OVG Sachsen

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Zitieren als:
OVG Sachsen, Beschluss vom 08.01.2009 - 3 B 8/09 - asyl.net: M17360
https://www.asyl.net/rsdb/M17360
Leitsatz:

Nach einer rechtswidrigen Abschiebung kommt eine Folgenbeseitigung in Form der Ermöglichung der Wiedereinreise durch Zustimmung mit einem darin zugleich liegenden Verzicht auf die Einhaltung der Sperrwirkung der Abschiebung in Betracht. Für einen solchen Folgenbeseitigungsanspruch im Eilverfahren muss die Abschiebung offensichtlich rechtswidrig gewesen sein und den Betroffenen noch andauernd mit hoher Wahrscheinlichkeit in seinen Rechten (hier: Bleiberecht) verletzen.

Schlagwörter: Folgenbeseitigungsanspruch, vorläufiger Rechtsschutz, Abschiebung, Rückkehr, Sperrwirkung, Vorwegnahme der Hauptsache, Bleiberecht, Altfallregelung, Hinauszögern oder Behindern behördlicher Maßnahmen
Normen: AufenthG § 11 Abs. 1 S. 1, GG Art. 20 Abs. 3, AufenthG § 23 Abs. 1, AufenthG § 104a
Auszüge:

[...]

1. Soweit die Antragsteller primär mit den Beschwerden ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgen, im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragsgegner zu 1 zu verpflichten, sie aus der Republik Serbien in die Bundesrepublik Deutschland zurückzuführen, und den Antragsgegner zu 2 zu verpflichten, sie (sodann) vorläufig zu dulden, begehren sie Folgenbeseitigung wegen ihrer bereits vor Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung vollzogenen Abschiebung. Ein derartiges Begehren ist zwar nicht bereits wegen der in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG geregelten Sperrwirkung der Abschiebung ausgeschlossen (a). Es fehlt jedoch an der Glaubhaftmachung der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendigen Voraussetzungen (b und c).

a) Aus dem Grundsatz der Gesetz- und Rechtmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) ergibt sich ein Folgenbeseitigungsanspruch, wenn durch den Vollzug von Vollstreckungsmaßnahmen, hier von Abschiebungen, ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt wird, in dessen Folge ein andauernder rechtswidriger Zustand entstanden ist. Der Folgenbeseitigung steht vorliegend nicht entgegen, dass die Antragsteller erst abgeschoben wurden, nachdem sie aufgrund von mit Abschiebungsandrohungen versehenen Ablehnungsbescheiden des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge unanfechtbar ausreisepflichtig waren. Soweit der Senat mit Beschluss vom 2.10.2009 (3 B 345/08) eine die Folgenbeseitigung ausschließende Sperrwirkung der Abschiebung jedenfalls dann angenommen hat, wenn die die Ausreisepflicht begründende Verfügung unanfechtbar geworden und damit für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 (bzw. Abs. 7) VwGO kein Raum ist, gilt dies dann nicht, wenn - wie vorliegend - die Rückgängigmachung einer Abschiebung nach § 123 VwGO mit der Begründung begehrt wird, dass diese wegen der Missachtung von Duldungsansprüchen rechtswidrig gewesen sei und der Antragsteller durch die Vollzugsfolgen noch andauernd in einem Bleiberecht verletzt würde. Denn auch in derartigen Fällen kommt Folgenbeseitigung in Form der Ermöglichung der Wiedereinreise durch Zustimmung und darin zugleich liegendem Verzicht auf die Einhaltung der Sperrwirkung Abschiebung in Betracht (vgl. OVG Saarland, Beschl. v. 24.1.2003 - 9 W 50/02 - zitiert nach JURIS). Allerdings würde durch den Erlass einer auf Folgenbeseitigung gerichteten einstweiligen Anordnung die Hauptsache vorweggenommen. Dies ist im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn es zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes, insbesondere zur Verwirklichung von Grundrechten, unabweisbar ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Das setzt neben der Glaubhaftmachung der besonderen Eilbedürftigkeit, des sog. Anordnungsgrundes, zudem eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit des Erfolgs in der Hauptsache voraus (vgl. OVG Saarland, Beschl. v. 24.1.2003, a.a.O.; VGH BW, Beschl. v. 11.3.2008, VBlBW 2009, 149). Die Abschiebung der Antragsteller müsste daher offensichtlich rechtswidrig gewesen sein und sie noch andauernd mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Bleiberecht verletzen. Sämtliche Voraussetzungen liegen aus folgenden Gründen nicht vor. [...]