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VG Oldenburg

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Zitieren als:
VG Oldenburg, Urteil vom 20.07.2010 - 4 A 22/10 - asyl.net: M17327
https://www.asyl.net/rsdb/M17327
Leitsatz:

1. Keine Verfolgungsgefahr für Yeziden in Syrien. Es ist - wie schon in der Vergangenheit - nicht auszuschließen, dass freiwillig zurückkehrende oder abgeschobene Asylbewerber aus Deutschland bei ihrer Rückkehr nach Syrien - auch länger - festgehalten bzw. vorübergehend inhaftiert werden und dass es auch zu darüber hinausgehenden Repressalien kommt. Die bloße Möglichkeit derartiger Nachstellungen reicht aber für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht aus. Die Wahrscheinlichkeit erheblicher Repressalien bei der Rückkehr mag wegen der angesprochenen Unwägbarkeiten derzeit weiterhin allgemein etwas höher sein als in der Zeit unmittelbar vor Inkrafttreten des Rückführungsabkommens. Signifikant erhöht wird sie aber erst bei Hinzutreten bestimmter Gefährdungsfaktoren, die im Einzelfall zu bewerten sind und die sich insbesondere - aber nicht nur - aus den vom EZKS genannten Gründen ergeben können.

2. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 9.7.2009 ist die medizinische Versorgung in Syrien im Grundsatz flächendeckend und kostenfrei. Auch die Medikamentenversorgung ist weitgehend sichergestellt, muss jedoch häufig von Patienten bezahlt werden.

Schlagwörter: Asylfolgeantrag, Syrien, Kurden, Yeziden, Yezidisches Kulturforum, Gruppenverfolgung, Verfolgungsdichte, Diskriminierung, Deutsch-Syrisches Rückübernahmeabkommen, Krankheit, medizinische Versorgung, Marcumar, Pretnisolon, Militärdienst
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1, AsylVfG § 71, AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
Auszüge:

[...]

Bezüglich der mit dem Hauptantrag begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 AsylVfG liegen die zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens notwendigen Voraussetzungen für das Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG nicht vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die im Tatbestand wiedergegebenen Ausführungen des angefochtenen Bescheides verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG), denen das Gericht mit folgenden Maßgaben folgt:

In Syrien drohte dem Kläger und droht dort gegenwärtig wegen seines yezidischen Glaubens weder eine Gruppenverfolgung noch eine individuelle Verfolgung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 22. Juni 2004 - 2 L 6129/96 -, InfAuslR 2004, 454; Urteil vom 24. März 2009 - 2 LB 643/07 -, a.a.O.) und anderer Obergerichte (u.a. OVG Saarland, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 3 A 354/09 -, juris m.w.N.; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30. Januar 2008 - 3 L 75/06 -, juris, m.w.N.) sind Yeziden in Syrien in keinem Landesteil (mehr) einer unmittelbaren oder mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung wegen ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt. Denn es fehlt an einer hinreichenden Anzahl gesichert feststehender und verfolgungsrelevanter Übergriffe (Verfolgungsschläge) in Relation zur Gruppe der in Syrien lebenden Yeziden, mithin an einer hinreichenden Verfolgungsdichte. Auch unter qualitativen Gesichtspunkten ergibt sich nicht, dass jeder in Syrien lebende (oder dorthin zurückkehrende) Yezide in eine ausweglose Lage gerät, zumal der syrische Staat gegenüber Übergriffen der muslimischen Mehrheitsbevölkerung schutzwillig und schutzfähig ist. Nach den Feststellungen des OVG Sachsen-Anhalt im Urteil vom 30. Januar 2008 - 3 L 75/06 -, a.a.O., gilt dies selbst bei einer auf den Nordosten Syriens (Distrikt Hassake) als räumlich abgrenzbaren Teil des syrischen Staatsgebietes beschränkten Betrachtung. Auch nach dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 9. Juli 2009 gibt es in Syrien keine staatliche Verfolgung aus religiösen Gründen; dies gelte auch für Yeziden. Aufgrund ihrer in der Regel schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse sei jedoch der Auswanderungsdruck bei Mitgliedern dieser Religionsgemeinschaft sehr hoch. Zudem gebe es in vielen westlichen Ländern (u.a. auch in Deutschland) bereits funktionierende yezidische Glaubensgemeinschaften, die bereit seien, anderen Yeziden zumindest in der ersten Zeit im fremden Land beizustehen. Zu den wirtschaftlichen Abwanderungsmotiven komme eine gelegentlich anzutreffende gesellschaftliche Benachteiligung der Angehörigen des yezidischen Glaubens hinzu. Auch wenn der straff geführte Einheitsstaat Syrien keine nichtstaatliche Gewaltausübung toleriere, sei er nicht in der Lage, Benachteiligungen im alltäglichen Leben vollständig zu verhindern. [...]

