VG Darmstadt

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Zitieren als:
VG Darmstadt, Beschluss vom 21.01.2010 - 4 L 36/10.DA.A (3) - asyl.net: M17204
https://www.asyl.net/rsdb/M17204
Leitsatz:

Keine vorläufige Aussetzung einer Dublin-Überstellung nach Italien, da Italien bereits zuvor dem Ersuchen Norwegens zugestimmt hatte und keine subjektiven Rechte des Antragstellers zu erkennen sind.

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, vorläufiger Rechtsschutz, Abänderungsantrag, einstweilige Anordnung, Italien, Norwegen, subjektives Recht, Schutz von Ehe und Familie
Normen: VwGO § 123, VO 343/2003 Art. 16 Abs. 1c, GG Art. 6, EMRK Art. 8
Auszüge:

[...]

Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Abänderung des Beschlusses des erkennenden Gerichts vom 1. September 2009 (Az.: 4 L 914/09.DA.A [3]) dahingehend begehrt, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem Hauptsacheverfahren mit dem Aktenzeichen 4 K 1399/09.DA.A (3) vorläufig zu untersagen, die Abschiebung des Antragstellers nach Italien anzuordnen, hat keinen Erfolg.

Dabei sei zunächst angemerkt, dass die Ansicht des Antragstellers, der Zuständigkeitseintritt Italiens sei vorliegend durch Fiktion erfolgt, nachdem Italien nicht fristgemäß auf das Wiederaufnahmegesuch der Bundesrepublik Deutschland reagiert habe, zumindest zweifelhaft erscheint. Italien hatte nämlich bereits am 26. August 2008 auf das Ersuchen Norwegens, wo der Antragsteller am 17. Juni 2008 um Asyl nachgesucht hatte, unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. c Dublin II-VO reagiert, und der Antragsteller wurde deshalb ausweislich des Schreibens des Norwegian Directorate of Immigration vom 12. Mai 2009, das auf das zunächst an Norwegen gerichtete Wiederaufnahmegesuch Deutschlands erging, am 18. Dezember 2008 nach Italien überstellt ("... the alien was consequently transferred to Italy on 18.12.2008"). Bereits hierdurch dürfte die Zuständigkeit Italiens begründet worden sein.

An der in dem Beschluss vom 1. September 2009 geäußerten Einschätzung, dass "vorliegend viel dafür spricht, dass durch die materielle Prüfung des Asylerstantrags im Jahr 2003 die Bundesrepublik Deutschland zuständig gewesen wäre für die Prüfung auch des Folgeantrags", hält das Gericht hiernach nicht fest.

Selbst wenn man dem Antragsteller jedoch in seiner Ansicht folgen wollte, dass vorliegend der Zuständigkeitseintritt Italiens durch Fiktion erfolgt ist, führt dies unter Berücksichtigung der im Hauptsacheverfahren vorgelegten Klagebegründung nicht dazu, dass der Beschluss vom 1. September 2009 abzuändern und nunmehr die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen wäre.

Es bleibt nach Auffassung des Gerichts vielmehr dabei, dass es grundsätzlich keinen Anspruch des Asylbewerbers auf Durchführung seines Asylverfahrens in einem bestimmten Mitgliedstaat gibt (so auch Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand: Juli 2009, Band 2, Art 63 EGV Rdnr. 21).

Dass bspw. Art. 19 Abs. 2 Dublin II-VO die Möglichkeit gerichtlichen Rechtsschutzes grundsätzlich einräumt, steht dem nicht entgegen, denn über subjektive Rechte, auf die sich der jeweilige Asylbewerber ggf. berufen kann, ist damit noch nichts gesagt.

Wenn der Antragsteller eine fehlerhafte Zuständigkeitsbestimmung aufgrund falscher oder zurückgehaltener Informationen in den Blick nimmt, kann das Gericht - unabhängig davon, ob eine solche hier überhaupt vorliegt, woran nach der Überstellung des Antragstellers nach Italien im Dezember 2008 erhebliche Zweifel bestehen - in den von der zitierten Kommentierung angesprochenen "Grundsätze(n) der guten Zusammenarbeit und des guten Glaubens (Vertrauensgrundsatz)" keine subjektiven Rechte des jeweiligen Asylbewerbers erkennen. Diese beziehen sich vielmehr auf das Verhältnis der jeweiligen Mitgliedstaaten untereinander.

Die familiären Bindungen bzw. die Dauer des Aufenthalts des Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland führen nach den insoweit anzulegenden Maßstäben von Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK zu keiner anderen Beurteilung. Insbesondere der Umstand, dass eine Reihe von Familienangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland leben, reicht insofern nicht aus, auch wenn der Antragsteller zu ihnen einen engen Kontakt pflegt. [...]