OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 30.06.2010 - 8 PA 21/10 - asyl.net: M17364
https://www.asyl.net/rsdb/M17364
Leitsatz:

1. Für eine Klage auf Aufenthaltserlaubnis besteht während eines laufenden Vaterschaftsanfechtungsverfahrens Erfolgsaussicht.

2. Für die Bewilligung von PKH ist es unschädlich, dass die PKH-Unterlagen erst im Beschwerdeverfahren nachgereicht wurden.

Schlagwörter: Prozesskostenhilfe, Erfolgsaussichten, Vaterschaftsanfechtung, Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, Untätigkeitsklage, Vaterschaftsanerkennung, deutsches Kind
Normen: AufenthG § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, AufenthG § 32 Abs. 3
Auszüge:

[...]

Die Klägerinnen haben Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht. Ihre Bedürftigkeit im Sinne von § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO haben sie durch Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und eines aktuellen Bescheides über die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nachgewiesen. Unschädlich ist, dass dieser Nachweis erst im Beschwerdeverfahren geführt wurde. Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Bedürftigkeit) des Antragstellers ist der Zeitpunkt des Ergehens der Beschwerdeentscheidung maßgeblich (Hess. VGH, Beschl. v 27.1.2010 - 10 D 2692/09 -. juris, m.w.N. aus der Rechtsprechung; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 166 Rn. 14 a). Folglich sind die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Prozesskostenhilfeunterlagen in Bezug auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche verwaltungsgerichtliche Verfahren zu berücksichtigen.

Die von den Klägerinnen beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet auch hinreichende Aussicht auf Erfolg. Mit der am 5. Februar 2007 erhobenen Klage begehren die Klägerinnen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach allen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen. Den zuvor gestellten Antrag hat der Beklagte nach Erhebung der Untätigkeitsklage mit Bescheid vom 26. März 2007, dort unter 1., abgelehnt. Die Klägerin zu 1) ist Mutter des am 2. November 2009 geborenen Kindes ... Hinsichtlich dieses Kindes hat der deutsche Staatsangehörige ... bereits vor der Niederkunft der Klägerin zu 1) durch notarielle Erklärung vom 13. Juli 2009 die Vaterschaft anerkannt. Auf Grund dieses dem Verwaltungsgericht bekannten Sachverhalts (vgl. den Vermerk vom 10.12.2009, Bl. 26 GA) hätte das erstinstanzliche Gericht eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage nicht verneinen dürfen. Denn zum maßgeblchen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs vor dem Verwaltungsgericht war zumindest offen, ob der Klägerin zu 1) als Mutter eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG und der minderjährigen, am 2. Februar 2004 geborenen Klägerin zu 2) als Tochter der Klägerin zu 1) eine Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 3 AufenthG zu erteilen ist.

Der Gewährung von Prozesskostenhilfe steht nicht entgegen, dass der Beklagte mit Antrag vom 24. November 2009 beim Amtsgericht Rotenburg/Wümme ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren eingeleitet hat, das darauf gerichtet ist festzustellen, dass das Kind ... nicht von dem deutschen Staatsangehörigen... abstammt. Dieses Antragsverfahren war zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts über das Prozesskostenhilfegesuch noch nicht beendet. Ob der Anfechtungsantrag erfolgversprechend ist, ließ sich zu denn genannten Zeitpunkt nicht sicher beurteilen, da lediglich die Antragsbegründung vorlag. In dieser prozessualen Situation dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten der Verpflichtungsklage der Klägerinnen auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht überspannt werden. Aus verfassungsrechtlichen Gründen soll die Prüfung der Erfolgsaussichten nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Des Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfG, Beschl. v. 14.4.2003 - 1 BvR 1986/02 NJW 2003, 2976). Es reicht aus, wenn sich die Erfolgsaussichten bei summarischer Prüfung als offen darstellen (Hess. VGH, Beschl. v. 27.1.2010 - 10 D 2892/02 -, a.a.O.; Kopp/Schenke, a.a.O., § 166 Rn, 6). Ein solcher Fall ist hier nach den vorstehenden Ausführungen gegeben. [...]