VGH Bayern

Merkliste
Zitieren als:
VGH Bayern, Urteil vom 11.01.2010 - 9 B 08.30223 - asyl.net: M16797
https://www.asyl.net/rsdb/M16797
Leitsatz:

Widerruf der zuerkannten Flüchtlingseigenschaft (Ruanda), da der Kläger nach der Anerkennung die Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 AsylVfG erfüllt hat. Er wurde Präsident der FDLR, die systematisch Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht und dadurch auch den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider handelt.

Anmerkung: Das Urteil wurde durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt (BVerwG vom 31.3.2011 - 10 C 2.10 - M18634)

Schlagwörter: Widerrufsverfahren, Flüchtlingsanerkennung, Ruanda, FDLR, Präsident, Änderung der Sachlage, Änderung der Rechtslage
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1 S. 1, AsylVfG § 3 Abs. 2, AufenthG § 60 Abs. 1, RL 2004/83/EG Art. 14 Abs. 3 Bst. a, RL 2004/83/EG Art. 12 Abs. 2, RL 2004/83/EG Art. 12 Abs. 3, GFK Art. 1 F, AufenthG § 60 Abs. 8 S. 2
Auszüge:

[...]

Maßgeblich für die materiell-rechtliche Beurteilung der Widerrufsentscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Als Rechtsgrundlage ist daher § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (i.d.F. der Bekanntmachung vom 2.9.2008, BGBl I S. 1798, geändert durch Gesetz vom 17.12.2008, BGBl I S. 2586) heranzuziehen (§77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG; BVerwG vom 25.11.2008 NVwZ 2009, 592). Danach sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen.

Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft regelt § 3 Abs. 2 AsylVfG Ausschlusstatbestände. Danach ist ein Ausländer - obwohl er den Bedrohungen nach §60 Abs. 1 AufenthG (i.d.F. der Bekanntmachung vom 25.2.2008, BGBl I S. 162, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.12.2008, BGBl I S. 2846) ausgesetzt ist - nicht Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1. ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,

2. vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder

3. den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider gehandelt hat.

Nach Satz 2 der Vorschrift gilt das auch für Ausländer, die andere zu den oben genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben. Das Bundesamt ist bei der angefochtenen Widerrufsentscheidung davon ausgegangen, dass der Kläger als Präsident der FDLR in diesem Sinne Beteiligter ist und so die in Nr. 1 und Nr. 3 genannten Tatbestände erfüllt hat (damals noch geregelt in § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG vom 30. Juli 2004, BGBl I S. 1950) und dass deshalb die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht mehr vorliegen. Diese Rechtsauffassung wird vom Senat geteilt. [...]

§ 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG verlangt in rechtlicher Hinsicht zunächst, dass die Voraussetzungen der Zuerkennung "nicht mehr" vorliegen, also nachträglich entfallen sind. Im vorliegenden Fall hat eine Änderung der Sachlage stattgefunden (der Kläger wurde unter anderem Mitte 2001 Präsident der FDLR mit maßgeblichem Einfluss auf ihre Handlungen und am 1. November 2005 in die Liste des Sanktionsausschusses des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen aufgenommen), die ihrerseits in ihrer Maßgeblichkeit abhängig ist von einer Änderung der Rechtslage (die oben genannten Tatbestände zur Verschärfung der Zuerkennungsvoraussetzungen gelangten erstmals - damals als § 51 Abs. 3 Satz 2 AusIG - mit Wirkung vom 1.1.2002 durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002, BGBl S. 361, in das deutsche Recht). Anders als in dem der Vorlageentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. November 2008 (NVwZ 2009, 592) zugrunde liegenden handelt es sich im vorliegenden Fall also nicht um eine bloße Änderung der Rechtslage. Der Senat sieht hier deshalb keinen Anlass, an der nach der Systematik des deutschen Asylverfahrensrechts bestehenden Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichts (§ 77 AsylVfG) zu zweifeln. Außerdem wäre selbst bei abweichendem deutschem Recht die Beachtung der genannten neuen Ausschlussgründe aufgrund Art. 14 Abs. 3 Buchst. a, Art. 12 Abs. 2 Buchst. a und c, Abs. 3 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl Nr. L 304 S. 2) geboten (vgl. BVerwG a.a.O.). Dass nach deutscher Gesetzeslage hiervon nicht abgewichen werden sollte, zeigt auch § 73 Abs. 2 a Satz 4 AsylVfG. Diese Vorschrift geht offensichtlich davon aus, dass auch nachträglich - nach Ablauf der Fristen des § 73 Abs. 2 a Satz 1 und Abs. 7 AsylVfG - die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 AsylVfG verwirklicht werden können und damit die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zwingend zu widerrufen ist (so im Ergebnis wohl auch Marx, AsylVfG, 7. Auflage 2009, RdNr. 192 zu § 73).