Der pauschale Hinweis des Klägers darauf, dass er aus gesundheitlichen Gründen seinen Wehrdienst in Syrien nicht ableisten könne und in Syrien viele Yeziden beim Militärdienst getötet werden, rechtfertigt keine andere Bewertung. Abgesehen davon, dass es angesichts der geltend gemachten Erkrankungen eher fraglich erscheint, ob der Kläger in Syrien noch Wehrdienst leisten müsste, hat er keinen konkreten Anlass für die Befürchtung darlegen können, dass er selbst wegen seiner Religionszugehörigkeit im Rahmen eines Militärdienstes massiv gefährdet wäre.

Nach allem kann offen bleiben, ob für den Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien eine inländische Fluchtalternative bestünde. Das OVG Sachsen-Anhalt weist allerdings in seinem Urteil vom 30. Januar 2008 - 3 L 75/06 - mit beachtlichen Gründen darauf hin, dass Yeziden in Syrien vor ethnisch-religiös motivierten Übergriffen arabischer Moslems - wenn nicht im Hassake-Gebiet so doch im Afrim-Gebiet - hinreichende Sicherheit für den Fall ihrer Rückkehr nach Syrien finden und dass in dem in Syrien als "yezidisches Gebiet" geltenden Afrim-Gebiet für zuwandernde Yeziden aus dem Hassake-Gebiet sowohl das wirtschaftliche als auch das religiöse Existenzminimum gewährleistet ist. Daneben kommt u.U. ein Ausweichen in syrische Großstädte in Betracht.

