VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Beschluss vom 07.06.2010 - 10 L 467/10 - asyl.net: M17334
https://www.asyl.net/rsdb/M17334
Leitsatz:

1. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen die Ablehnung der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis besteht nicht, sofern die Vollziehung der Ausreisepflicht des Ausländers ausgesetzt ist und sich eine etwaige Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs auch nicht in sonstiger positiver Weise auf den aufenthaltsrechtlichen Status des Ausländers auswirken würde.

2. Die Ingewahrsamnahme des Reisepasses eines Ausländers gemäß § 50 Abs. 6 AufenthG stellt keinen Verwaltungsakt i. S. d. § 35 Satz 1 VwVfG dar, so dass vorläufiger Rechtsschutz dagegen nur im Wege einstweiliger Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO gewährt werden kann.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis, Verlängerungsantrag, vorläufiger Rechtsschutz, Rechtsschutzinteresse, Pass, Sofortvollzug, Verwahrung, Verwaltungsakt
Normen: VwGO § 80 Abs. 5, VwGO § 123 Abs. 1, VwVfG § 35 S. 1, AufenthG § 50 Abs. 6
Auszüge:

[...]

Soweit der Antrag des Antragstellers darüber hinaus auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die in dem angefochtenen Bescheid vom 30.04.2010 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung weiter verfügten Inverwahrungnahme seines Reisepasses gerichtet ist, ist der Antrag bei sachgerechtem Verständnis des Rechtsschutzzieles des Antragstellers dahingehend auszulegen, dass er im Wege einstweiliger Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners begehrt, ihm den in Verwahrung genommenen Reisepass wieder herauszugeben.

Die Ingewahrsamnahme des Reisepasses eines Ausländers ist nämlich kein Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 SVwVfG, sondern erfolgt regelmäßig durch freiwillige Aushändigung und stellt sich damit grundsätzlich als öffentlich-rechtlicher Realakt dar, auch wenn dadurch ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis begründet wird (vgl. Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, Stand: Mai 2010, § 50 Rdnr. 55, m.w.N.).

Der so verstandene, allein nach § 123 Abs. 1 VwGO statthafte Antrag des Antragstellers hat indes in der Sache ebenfalls keinen Erfolg, da der Antragsteller einen Anordnungsanspruch auf Herausgabe seines in Gewahrsam genommenen Reisepasses nicht hat glaubhaft machen können.

Einem solchen Anspruch steht vielmehr die Vorschrift des § 50 Abs. 6 AufenthG entgegen. Danach soll der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden. Der Antragsteller ist, wie bereits ausgeführt, aufgrund der Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis ausreisepflichtig, und es liegt auch kein atypischer Fall im Rahmen der Sollvorschrift vor. Letzteres würde einen atypischen Geschehensablauf voraussetzen, der so bedeutsam wäre, dass er das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigt. Das ist im Rahmen des § 50 Abs. 6 AufenthG nur dann der Fall, wenn ein überwiegendes Interesse des Ausländers es erfordert, über seinen Pass

verfügen zu können, und die mit der Passverwahrung durch die Ausländerbehörde verfolgten Zwecke, nämlich die Sicherstellung der Einhaltung der Ausreisepflicht, dadurch nicht beeinträchtigt werden (vgl. Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, a.a.O., § 50 Rdnr. 56, m.w.N.). [...]