VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Beschluss vom 30.04.2010 - 9 L 116/10 - asyl.net: M17078
https://www.asyl.net/rsdb/M17078
Leitsatz:

Zweifelhaft ist, ob die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG hinsichtlich der Verlängerungstatbestände des § 104a Abs. 5 und 6 AufenthG eintritt. Insoweit käme nur die Erteilung einer Duldung bzw. einer entsprechenden Verpflichtung der Ausländerbehörde im Wege der einstweiligen Anordnung in Betracht.

Schlagwörter: vorläufiger Rechtsschutz, Altfallregelung, Bleiberecht, Fiktionswirkung, Verlängerungsantrag, Duldung, einstweilige Anordnung, Achtung des Privatlebens, Integration, wirtschaftliche Integration,
Normen: VwGO § 80 Abs. 5, AufenthG § 104a Abs. 5 S. 2, AufenthG § 84 Abs. 1 Nr. 1, AufenthG § 81 Abs. 3, AufenthG § 81 Abs. 4, AufenthG § 104a Abs. 1 S. 1, AufenthG § 23 Abs. 1 S. 1, AufenthG § 104a Abs. 5, AufenthG § 104a Abs. 6, AufenthG § 25 Abs. 5, EMRK Art. 8,
Auszüge:

[...]

Soweit die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage in Bezug auf die in der Ordnungsverfügung des Antragsgegners enthaltene Versagung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis begehrt, kann offen bleiben, ob der Antrag auch im Hinblick auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a Abs. 5 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) statthaft ist. Ein Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist statthaft, wenn die ablehnende Entscheidung der Ausländerbehörde den Verlust einer bereits bestehenden Rechtsposition der Antragstellerin zur Folge hat, indem sie ein Bleiberecht in Form einer aufgrund von § 81 Abs. 3 oder Abs. 4 AufenthG eingetretenen Fiktion beendet. Dies ist vorliegend unzweifelhaft der Fall, soweit der Antrag der Antragstellerin vom 23. November 2009 auf Verlängerung ihrer bis zum 31. Dezember 2009 gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gemäß Ziffer 1. 7 des Erlasses des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17. Dezember 2009 - Az: 15-39.08.01-3 (im Folgenden: Erlass vom 17. Dezember 2009) als Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i.V.m. dem Erlass vom 17. Dezember 2009 zu werten ist. Denn insoweit löste der - rechtzeitig gestellte - Antrag der Antragstellerin die Fiktionswirkung aus, wobei offen bleiben kann, ob der Antrag als auf die erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels zu werten ist und die Fiktion des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zur Folge hat (so Deibel, Die neue Bleiberechtsregelung für Ausländerinnen und Ausländer in Nordrhein-Westfalen, Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter 2010, S. 125, 129 oder ob es sich um einen die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG auslösenden Verlängerungsantrag handelt (so zu Ziffer 1. 7 des Erlasses vom 17. Dezember 2009 die ergänzenden Hinweise im Erlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21. Dezember 2009 - Az: 15-39.08.01-3- (im Folgenden: Erlass vom 21. Dezember 2009) und VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. März 2010 - 24 L 29/10).

Ob die Fiktionswirkung auch eingetreten ist, soweit das Begehren der Antragstellerin sich auf die gesetzlichen Verlängerungstatbestände des § 104 a Abs. 5 und 6 AufenthG stützen sollte, ist zumindest zweifelhaft. Zwar ordnet der Erlass vom 21. Dezember 2009, Hinweis zu Ziffer 1.7, 2. Absatz, letzter Satz ausdrücklich an, dass eine Fiktionsbescheinigung auch auszustellen sei, wenn der Aufenthaltstitel nach Abschluss der Prüfung voraussichtlich nach dem 31. Dezember 2009 auf der Grundlage des § 104 a Abs. 5, 6 AufenthG zu erteilen sei. Dies steht allerdings in Widerspruch zu dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung in § 104 a Abs. 5 Satz 5 AufenthG, die den Eintritt der Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 AufenthG ausdrücklich ausschließt (so auch noch Ziffer I.1.5 des Erlasses des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 30. September 2009 - Az: 15-39.08.01-1/3-09-101).

Insoweit käme für die Dauer eines auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a Abs. 5 Satz 2 AufenthG gerichteten Verfahrens nur die Erteilung einer Duldung bzw. eine entsprechende Verpflichtung der Ausländerbehörde im Wege der einstweiligen Anordnung in Betracht, die ihrerseits voraussetzt, dass der Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis glaubhaft gemacht wird (vgl. hierzu: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 11. August 2008 - 13 ME 128/08 -, juris). [...]