Eine asyl- bzw. flüchtlingsschutzrelevante Gefährdung besteht für den Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit deshalb, weil nach verschiedenen Berichten nach Syrien abgeschobene Personen dort nach ihrer Rückkehr nicht nur - wie nach der Auskunftslage üblich - vorübergehend festgehalten und befragt oder verhört, sondern zum Teil inhaftiert worden sein sollen, wobei sie möglicherweise menschenunwürdigenden oder erniedrigenden Haftbedingungen oder Verhörmethoden ausgesetzt gewesen sind. Auch nach Inkrafttreten des Rückführungsabkommens bestehen bislang keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine generelle Gefährdung aller - auch staatenloser - kurdischen Volkszugehörigen bei ihrer Rückführung (ebenso: OVG Münster, Beschlüsse vom 15. April 2010 - 14 A 237/10.A - und vom 19. April 2010 - 14 A 729/10.A -, jeweils juris; VG Saarland, Urteil vom 26. Januar 2010 - 2 K 273/09 -, juris; VG Osnabrück, Beschluss vom 19. November 2009 - 5 B 114/09 -). Die Möglichkeit von Schikanen durch syrische Behörden bei der Wiedereinreise ist seit langem bekannt. So berichtet das Auswärtige Amt in seinen Lageberichten schon seit Jahren von einer nicht auszuschließenden Gefahr der Inhaftierung von Rückkehrern nach Syrien (vgl. z.B.: Lageberichte vom 11. September 2001 und 15. April 2004). Nach den Lageberichten vom 05. Mai 2008 und 09. Juni 2009 werden rückgeführte Personen bei einer Einreise zunächst über ihren Auslandsaufenthalt und den Grund ihrer Abschiebung befragt; diese Befragungen können sich danach über mehrere Stunden hinziehen. In manchen Fällen wird der Betroffene für die folgenden Tage noch einmal zum Verhör einbestellt. In Einzelfällen würden Personen für die Dauer einer Identitätsüberprüfung durch die Einreisebehörden festgehalten werden, was selten länger als zwei Wochen dauere. Vereinzelt gebe es Fälle, in denen aus Deutschland abgelehnte Asylbewerber bei der Einreise wegen politischer Aktivitäten verhaftet und mindestens in einem Fall auch anschließend von einem Militärgericht in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden seien. Auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe berichtet wiederholt (z.B. Update vom 20. August 2008 - Aktuelle Entwicklungen) von vorübergehenden Verhaftungen von aus dem Ausland zurückkehrenden Personen, wobei sich die Repressionen danach offenbar nicht auf abgeschobene Personen beschränkten. So hätten sich etwa während der Sommerferien 2007 viele Besucher und Rückkehrer beklagt, dass sie bei einer Einreise stundenlang inhaftiert, befragt und gedemütigt geworden seien; ohne Bezahlung von Bestechungsgeldern hätten sie den Flughafen in Damaskus nicht verlassen können. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung für alle unverfolgt ausgereisten Rückkehrer wurde in der Vergangenheit aus diesen Umständen nicht hergeleitet.

Darauf, dass sich die geschilderten Zustände zwischenzeitlich in einer Weise geändert haben, dass nunmehr allgemein von einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Rückkehrgefährdung für nach Syrien abgeschobene Asylbewerber (aus asylerheblichen Gründen) ausgegangen werden kann, deuten die zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel nicht hin. Im Mittelpunkt der Berichterstattung stehen wenige Einzelfälle der Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern, die nach ihrer Ankunft in Damaskus von syrischen Stellen festgehalten wurden. Die Diskussion um diese Fälle hat unter anderem dazu geführt, dass auf Länderebene - ohne dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Abschiebungstopps gesehen wurden - Abschiebungen vorübergehend ausgesetzt wurden. Seine aufgrund eines Ersuchens des Bundesministeriums des Inneren zunächst unterbrochene Entscheidungspraxis (dazu Schreiben des BMI an die Innenministerien/Innensenatoren der Länder vom 16. Dezember 2009) hat das BAMF inzwischen wieder aufgenommen.

Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes (ad hoc-Ergänzungsberichte vom 28. Dezember 2009 und 07. April 2010, Stellungnahme vom 15. April 2010 an das BAMF) wurden im Jahr 2009 38 Personen mit syrischer Staatsangehörigkeit von Deutschland nach Syrien zurückgeführt. In der Regel sei nach der Einreise eine Befragung durch die syrische Einwanderungsbehörde und die Sicherheitsdienste erfolgt. In Einzelfällen seien rückgeführte Personen für die Dauer von Identitätsprüfungen für mehrere Tage, in seltenen Fällen länger als zwei Wochen festgehalten worden. In drei Fällen seien in diesem Zusammenhang Festnahmen bzw. Inhaftierungen bei oder kurz nach der Einreise in Syrien bekannt geworden. Eine am 06. August 2009 eingereiste syrische Staatsangehörige sei vom politischen Geheimdienst vernommen worden und habe wegen des Vorwurfs "illegaler Ausreise" dem Haftrichter vorgeführt werden sollen. Nach Angabe ihres Bruders habe dieser sie nach drei Tagen gegen Bezahlung eines Betrages in Höhe von ca. 2500 € am Flughafen abholen können. Ob es sich um eine Geldstrafe für illegale Ausreise oder andere Delikte handele oder um eine verdeckt eingeforderte Bestechung, sei nicht aufzuklären. Am 08. Oktober 2009 sei eine syrische Staatsangehörige mit vier volljährigen Kindern nach ihrer Rückführung festgenommen und 15 Tage in verschiedenen Dienststellen des Sicherheitsdienstes inhaftiert worden. Einen Schwerpunkt der Vernehmungen hätten die Befragungen nach der Art der Ausreise aus Syrien gebildet. Nach 15 Tagen sei sie entlassen worden. Der syrische Staatsangehörige K. sei bei einer Vorsprache mehrere Tage nach seiner Rückführung am 13. September 2009 verhört und inhaftiert worden. Am 04. Januar 2010 sei er gegen Kaution aus der Haft entlassen worden und daraufhin aus Syrien ausgereist. In Abwesenheit sei er am 08. Februar 2010 wegen "Verbreitung bewusst falscher Tatsachen im Ausland, die das Ansehen des Staates herabzusetzen geeignet sind", von einem Militärgericht zu einer Haftstrafe von 4 Monaten sowie zu einer Geldstrafe von umgerechnet 1,17 € verurteilt worden. Das Strafmaß sei vergleichsweise milde. Zwischenzeitlich habe K. bei der Deutschen Botschaft in Ankara persönlich vorgesprochen und unter anderem angegeben, er habe in Deutschland zwischen dem Jahr 2004 und 2009 an insgesamt 10 Demonstrationen teilgenommen. Während der Haft sei er misshandelt und geschlagen worden.

Eingehend befasst mit der Rückkehrproblematik hat sich insbesondere auch das Europäische Zentrum für Kurdische Studien - EZKS - (Stellungnahmen vom 25. Oktober 2009, 25. November 2009 und 14. Februar 2010 an Rechtsanwalt Walliczek, Stellungnahme vom 05. Dezember 2009 an Rechtsanwälte Reimann und Partner). Seine Erkenntnisse zum Fall K. entsprechen denjenigen des Auswärtigen Amtes. Nach persönlichen Angaben des K. sei es bei den Verhören vor allem um die Frage gegangen, ob er an einer Kundgebung am 10. Dezember 2008 in Berlin gegen das Rückübernahmeabkommen teilgenommen habe, was er schließlich zugegeben habe. Aus dem vorliegenden Verhörprotokoll und anderen Dokumenten gehe hervor, dass der Geheimdienst und die Justiz in Syrien sich für das exilpolitische Engagement abgeschobener Kurden interessierten, dass in Geheimdienstverhören nach diesbezüglichen Informationen gefragt werde und dass diese an die Justiz weitergegeben werden. Das EZKS berichtet auch über den Fall der am 08. Oktober 2009 abgeschobenen Familie und fügt den Erkenntnissen des auswärtigen Amtes hinzu, dass die Mitglieder dieser Familie während der Haftzeit bedroht und beschimpft worden seien. Später seien sämtliche Familienmitglieder unter dem Vorwurf, das Land illegal verlassen zu haben, zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Über den vom Auswärtigen Amt berichteten Fall der am 06. August 2009 bei der Einreise in Gewahrsam genommenen abgeschobenen Kurdin liegen dem EZKS keine Informationen vor. Es berichtet aber über einen am 27. Juni 2009 aus Zypern abgeschobenen Mann, der sich nach wie vor in Haft befinde und nach Informationen gefoltert worden sei. Ein auf Artikel 267 Strafgesetzbuch gestütztes Militärstrafverfahren (Handlung "in der Absicht, einen Teil des syrischen Territoriums abzutrennen, um ihn einen ausländischen Staat anzugliedern ") sei noch nicht abgeschlossen. Das EZKS recherchiere. Bislang sei eine weitere Person identifiziert worden, die 2009 nach Syrien abgeschoben und einem Bekannten zufolge dort festgenommen und gefoltert worden sei (zum vorstehenden insbesondere: Stellungnahme vom 14. Februar 2010 an Rechtsanwalt Walliczek).

