VG Oldenburg

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Zitieren als:
VG Oldenburg, Urteil vom 31.05.2010 - 11 A 888/10 - asyl.net: M17271
https://www.asyl.net/rsdb/M17271
Leitsatz:

Keine Aufenthaltserlaubnis für Vater aufenthaltsberechtigter Kinder, da er in der Vergangenheit nicht alles unternommen hat, um seine Kinder zu besuchen. Nach § 6 Abs. 1 AsylbLG hätte er die Erstattung der Fahrtkosten beim Sozialamt beantragen können, er hätte auch nötigensfalls mit behördlicher und gerichtlicher Hilfe sein Umgangsrecht gegen den Willen der Kindsmutter durchsetzen können. Allein der Umstand, dass der Kläger nun eine Arbeitsstelle gefunden hat, reicht für eine positive Zukunftsprognose hinsichtlich eines zukünftigen regelmäßigen Umgangs mit seinen Kindern nicht aus.

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, familiäre Lebensgemeinschaft, häusliche Lebensgemeinschaft, Umgangsrecht, Eltern-Kind-Verhältnis, Besuchskontakte, Prognose, Duldung
Normen: AufenthG § 27, AufenthG § 29, AufenthG § 36 Abs. 2 S. 1, AufenthG § 25 Abs. 5, GG Art. 6 Abs. 1, EMRK Art. 8, AsylbLG § 6 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Der Kläger hat gegen den Beklagten weder einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen nach §§ 27, 29, 36 Abs. 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG - noch einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG.

Die Voraussetzungen der vorgenannten Rechtsgrundlagen liegen schon deshalb nicht vor, weil die Einzelrichterin nach Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung die Auffassung gewonnen hat, dass zwischen dem Kläger und seinen Kindern derzeit eine schützenswerte familiäre Lebensgemeinschaft noch nicht wieder besteht und aufgrund des bisherigen Verhaltens des Klägers nichts Überwiegendes dafür spricht, dass eine solche Lebensgemeinschaft künftig dauerhaft gelebt werden würde, wenn der Kläger in Deutschland bleiben dürfte. [...]

Im Falle des Klägers hat sich das Gericht nicht davon überzeugen können, dass dessen gegenwärtige Umgangskontakte mit seinen Kindern die eben beschriebene erforderliche Substanz aufweisen. Denn derzeit hat der Kläger gar keinen Kontakt mehr mit seinen Kindern. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger eingeräumt, die Kinder im Oktober 2009 letztmalig in Hannover besucht und im März diesen Jahres letztmalig mit ihnen telefoniert zu haben. Davor hatte der Kläger seine Kinder seit der Flucht seiner ehemaligen Ehefrau ins Frauenhaus im Dezember 2006 bis April oder Mai 2009, also rund zweieinhalb Jahre, überhaupt nicht mehr gesehen. [...]

Es spricht auch nichts Überzeugendes dafür, dass der Kläger die eingangs beschriebene schützenswerte Lebensgemeinschaft mit seinen Kindern künftig führen würde, wenn der Beklagte ihm eine Aufenthaltserlaubnis erteilte. Dafür, dass die ehemalige Ehefrau des Klägers gewillt sein könnte, mit diesem wieder eine Lebensgemeinschaft aufzunehmen, spricht weder der eigene Vortrag des Klägers noch die Stellungnahme des Jugendamts der Stadt Langenhagen. Somit muss auch für die Zukunft davon ausgegangen werden, dass der Kläger von seinen Kindern räumlich weit entfernt leben und Treffen des Klägers mit seinen Kindern - wie bisher - nur unter einigen Anstrengungen seinerseits möglich sein würden.

Das Gericht kann für die Vergangenheit keine Bemühungen des Klägers um seine Kinder erkennen, die einen hinreichenden Anhaltspunkt für die Annahme böten, er werde sich nun, nachdem er zum 20. April 2010 einen Arbeitsplatz gefunden hat, dauerhaft und verlässlich um seine Kinder kümmern.

Fest steht, dass der Kläger nachhaltig Kontakt zu seiner ehemaligen Ehefrau und den Kindern erst zu einem Zeitpunkt suchte, als sich im Januar 2009 seine Abschiebung in sein Heimatland zunehmend mehr konkretisierte und ihm seitens der Ausländerbehörde signalisiert wurde, die Wiederaufnahme der familiären Beziehungen könne dies verhindern. Die ehemalige Ehefrau des Klägers willigte sodann in Besuchskontakte an neutralen Orten ein. Ausweislich des Berichts des Jugendamtes der Stadt Langenhagen vom 23. April 2010 kam es in der Innenstadt von Hannover zu einigen wenigen Kontakten des Klägers mit der Familie. Wann genau er in Hannover gewesen ist, vermochte der Kläger dem Gericht in der mündlichen Verhandlung allerdings nicht darzustellen. [...] Nach Abbruch der Besuchskontakte beschränkte sich der Kläger auf 2 - 3 Telefonate monatlich. Nunmehr verweigert nach seinen Angaben Frau ... die Kontakte. Seit März 2010 soll sie nicht einmal mehr an das Telefon gehen, wenn der Kläger anruft. Das Gericht unterstellt diesen Vortrag des Klägers als wahr. Alles in allem hat der Kläger den Abbruch der Beziehungen zu seinen Kindern mit seinen beengten finanziellen Verhältnissen begründet und damit, dass seine ehemalige Ehefrau "Probleme" mache.

