OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 28.05.2010 - 8 ME 101/10 - asyl.net: M17148
https://www.asyl.net/rsdb/M17148
Leitsatz:

Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Buchst. b der Bleiberechtsregelung 2009 kann in Niedersachsen nur an volljährige Jugendliche erteilt werden.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: vorläufiger Rechtsschutz, Altfallregelung, Bleiberecht, Bleiberechtsregelung 2009, Aufenthaltserlaubnis auf Probe, minderjährig, Kosovo
Normen: AufenthG § 23 Abs. 1, AufenthG § 104a Abs. 1 S. 1, AufenthG § 16 Abs. 5 S. 1
Auszüge:

[...]

2. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage besteht auch kein - gegebenenfalls nach Maßgabe des § 123 VwGO sicherungsfähiger - Anspruch der Antragstellerin auf Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis über den 31. Januar 2010 hinaus.

Die 1993 in H. geborene minderjährige Antragstellerin teilt grundsätzlich aufenthaltsrechtlich das Schicksal ihrer Eltern (sog. familienbezogene Gesamtbetrachtung, vgl. Niedersächsisches OVG, Urt. v. 29.1.2009 - 11 LB 136/07 -, juris Rn. 75 m.w.N.). Diesen steht nach der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage kein Aufenthaltsrecht zu. Hinsichtlich der Mutter der Antragstellerin, Frau C. B., verweist der Senat auf seinen Beschluss vom heutigen Tage im Verfahren 8 ME 93/10. Hinsichtlich des Vaters der Antragstellerin, Herrn D. E., ist von der Antragstellerin weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass diesem ein Aufenthaltsrecht zusteht. Dies ist auch sonst nicht ersichtlich. Verfügen die Eltern damit über kein Aufenthaltsrecht, so ist davon auszugehen, dass auch ein minderjähriges Kind, das im Bundesgebiet geboren wurde oder dort lange Zeit gelebt hat, grundsätzlich auf die von den Eltern nach der Rückkehr im Familienverband zu leistenden Integrationshilfen im Heimatland verwiesen werden kann. Besondere Integrationsleistungen, die im vorliegenden Fall eine Ausnahme von diesen Grundsätzen erfordern würden, sind nicht ersichtlich. Allein der der gesetzlichen Schulpflicht geschuldete Besuch, aber auch der Abschluss der Hauptschule genügen für die Annahme solcher besonderen Integrationsleistungen nicht.

Die Antragstellerin hat voraussichtlich auch keinen eigenständigen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Buchst. b) der von den Innenministern und -senatoren der Länder im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern am 4. Dezember 2009 getroffenen Anordnung nach § 23 Abs. 1 AufenthG (vgl. Anlage zum RdErl. des Nds. Ministeriums für Inneres, Sport und Integration v. 11.12.2009 - 42.12.-12230/1-8 (§ 23) -, sog. Bleiberechtsregelung 2009). Hiernach können Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis auf Probe gemäß § 104 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG, deren Aufenthaltserlaubnis nicht nach § 104a Abs. 5 oder 6 AufenthG verlängert werden kann, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG erhalten, wenn sie zwischen dem 1. Juli 2007 und dem 31. Dezember 2009 entweder ihre Schul- oder Berufsausbildung mit einem Abschluss erfolgreich beendet haben oder sich derzeit in einer Berufsausbildung befinden und bei denen deshalb erwartet werden kann, dass sie sich in unsere Gesellschaft erfolgreich integrieren und sie zukünftig ihren Lebensunterhalt selbstständig sichern werden.

Die Antragstellerin hat hier zwar ausweislich des Abschlusszeugnisses vom 19. Juni 2009 im maßgeblichen Zeitraum ihren Hauptschulabschluss erlangt. Der Antragsgegner hat in seinem die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ablehnenden Bescheid vom 11. Februar 2010, dort S. 4, aber zutreffend darauf hingewiesen, dass die Regelung in Buchst. b der Bleiberechtsregelung 2009 nur Volljährige begünstigt. Denn in dem zur Bleiberechtsregelung 2009 ergangenen Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres, Sport und Integration vom 11. Dezember 2009 - 42.12.-12230/1-8 (§ 23) - heißt es zur Regelung in Buchst. b der Bleiberechtsregelung 2009 ausdrücklich "Dieser Abschnitt enthält besondere Regelungen für in der Berufsausbildung befindliche volljährige Jugendliche.". Dieser eindeutige Anwendungshinweis ist für die niedersächsischen Ausländerbehörden verbindlich (vgl. zur Auslegung von Anordnungen nach § 23 Abs. 1 AufenthG: GK-AufenthG, Stand: Mai 2010, § 23 Rn. 14 m.w.N.). Ob, wie es die Antragstellerin ausführt, die Regelung in Buchst. b der Bleiberechtsregelung 2009 in anderen Bundesländern aufgrund anderer Anwendungshinweise der dort zuständigen obersten Landesbehörden anders gehandhabt wird, ist für Rechtslage in Niedersachsen unmaßgeblich. Denn es gibt kein Gebot bundeseinheitlicher Anwendung oder Auslegung von Anordnungen nach § 23 Abs. 1 AufenthG, die auf im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern gefasste Beschlüsse der Innenminister und -senatoren der Länder zurückgehen (vgl. zu § 32 AuslG: BVerwG, Beschl. v. 14.3.1997 - 1 B 66/97 -, juris Rn. 7; Hessischer VGH, Beschl. v. 5.9.2003 - 9 UZ 826/02 -, juris Rn. 11). Der noch minderjährigen Antragstellerin kann daher von vornherein keine Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage der Regelung in Buchst. b der Bleiberechtsregelung 2009 erteilt werden.

Die Antragstellerin steht auch kein eigenständiges Aufenthaltsrecht aufgrund ihres derzeitigen Besuchs der Berufsbildenden Schule G. - einjährige Berufsfachschule Hauswirtschaft - nach § 16 Abs. 5 Satz 1 AufenthG zu. Nach dieser Bestimmung kann einem Ausländer in Ausnahmefällen eine Aufenthaltserlaubnis zum Schulbesuch erteilt werden. Die hier gegebene bloße bisherige Teilnahme am Schulunterricht begründet einen solchen Ausnahmefall aber noch nicht (vgl. GK-AufenthG, Stand: Mai 2010, § 16 Rn. 34; Nr. 16.5.2.1 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz - AVwV AufenthG - vom 26. Oktober 2009, GMBl. S. 877). Im Übrigen erfüllt die Antragstellerin die hier auch zu beachtende allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht.

Schließlich hat die Antragstellerin keinen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Unterlassung bzw. Rücknahme seines Antrags auf Rückübernahme der Gesamtfamilie gegenüber den kosovarischen Behörden. Ein solcher Unterlassungsanspruch setzt jedenfalls eine Rechtswidrigkeit des zu unterlassenden Verwaltungshandelns voraus (vgl. eingehend Senatsurt. v. 11.3.2010 - 8 LB 9/08 -, juris Rn. 36 f. m.w.N.), woran es hier offensichtlich fehlt. [...]