Zu den Motiven derzeit verstärkter Festnahmen und Inhaftierungen abgeschobener Personen führt das EZKS in seiner Stellungnahme vom 25. Oktober 2009 aus: Möglicherweise bestehe ein Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Rückübernahmeabkommens. Syrien habe dieses auf Druck der Bundesregierung unterzeichnet, aber nach wie vor kein Interesse an einer Rückkehr geflohener Kurden nach Syrien. Eine Strategie, das Rücknahmeabkommen zu unterlaufen, könnte darin bestehen, vermehrt Personen festzunehmen und zu inhaftieren, um so zukünftige Abschiebungen zu unterbinden. Dafür spreche, dass kein eindeutiges System erkennbar sei, nach welchen Kriterien die syrischen Sicherheitsdienste bei ihren Festnahmen vorgingen. Zum jetzigen Zeitpunkt könne keine abgeschobene Person sicher sein, nicht inhaftiert zu werden, unabhängig von ihren Aktivitäten oder ihrem Geschlecht. Es ließen sich jedoch einige Charakteristika benennen, die das Risiko, festgenommen, verhört und inhaftiert zu werden, erhöhen. Hierzu gehörten politisches Engagement in Syrien oder im Exil, politisches Engagement naher Verwandter, Tätigkeiten in sicherheitsrelevanten Bereichen, aber auch "Auffälligkeiten bei der Rückschiebung wie etwa die Anwesenheit auffällig vieler Sicherheitsbeamter des Staates, aus dem eine Person abgeschoben werde". In der Stellungnahme vom 25. November 2009 ergänzt das EZKS die Aspekte, die seiner Auffassung nach die Wahrscheinlichkeit einer Festnahme erhöhten. Dazu gehöre 1. exilpolitisches Engagement, das sich entweder durch die Quantität (Zahl der besuchten Demonstrationen usw.) und/oder Qualität (besonders "sichtbare" Aktivitäten wie beispielsweise die Verfassung regimekritischer Artikel auf einschlägigen Internetseiten) auszeichne; 2. parteipolitisches Engagement auf Führungsebene (in Syrien wie im Exil), im allgemeinen, insbesondere aber in der Yekiti, der Azadi und vor allem der PYD; 3. Tätigkeiten in sicherheitsrelevanten Bereichen (z.B. im militärischen Bereich) vor der Ausreise aus Syrien sowie 4. Denunziation (Verfassung von - zutreffenden oder unzutreffenden - Berichten über Aktivitäten von Asylbewerbern und Flüchtlingen und Weiterleitung an syrische Stellen durch Dritte).

Unter Berücksichtigung der genannten Erkenntnisse ist es - wie schon in der Vergangenheit - nicht auszuschließen, dass freiwillig zurückkehrende oder abgeschobene Asylbewerber aus Deutschland bei ihrer Rückkehr in Syrien - auch länger - festgehalten bzw. vorübergehend inhaftiert werden und dass es auch zu darüber hinausgehenden Repressalien kommt. Die bloße Möglichkeit derartiger Nachstellungen reicht aber für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht aus; vielmehr bedarf es auch insoweit der Feststellung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines solchen Ereignisses. Dies gilt umso mehr, als die aufgeführten Festnahmen alle bereits mehr als ein halbes Jahr zurückliegen und von vergleichbaren Fällen aus jüngerer Zeit - die auch in Zusammenhang mit Rückführungen aus anderen Ländern denkbar wären - nicht berichtet wird. Die Wahrscheinlichkeit erheblicher Repressalien bei der Rückkehr mag wegen der angesprochenen Unwägbarkeiten derzeit weiterhin allgemein etwas höher sein als in der Zeit unmittelbar vor Inkrafttreten des Rückführungsabkommens. Signifikant erhöht wird sie aber erst bei Hinzutreten bestimmter Gefährdungsfaktoren, die im Einzelfall zu bewerten sind und die sich insbesondere - aber nicht nur - aus den vom EZKS genannten Gründen ergeben können.