Allein der Umstand, dass der Kläger nunmehr eine Arbeitsstelle gefunden hat, reicht für eine positive Zukunftsprognose nicht aus. Dafür, dass er die Arbeitsstelle auf gewisse Dauer wird behalten können, spricht nämlich nichts Überwiegendes. Auch in der Vergangenheit ist der Kläger trotz Beschäftigungserlaubnis nur sporadisch erwerbstätig gewesen. [...] In seinem jetzigen Arbeitsverhältnis befindet sich der Kläger noch in der Probezeit. Dass er - wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen - seine Alkoholprobleme nachhaltig in den Griff bekommen hat, ist nicht belegt. In dem letzten vom Kläger vorgelegten ärztlichen Attest des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. ... vom 23. September 2008 heißt es nämlich, dass der Kläger an einer Alkoholkrankheit leide, der Arzt eine stationäre Entwöhnungsbehandlung empfehle und eine ambulante Maßnahme nicht für erfolgversprechend halte. Davon, dass der Kläger eine stationäre Entwöhnungstherapie absolviert haben könnte, hat er weder gegenüber dem Beklagten noch gegenüber dem Gericht etwas berichtet.

Daneben ist bei der Prognose des künftigen Verhaltens des Klägers von Bedeutung, dass er nach der Trennung von seiner ehemaligen Ehefrau rund zweieinhalb Jahre verstreichen ließ, bevor er ein Treffen mit seinen Kindern einforderte. Angesichts der von Dr. ... in dem erwähnten Attest diagnostizierten Erkrankungen des Klägers war er vermutlich in der Zeit von Dezember 2006 bis April/Mai 2009 derart mit sich selbst beschäftigt, dass es ihm schlicht nicht möglich war, die Interessen seiner Kinder in den Blick zu nehmen und Besuchskontakte aktiv herbeizuführen. Zudem hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch für die letzte Zeit angedeutet, dass er damit beschäftigt gewesen sei, seine eigenen Sachen zu regeln [...]. Dafür dass der Kläger künftig dauerhaft in der Lage ist, die Interessen und Bedürfnisse seiner Kinder auch in eigene Aktivitäten umzusetzen, spricht nach dem eben ausgeführten nichts Überwiegendes.

Gegen eine günstige Prognose spricht letztlich auch, dass sich der Kläger seit Oktober 2009 nicht so intensiv wie es möglich und zumutbar gewesen wäre darum bemüht hat, den persönlichen Kontakt zu seinen Kindern aufrecht zu erhalten. [...] Dem in Deutschland Üblichen entspricht dabei, dass ein von der Mutter getrennt lebender Vater nötigenfalls behördliche oder gerichtliche Hilfe zur Durchsetzung seiner Umgangsrechte mit den Kindern in Anspruch nimmt. Letzteres ist dem Kläger entgegenzuhalten, soweit er sich darauf beruft, er habe derzeit keinen Kontakt mit seinen Kindern mehr, weil seine Ehefrau dies nicht wünsche. Dies hält das Gericht nämlich für durchaus glaubhaft, nachdem der Kläger vortragen hat, es habe in der Vergangenheit Besuchstermine in Hannover gegeben, bezüglich derer es, weil er die eigentlich vereinbarten Termine nicht einhalten wollte, zu Unstimmigkeiten mit seiner ehemaligen Ehefrau gekommen sei. Auch nachdem der Kläger mehrere Monate ohne Besuche in Hannover hat verstreichen lassen, ist es nur naheliegend, dass die Mutter der Kinder dieser aus ihrer Sicht völlig unzuverlässigen Art und Weise des Umgangs des Klägers mit seinen Kindern ablehnend gegenüber steht. Gleichwohl wäre es dem Kläger möglich gewesen, über das Jugendamt der Stadt Langenhagen oder ggfs. unter Inanspruchnahme eines Familiengerichts sog. begleitete Besuchskontakte zu initiieren. Gegen eine solche Vorgehensweise spricht insbesondere nicht, dass der Kläger als Ausländer mit den hiesigen rechtlichen Möglichkeiten möglicherweise nicht vertraut war. Dies galt nämlich auch in anderen behördlichen Verfahren (z.B. Asylverfahren und das Verwaltungsverfahren betreffend seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis). In diesen behördlichen Angelegenheiten wusste sich der Kläger jedoch durchaus zu helfen, indem er sich nämlich anwaltlichen Beistandes bediente.

Soweit der Kläger vorträgt, seine eingeschränkten finanziellen Verhältnisse seien die Ursache dafür gewesen, dass er seine Besuchskontakte in Hannover ab Oktober 2009 eingestellt hat, hält die Einzelrichterin dies nicht für überzeugend. Dem Kläger ist zunächst vorzuhalten, dass er nicht einmal versucht hat, bei der für ihn für die Auszahlung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz - AsylbLG - zuständigen Gemeinde Geld für die Fahrten nach Hannover zu erhalten. Nach § 6 Abs. 1 AsylbLG wäre eine zusätzliche Leistung möglicherweise in Betracht gekommen. [...] Im Übrigen muss er sich entgegenhalten lassen, dass seine derzeitige Wohnung ca. 6 km von ... entfernt liegt. So es dem Kläger nicht möglich gewesen sein sollte, sich zur Bewältigung der Strecke ein Fahrrad auszuleihen, wäre es ihm als weder familiär noch beruflich eingebundenen rund vierzigjährigem Mann auch zumutbar gewesen, die Strecke gelegentlich zu Fuß zu gehen. Diese Lösung hätte sich jedenfalls angeboten, wenn es dem Kläger wirklich wichtig gewesen wäre, Geld für Fahrten zu seinen Kindern anzusparen. Seit dem 20. April 2010 verfügt der Kläger über eigenes Einkommen. Ausweislich der vorgelegten Lohn- und Gehaltsabrechnung vom 12. Mai 2010 sind ihm bislang 200,00 € Vorschuss und später weitere 140,34 € ausgezahlt worden. Damit hätte er sich in den letzten Wochen ohne Weiteres eine Bahnfahrt nach Hannover leisten können. [...]