VG Meiningen

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Zitieren als:
VG Meiningen, Beschluss vom 19.03.2010 - 5 E 20057/10 Me - asyl.net: M17381
https://www.asyl.net/rsdb/M17381
Leitsatz:

Aussetzung einer Dublin-Überstellung nach Griechenland für die Dauer von sechs Monaten.

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, Griechenland, vorläufiger Rechtsschutz, Abschiebungsanordnung, Zustellung, Konzept der normativen Vergewisserung
Normen: VwGO § 123 Abs. 1, VO 343/2003 Art. 18 Abs. 7, AsylVfG § 34a Abs. 2
Auszüge:

[...]

Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist zulässig.

Richtig ist zwar, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt - jedenfalls nach Aktenlage - eine Überstellungs- bzw. Abschiebungsanordnung nicht existiert. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragsgegnerin davon ausgeht, dass die Zwei-Monats-Frist des Art. 18 Abs. 7 der Dublin II-Verordnung abgelaufen ist und damit eine Stattgabe des Aufnahmeersuchens seitens Griechenlands vorliegt. Ferner kann nicht ausgeschlossen werden, da entsprechende normative Regelungen fehlen, dass die zuständige Ausländerbehörde daraufhin unmittelbar gegenüber dem Antragsteller eine Abschiebungsanordnung erlässt und ihn möglicherweise am gleichen Tag auch abschiebt. Dem Gericht liegen insoweit zwar keine Erkenntnisse vor, dass dies bei den zuständigen Ausländerbehörden tatsächlich so gehandhabt wird, kann dies jedoch aber auch nicht ausschließen. Auch die Antragsgegnerin hat in ihrem Schriftsatz vom 15.03.2010 nicht signalisiert, dass sie dem Antragsteller durch administrative Maßnahmen Zeit für einen ausreichenden Rechtsschutz einräumen will. Erschwert wird der Rechtsschutz ferner dadurch, dass zwei Behörden der Antragsgegnerin, nämlich die Außenstelle des Bundesamtes in Hermsdorf sowie eine weitere Stelle des Bundesamtes in Dortmund (sogenanntes "Dublin-Referat") und darüber hinaus die zuständige Ausländerbehörde an dem Verfahren beteiligt sind. Es liegt auf der Hand, dass allein unter diesen Gesichtspunkten effektiver Rechtsschutz für den Antragsteller erheblich erschwert wird.

Der Antrag ist auch begründet. Der Antragsgegnerin war es im Wege einer einstweiligen Anordnung innerhalb der im Tenor genannten Frist zu untersagen, den Antragsteller nach Griechenland zu überstellen, damit er gegen eine zu erwartende Abschiebungsandrohung gerichtlich vorgehen kann. Dieser Regelung steht zwar § 34a Abs. 2 AsylVfG nach dem Wortlaut entgegen, als danach nämlich die Abschiebung in einen sichereren Drittstaat nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden darf. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 94. 49 ff.) sieht im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung aber dann eine Durchbrechung des Grundsatzes der Versagung einstweiligen Rechtsschutzes als gegeben an, wenn im Einzelfall dem Betroffenen im Falle seiner Abschiebung oder Überstellung in einen sicheren Drittstaat unter anderem gravierende Gefahren für Leib und Leben drohen. [...]