VG Oldenburg

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Zitieren als:
VG Oldenburg, Urteil vom 05.07.2010 - 11 A 875/09 - asyl.net: M17268
https://www.asyl.net/rsdb/M17268
Leitsatz:

Keine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (§ 25 Abs. 5 AufenthG): Staatenlose Palästinenser, die im Libanon registriert sind, können zwar nicht abgeschoben werden, sie können jedoch freiwillig ausreisen. Die Abgabe einer entsprechenden Freiwilligkeitserklärung bei der libanesischen Auslandsvertretung ist nach der Rechtsprechung des BVerwG zumutbar (Urt. v. 10.11.2009 - 1 C 19.08 - [= ASYLMAGAZIN 2010, S. 134 f.].

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, Libanon, Palästinenser, staatenlos, Laissez-Passer, Document de Voyage, Zumutbarkeit, freiwillige Ausreise, Freiwilligkeitserklärung, Zusicherung
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5 S. 1
Auszüge:

[...]

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erteilt wird.

Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Der Ausländer darf allerdings nicht verschuldet an der Ausreise gehindert sein. Ein solches Verschulden liegt insbesondere vor, wenn der Ausländer zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses nicht erfüllt (§ 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG).

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass die Vorschrift voraussetzt, dass sowohl die zwangsweise Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise in das Heimatland ausscheiden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 - 1 C 19.08 - <juris, Rn. 12>; Urteil vom 27. Juni 2006 - 1 C 14.05 - InfAuslR 2007, 4 5 f.>). Zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses verlangen je nach den Umständen des Einzelfalles, dass der Ausländer alles in seiner Kraft Stehende und ihm Zumutbare dazu beitragen muss, Ausreisehindernisse zu überwinden. Von vornherein erkennbar aussichtslose Handlungen dürfen ihm allerdings nicht abverlangt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2009 - 1 B 4.09 - <juris, Rn. 6>; Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 8.98 - InfAuslR 1999, 106 109>). Der Betroffene muss danach insbesondere an der Ausstellung von Passersatzpapieren, die eine Rückreise in das Heimatland ermöglichen, mitwirken. Ihm obliegt es, sich auf die Ausreise einzustellen, hierzu bereit zu sein, einen entsprechenden Willen zu bilden und diesen auch zu bekunden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2009, a.a.O., Rn. 12 ff.).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim (Urteil vom 3. Dezember 2008 - 13 S 2483/07 - InfAuslR 2009, 109) werden palästinensischen Volkszugehörigen aus dem Libanon von der libanesischen Auslandsvertretung in Deutschland in der Regel ohne Vorlage von Aufenthaltszusagen der Ausländerbehörden keine für die Rückreise ausreichenden Papiere ausgestellt (ebenso OVG Brandenburg, Urteil vom 1. Juli 2004 - 4 A 747/03 - <juris>; VG Freiburg, Urteil vom 24. April 2008 - 4 K 280/06 - <juris>; VG Berlin, Urteil vom 24. Juli 2007 - 27 A 180.06 - <juris>).

Dieser Auffassung, die zudem nicht durch hinreichend eindeutige Auskünfte gegründet ist, vermag sich das Gericht nach den ihm vorliegenden Erkenntnissen nicht anzuschließen.

Zwar ist - wie die Beteiligten zu Recht übereinstimmend annehmen - eine Abschiebung von palästinensischen Volkszugehörigen in den Libanon praktisch nicht möglich (vgl. auch die in den Ausländerakten befindlichen Vermerke vom 25. Juni 2010, 5. Juni und 7. Mai 2009). Der Kläger könnte aber freiwillig ausreisen.

Nach einem Schreiben der für die Ausstellung von Passersatzpapieren aus dem Libanon stammender Personen zuständigen Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörde Niedersachsen an den Beklagten vom 25. Juni 2010 erhalten Personen, die - wie in der Regel die Palästinenser - keine libanesische Staatsangehörigen sind, jedoch dort eine Aufenthaltserlaubnis hatten, ein Laissez-Passer für ein Jahr, wenn sie sich rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Darüber hinaus können sie aber auch ein Laissez-Passer zur freiwilligen Rückkehr erhalten. Dieses ist nur für den Zweck der einmaligen Einreise in den Libanon bestimmt. Eine Aufenthaltserlaubnis oder eine entsprechende Zusicherung der deutschen Ausländerbehörden ist hierfür nicht notwendig (vgl. ebenso Vermerke vom 25. Juni 2010 und 5. Juni 2009). Anhaltspunkte dafür, dass diese Auskunft unzutreffend ist, hat das Gericht nicht; auch der Kläger vermochte diese in der mündlichen Verhandlung nicht zu entkräften.

Der Kläger ist im Libanon auch nicht bloß geduldet worden, sondern nach der von ihm vorgelegten Bescheinigung vom 26. März 2008 gehört er zu den bei der Generaldirektion für das Zivilstandswesen registrierten Palästinensern. Diese erhalten eine Identitätskarte und zu Reisezwecken ein sog. Dokument de Voyage (vgl. Bericht der Deutschen Botschaft in Beirut vom Oktober 2007, S. 5).

Der Kläger müsse daher bei der Botschaft des Libanons mit seiner Identitätskarte für palästinensische Flüchtlinge vorsprechen und erklären, mit einem laissez passer freiwillig ausreisen zu wollen. Er muss mithin eine Art Freiwilligkeitserklärung abgeben, die von einem ausreisepflichtigen Ausländer zumutbarer Weise verlangt werden darf (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 a.a.O., Rn. 14).

Das mit der ausländerbehördlichen Bescheinigung vom 26. März 2010 im Mai 2010 beantragte Laissez-Passer ist nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung lediglich eines, welches den Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ermöglicht. Seine Bemühungen um eine freiwillige Rückkehr sind daher noch nicht als ausreichend zu bewerten.

Schließlich ist - trotz der nicht vollständig widerspruchsfreien Haltung der Ausländerbehörde - in dem Schreiben des Beklagten vom 26. März 2010 eine Zusicherung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne der §§ 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, 1 Abs. 1 NVwVfG nicht zu erkennen. Diese setzt nämlich voraus, dass die Behörde gegenüber dem Adressaten unzweifelhaft den Willen zum Ausdruck bringt, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 1996 - 2 C 39.95 - BVerwGE 102, 81 84>). Das angeführte Schreiben ist jedoch lediglich eine "Bescheinigung" zur Vorlage bei einer Auslandsvertretung. Es wird inhaltlich auch nur die gesetzliche Regel (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG) bestätigt, dass für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG die Vorlage eines Laissez-Passer notwendig ist. Es wird gerade nicht bescheinigt, dass die sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels vorliegen. [...]