Von der Frage, wann und welche Ausschlusstatbestände für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entstanden sein müssen, damit im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Voraussetzungen der Zuerkennung "nicht mehr" vorliegen, ist die weitere einen maßgeblichen Zeitpunkt betreffende Frage zu unterscheiden, wann eine Handlung begangen worden sein muss, um einen Ausschlusstatbestand bilden zu können. Zweifel könnten sich hier daraus ergeben, dass die Sachverhalte, die als Ausschlussgründe den Widerruf rechtfertigen sollen, zeitlich nach der Entscheidung über die Zuerkennung liegen. Der Wortlaut des § 3 Abs. 2 AsylVfG scheint nämlich dafür zu sprechen, dass der Ausschluss an die Verwirklichung der Handlungen vor der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft anknüpft. Besonders deutlich wird das an der Formulierung der - den vom Bundesamt hier nicht herangezogenen Terrorismusvorbehalt betreffenden - Nr. 2 der Vorschrift, die eingreift, wenn der Ausländer "vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat". Aber auch die Verwendung des Perfekts in den Nrn. 1 und 3 der Vorschrift "... ein Kriegsverbrechen ... begangen hat"; "den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider gehandelt hat") spricht dafür, dass Handlungen gemeint sind, die vor der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begangen wurden (so Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum AsylVfG, RdNr. 33 zu § 2). Der Wortlaut des Art. 12 Abs. 2 Buchst. a - c der Richtlinie 2004/83/EG und des Art. 1 F Buchst. a - c des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl 1953 II S. 560; nachfolgend Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - genannt), an welche sich die späteren Regelungen anlehnen, unterscheidet sich insoweit nicht maßgeblich.

Der Wortlaut dieser auf die erstmalige Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zugeschnittenen Vorschriften erfordert aber bei ihrer rechtstechnischen Übernahme als Voraussetzungen eines Widerrufs der Zuerkennung ein entsprechend angepasstes Verständnis. Wie bereits erwähnt, geht § 73 Abs. 2 a Satz 4 AsylVfG davon aus, dass die Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 AsylVfG nachträglich verwirklicht werden können. Die Genfer Flüchtlingskonvention steht dem nicht entgegen, da sie die Regelung von Widerrufsgründen nicht erfasst; auch der in Art. 1 F GKF enthaltene Grundgedanke der "Asylunwürdigkeit" spricht für die Möglichkeit einer nachträglichen Erfüllung von Ausschlussgründen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, RdNrn. 50, 51 zu § 73 AsylVfG). Ferner bestimmt Art. 14 Abs. 3 Buchst, a der Richtlinie 2004/83/EG, dass die Mitgliedstaaten die Flüchtlingseigenschaft aberkennen, wenn sie nach deren Zuerkennung feststellen, dass die Person gemäß Art. 12 von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen ist; auch damit soll offenkundig eine Verpflichtung zur Aufhebung von Statusentscheidungen auferlegt werden, die an eine nachträgliche ("ausgeschlossen ist") Begehung der genannten Taten anknüpft (vgl. auch Hailbronner, a.a.O.; Funke-Kaiser, a.a.O., RdNr. 33 a.E.).

