungsstörung der Klägerin. Auch ist dem Gericht durchaus bekannt, dass auch eine derartige psychische Erkrankung im Kosovo behandelbar ist. Hierzu liegt auch bereits zahlreiche Rechtsprechung (u.a. des erkennenden Einzelrichters) vor. Im Falle der Klägerin gilt hier aber ausnahmsweise etwas Besonderes: Aus den detaillierten Bescheinigungen des Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge (REFUGIO Thüringen) vom 25.05.2009 und vom 02.06.2010 ergibt sich nämlich eindeutig, dass die Traumatisierung der Klägerin ihre Ursache in den Zuständen im Kosovo findet. Diesbezüglich hat die Psychotherapeutin ... eindeutig und für jeden medizinischen Laien nachvollziehbar dargelegt, dass im Falle einer zwangsweisen Rückführung der Klägerin in den Kosovo mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit deren Retraumatisierung zu rechnen ist. Insofern liegt hier ein besonderer Fall vor, bei der die allgemeinen Auskünfte zum Gesundheitswesen im Kosovo nicht ausreichen.

Liegt aber nach der festen Überzeugung des Gerichts im Falle der Klägerin zu 2. ein Abschiebungshindernis im Sinne von § 60 Abs. 7 AufenthG vor, so folgt das Bleiberecht des Klägers zu 1. letztlich aus Artikel 6 GG. [...]