OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 04.02.2010 - 11 LA 516/07 - asyl.net: M17063
https://www.asyl.net/rsdb/M17063
Leitsatz:

Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung, da höchstrichterlich nicht geklärt ist, ob sich das Tatbestandsmerkmal des "Verschuldens" in § 25 Abs. 5 S. 3 AufenthG auf ein aktuelles Fehlverhalten des Ausländers bezieht oder davon auch in der Vergangenheit liegende Handlungen erfasst sind.

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, Berufungszulassung, Unmöglichkeit, Verschulden, Grundsätzliche Bedeutung, Ermessensreduzierung auf Null, Passpflicht, Sicherung des Lebensunterhalts
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5, AufenthG § 10 Abs. 3, VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3, AufenthG § 5 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Die auf die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 AufenthG gerichtete Verpflichtungsklage hat das Verwaltungsgericht abgelehnt. Es hat offen gelassen, ob die Kläger nach dem geltend gemachten Verlust der inzwischen abgelaufenen DDV heute noch ausreisen könnten. Jedenfalls sei eine solche Unmöglichkeit der Ausreise dann i.S.d. § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG verschuldet. Die Kläger hätten weder die im Juli ... bestehende Möglichkeit der Rückkehr nach Saudi-Arabien oder in den Libanon genutzt noch sich rechtzeitig um die Ausstellung von Ersatzpapieren der bis zum Jahr ... noch gültigen DDV bemüht. Zudem hätten sie durch die falschen Angaben im Asylverfahren ihre rechtzeitige Rückführung nach ... verhindert. Wäre ihre Täuschung in vollem Umfang bereits im Asylverfahren bekannt geworden, so wäre ihr Asylantrag zudem nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG mit der aufenthaltsrechtlichen Folge des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG abgelehnt worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich der Zulassungsantrag der Kläger. Ihr Antrag hat Erfolg, soweit sie bezogen auf ihr Hilfsbegehren, über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG neu zu entscheiden, dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beimessen. Insoweit stellt sich nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich die Frage, ob sich das in § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG angeführte Tatbestandsmerkmal des Verschuldens auf ein aktuelles Fehlverhalten des Ausländers bezieht - wie von den Klägern geltend gemacht wird - oder auch eine in der Vergangenheit liegende Handlung des Ausländers ausreicht - wie tragend vom Verwaltungsgericht angenommen worden ist. Die Frage ist höchstrichterlich ungeklärt (vgl. zu § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG: BVerwG, Beschl. v. 10.3.2009 - 1 B 4/09 -, juris, m.w.N.) und lässt sich angesichts des Wortlauts und des Zwecks der Regelung auch nicht im Zulassungsverfahren eindeutig. beantworten (a. A. VGH München, Beschl. v. 13.11.2009 - 19 ZB 09.2530 -, juris). Es lässt sich im Zulassungsverfahren auch nicht feststellen, dass es auf diese Frage im Berufungsverfahren voraussichtlich nicht ankommen wird, etwa weil den Klägern auch heute noch eine Ausreise insbesondere nach Saudi-Arabien oder in den Libanon möglich ist. Dies wird im Berufungsverfahren zu klären sein. § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG steht der Erteilung jedenfalls nicht zwingend entgegen. Dazu hätte der Asylantrag der Kläger ausdrücklich nach § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt werden müssen (vgl. BVerwG, Urt. v 25.8.2009 - 1 C 30/08 -, juris), was hier nicht geschehen ist. Ob das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge insoweit einen klarstellenden oder ergänzenden Bescheid erlassen dürfte (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 18.11.2009 - 13 S 1469/09 -, juris), kann hier offen bleiben.

Der weitergehende, auch auf ihren Hauptantrag bezogene Zulassungsantrag der Kläger hat hingegen keinen Erfolg.

Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG steht beim Vorliegen des umstrittenen Tatbestandsmerkmals der "Unmöglichkeit" der Ausreise die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Ermessen der Ausländerbehörde, das sich unter den Voraussetzungen des Satzes 2 verdichtet. Daneben müssen grundsätzlich auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG gegeben sein. Hiernach bestehen keine ernstlichen Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, dass den Klägern der vorrangig geltend gemachte Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG nicht zusteht.

Soweit man zu ihren Gunsten annimmt, auch bei selbstgeschaffener Unmöglichkeit einer Ausreise könne ein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt werden, so bleibt dieser Grund doch jedenfalls im Rahmen des der Ausländerbehörde dann eröffneten Ermessens zu berücksichtigen und steht der Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null zu Gunsten der Kläger entgegen. Gegen eine solche Ermessensreduzierung könnte weiterhin der vom Verwaltungsgericht angeführte Gesichtspunkt sprechen, dass der Asylantrag der Kläger nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG hätte abgelehnt werden müssen und den Klägern dann nach § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG kein Aufenthaltstitel hätte erteilt werden dürfen. Zusätzlich sind die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nrn. 1 und 4 AufenthG hier nicht gegeben. Wäre es den Klägern heute unmöglich, ihre Passpflicht zu erfüllen, müsste zwar ggf. von der Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG abgesehen werden. Gleiches gilt aber nicht für das Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Bei den von den Klägern zu 1) und 2) vorgetragenen schulischen und beruflichen Qualifikationen ist kein Grund zu erkennen, warum sie den familiären Lebensunterhalt im Bundesgebiet bei angemessenen Bemühungen nicht durch Erwerbstätigkeit sichern könnten. Insoweit liegt auch keiner der weiteren von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 2 oder 3 VwGO vor. [...]