BVerwG

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Zitieren als:
BVerwG, Urteil vom 29.04.2010 - 5 C 4.09 - asyl.net: M17284
https://www.asyl.net/rsdb/M17284
Leitsatz:

Kein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit bei zwischenzeitlichem Antragserwerb einer fremden Staatsangehörigkeit, wenn der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt war und nicht hätte bekannt sein müssen ("Kennenmüssen" im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StAG).

Schlagwörter: Staatsangehörigkeitsrecht, deutsche Staatsangehörigkeit, Verlust, Kennenmüssen
Normen: StAG § 25 Abs. 1 S. 1, GG Art. 16 Abs. 1
Auszüge:

[...]

1. Das Berufungsgericht hat im rechtlichen Ansatz zutreffend darauf abgestellt, § 25 Abs. 1 Satz 1 StAG sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass ein Deutscher danach seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinen Antrag oder den Antrag des gesetzlichen Vertreters nur verliert, wenn ihm im Zeitpunkt des Antragserwerbs der ausländischen Staatsangehörigkeit der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit bekannt war oder hätte bekannt sein müssen. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 10. April 2008 - BVerwG 5 C 28.07 - BVerwGE 131, 121 ff.), an der er festhält. [...]

Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist das Vorbringen des Klägers nicht zu widerlegen, er habe Kenntnis von seiner eigenen deutschen Staatsangehörigkeit erst nach dem Erwerb der Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation durch eine Mitteilung des Deutschen Roten Kreuzes erlangt.

Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist auch nicht davon auszugehen, dass dem Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt im Sinne eines normativen Zurechnungszusammenhangs seine eigene deutsche Staatsangehörigkeit hätte bekannt sein müssen. Zwar hat das Berufungsgericht - zugunsten der Beklagten - unterstellt, dass der Kläger im Zeitpunkt des Antragserwerbs am 7. Mai 1998 sowohl von der im Jahre 1944 erfolgten Einbürgerung seines Vaters in das Deutsche Reich als auch von dem Aufnahmeverfahren seines Vaters sowie den Einbürgerungsverfahren seiner Schwestern wusste und sich hieraus für ihn hinreichend deutliche Anhaltspunkte für die Einleitung eines Verfahrens auf Feststellung der eigenen deutschen Staatsangehörigkeit ergeben hätten. Das Berufungsgericht weist aber zutreffend darauf hin, dass sich der Erklärungsgehalt der Einbürgerungsentscheidungen zugunsten des Vaters und der Schwestern des Klägers, die sich im Zeitpunkt ihrer Einbürgerung bereits im Bundesgebiet aufhielten, auf deren Verfahren beschränke. Mit Rücksicht darauf liegt für Personen, die sich - wie der Kläger - nicht im Bundesgebiet aufhalten, die Erkenntnis, auch ohne Aufnahme oder rechtmäßigen Daueraufenthalt im Bundesgebiet deutscher Staatsangehöriger geworden zu sein, nicht gleichsam auf der Hand. Es ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht aus dem Umstand, dass selbst das Bundesverwaltungsamt als Fachbehörde noch im Jahr 2004 im Verfahren des Bruders V. des Klägers die Ausstellung eines deutschen Staatsangehörigkeitsausweises mit der Begründung verweigerte, dass trotz der bereits erfolgten Einbürgerungen des Vaters und der Schwestern des Klägers der Nachweis des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit vom Vater des Klägers durch Geburt nicht als erbracht anzusehen sei, darauf schließt, dass die Behörde eine entsprechende Haltung auch im Jahr 1998 in Bezug auf den Kläger eingenommen hätte und demzufolge ein "Kennenmüssen" der deutschen Staatsangehörigkeit verneint. Zwar knüpft die Bewertung des Berufungsgerichts an Vorgänge an, die dem Kläger im Mai 1998 noch nicht bekannt sein konnten. Sie hält sich aber mangels zulässig und begründet gerügter Fehler der Tatsachenwürdigung im Rahmen der das Revisionsgericht bindenden Feststellung und Würdigung des entscheidungserheblichen Sachverhalts. Die Angriffe der Revision erschöpfen sich der Sache nach darin, der Wertung des Berufungsgerichts eine eigene entgegenzusetzen. Mit Rücksicht auf die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts kann dem Kläger als staatsangehörigkeitsrechtlichem Laien, der im Ausland geboren ist und lebt, im Rahmen der Prüfung eines Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StAG keine andere ("bessere") Erkenntnis als die der Fachbehörde zugerechnet und entgegengehalten werden. [...]