Für den Kläger lässt sich danach die Feststellung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit asylrelevanter Nachstellungen bei einer Rückkehr bzw. Abschiebung nach Syrien nicht treffen. Er gehört nicht zu dem Personenkreis, für den nach der Einschätzung des EZKS eine Gefährdung in besonderer Weise naheliegt. Eine erhöhte Gefährdung aus anderen Gesichtspunkten ergibt sich für den Kläger auch nicht aus sonstigen Erkenntnisquellen. [...]

Ergänzend wird hierzu im Hinblick auf das Klagevorbringen und die vorgelegten Bescheinigungen ausgeführt: Dafür, dass dem Kläger aus individuellen gesundheitlichen Gründen in Syrien landesweit eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG drohen könnte, liegen weiterhin keine Anhaltspunkte vor. [...]

Nach den von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen der Deutschen Botschaft in Syrien vom 16. Mai 1999 und 16. Dezember 2009 sind in Syrien Marcumar und Pretnisolon erhältlich. Bezüglich der Möglichkeiten, andere erwähnte Medikamente zu erlagen, wird auf die Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom 26. Mai 2010 verwiesen, denen der Kläger nicht entgegengetreten ist. Es sprechen auch keine Anhaltspunkte dagegen, dass der Kläger in Syrien die erforderliche und angemessene ärztliche und medikamentöse Behandlung erhalten kann. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 9. Juli 2009 ist die medizinische Versorgung in Syrien im Grundsatz flächendeckend und kostenfrei. Auch wenn der Standard in öffentlichen Kliniken nicht westlichen Maßstäben entspricht, sind überlebensnotwendige Behandlungen und Therapien chronischer Leiden gewährleistet. Auch die Medikamentenversorgung ist weitgehend sichergestellt, muss jedoch häufig von Patienten gezahlt werden. Neben der öffentlichen kostenfreien Gesundheitsversorgung hat sich ein umfangreicher Markt kompetenter privater Anbieter gebildet. Es ist davon auszugehen, dass dem Kläger als - wie von ihm eingeräumt - syrischen Staatsangehörigen der Zugang zur ärztlichen und medikamentösen Betreuung in Syrien möglich ist. Die Beklagte weist im angefochtenen Bescheid zutreffend auf die Möglichkeit einer Unterstützung von Verwandten sowie daraufhin, dass im Hinblick auf die bestehenden kulturellen Verhältnisse in Syrien und die starken familiären Bindungen dort der Familienverband in Not geratener Einzelmitglieder der Familie nötigenfalls auch durch zur Verfügung Stellung entsprechender Geldmittel auffängt. Der Einwand des Klägers in der mündlichen Verhandlung, seine Eltern seien mittellos, führt zu keinem anderen Ergebnis. Das Bundesamt hat hierzu schon im Bescheid vom 16. November 2007 darauf hingewiesen, dass er bei seiner Anhörung im Erstverfahren angegeben hat, seine Familienangehörigen seien keine armen Leute. Nach dem Eintrag im Familienbuch haben die Eltern insgesamt 10 Kinder, die offenbar überwiegend in der Heimat verheiratet sind. Es ist anzunehmen, dass er von diesen Hilfe erlangen kann. Im Übrigen handelt es sich bei dem Kläger um einen jungen Mann, bei dem auch unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht erkennbar ist, dass er nicht selbst auch durch eigene Arbeit zu seinem Lebensunterhalt und dem Erwerb von Geldmitteln für (nicht kostenlose) ärztliche Behandlungen und Medikamente beitragen kann. [...]