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Zitieren als:
BAMF, Bescheid vom 29.07.2010 - 5428525-225 - asyl.net: M17353
https://www.asyl.net/rsdb/M17353
Leitsatz:

Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, da die minderjährigen Antragsteller sich in Äthiopien kein wirtschaftliches Existenzminimum schaffen und darüber hinaus die erforderliche medizinische Behandlung nicht erhalten können (chronische HIV-Infektion im Stadium CDC B2).

Schlagwörter: Abschiebungsverbot, krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot, Äthiopien, Wiederaufnahme des Verfahrens, medizinische Versorgung, HIV/AIDS, Stadium CDC B2, Existenzgrundlage, minderjährig,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
Auszüge:

[...] Der Wiederaufgreifensgrund der Sachlagenänderung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ist im vorliegenden Fall gegeben.

Mit den nunmehr vorgelegten ärztlichen Attesten vom 01.02.2010 berufen sich die Antragsteller auf neue Beweismittel in Bezug auf die von ihnen geltend gemachten gesundheitlichen Probleme und die damit in Zusammenhang stehenden Gesundheitsgefahren nach Rückkehr in den Herkunftsstaat.

Die für den Wiederaufgreifensantrag angegebene Begründung führt zu einer für die Antragsteller günstigeren Entscheidung, weil nunmehr vom Vorliegen der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Äthiopien auszugehen ist. [...]

Bei den Antragstellern liegt ausweislich der vorgelegten Atteste eine chronische HIV-Infektion im Stadium CDC B2 vor, zu deren Behandlung eine Kombinationstherapie mit den antiretroviralen Medikamenten Viramune und Kivexa durchgeführt wird. Beim Abbruch einer solchen Therapie ist mit einem alsbaldigen Anstieg der Viruslast zu rechnen, insbesondere dann, wenn vor Therapiebeginn bereits eine klinische Symptomatik vorgelegen hat. Zudem sind ständig klinische und laborchemische Kontrolluntersuchungen erforderlich, um einerseits die Verträglichkeit der verwendeten Medikamente und eventuell auftretende Nebenwirkungen zu kontrollieren und andererseits die Viruslast zu überwachen. Zudem muss bei einer HIV-Infektion bzw. AIDS-Erkrankung beachtet werden, dass die Behandlung mittels einer antiretroviralen Therapie (ART) auch immer wieder neu angepasst werden muss, da bestimmte Medikamente nach einer gewissen Zeit bei einem Patienten nicht mehr wirken und somit neue Wirkstoffe zum Einsatz kommen müssen.

Im vorliegenden Fall kann es dahingestellt bleiben, ob die in Äthiopien zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten und Medikamente ausreichen, um die drohende erhebliche Gesundheitsverschlechterung abzuwenden.

Vielmehr ist im Falle der beiden minderjährigen Antragsteller unter Berücksichtigung ihres Alters, des Gesundheitszustandes, der fehlenden beruflichen Erfahrungen und ihrer wirtschaftlichen Situation zu erwarten, dass sie nach Rückkehr in den Herkunftsstaat bereits erhebliche Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Alltagsprobleme hätten. Erschwerend kommt in ihrem Falle hinzu, dass sie aufgrund des langjährigen Auslandsaufenthaltes und der Tatsache, dass eine gemeinsame Rückkehr mit der Mutter nach Äthiopien nicht in Betracht kommt, kaum noch auf einen familiären Rückhalt zurückgreifen können. Daher ist davon auszugehen, dass es den Antragstellern nicht gelingt, sich ein zum Leben notwendiges wirtschaftliches Existenzminimum zu verschaffen und darüber hinaus die Vielzahl der Medikamente und notwendigen Behandlungsmaßnahmen selbst zu finanzieren. Somit ist festzustellen, dass ihnen nach einer Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG droht. [...]