Für den Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter gilt nach Auffassung des Senats im Ergebnis nichts anderes. Zwar sind die Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 AsylVfG unmittelbar nur auf die Flüchtlingseigenschaft und nicht auf die Asylberechtigung anwendbar. Wie sich aus § 30 Abs. 4 AsylVfG ergibt, will das Gesetz für beide Statusentscheidungen aber gleiche Rechtsfolgen erreichen (vgl. Hailbronner, a.a.O., RdNr. 6 zu § 3; vgl. auch BVerwG vom 30.3.1999 BVerwGE 109, 1/3). Dem steht auch nicht entgegen, dass das Grundrecht auf Asyl nach Art. 16a GG keinen Regelungsvorbehalt enthält, der den Gesetzgeber ermächtigt, bestimmte Personenkreise vom Schutzbereich generell auszunehmen, weshalb von der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Ausschlussklauseln des Art. 1 F GFK bislang nicht auf das Asylgrundrecht angewandt wurden (vgl. BVerwG vom 14.10.2008 BVerwGE 132,79 RdNrn. 38 und 39 m.w.N.). Das Asylgrundrecht enthält nämlich seinen Schutzbereich begrenzende immanente Schranken, die im vorliegenden Fall wirksam werden. Für die Fallgruppe der Ausländer, die für terroristische Aktivitäten in Deutschland nur einen neuen Kampfplatz suchen - insoweit käme die Heranziehung des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG, des Art. 12 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG und des Art. 1 F Buchst. b GKG in Betracht - ist das bereits geklärt (vgl. BVerfG vom 20.12.1989 BVerwfGE 81, 142/152), und zwar auch für den Unterfall, dass diese Aktivitäten erstmals von Deutschland aus aufgenommen wurden (vgl. BVerfG vom 26.10.2000 - DVBl 2001, 66; BVerwG vom 30.3.1999 BVerwGE 109, 12/18 m.w.N.). Die dem zugrunde liegende Erwägung, dass die Grenze der Asylverheißung dort gezogen ist, wo der Asylsuchende seine politische Überzeugung unter Einsatz terroristischer Mittel betätigt, weil eine solche Art des politischen Kampfes von der Bundesrepublik Deutschland in Übereinstimmung mit der von ihr mitgetragenen Völkerrechtsordnung missbilligt wird (vgl. BVerfG vom 20.12.1989 a.a.O.; vom 26.10.2000 a.a.O.), gilt nach Ansicht des Senats für Personen, die sich von Deutschland aus am Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Fallgruppe des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG, des Art. 12 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG und des Art. 1 F Buchst. a GKF) oder an Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen (Fallgruppe des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG, Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG und des Art. 1 F Buchst. c GKF) beteiligen, gleichermaßen. Im Ergebnis entspricht dies auch der für die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft durch Art. 14 Abs. 3 Buchst. a, Art. 12 Abs. 2 Buchst. a und c von der Richtlinie 2004/83/EG zwingend vorgegebenen Regelung, die trotz der dort in Art. 3 vorgesehenen Öffnungsklausel für günstigere Normen nach Auffassung des Senats wegen ihres zwingenden Charakters nicht durch ein abweichendes nationales Institut der Flüchtlingsanerkennung unterlaufen werden darf (vgl. hierzu das noch offene Vorabentscheidungsverfahren, BVerwG vom 14.10.2008 a.a.O., Frage 5 und RdNrn. 41 und 42).

Der Kläger hat die Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 3 AsylVfG zumindest als "in sonstiger Weise" Beteiligter nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG verwirklicht. Er ist Präsident der FDLR und allein dadurch als maßgeblicher Unterstützer für ihre Aktivitäten mitverantwortlich. Sein maßgeblicher Einfluss auf die Organisation und die grundsätzliche Billigung ihrer Kampfeinsätze wurde von ihm selbst nie in Abrede gestellt (vgl. auch das Interview mit dem Kläger am 10.8.2009: "I am the supreme Commander", Human Rights Watch vom Dezember 2009, You Will Be Punished, S. 78). Bestätigt wird das durch Aussagen ehemaliger FDLR-Kämpfer im Reintegrationslager Mutobo/Ruanda und des Mitarbeiters der UN-Mission im Kongo (Monuc) ... (vgl. Simone Schlindtwein, Die Tageszeitung online, vom 9.10.2009). Auch der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof kommt, gestützt auf Zeugenaussagen und Telekommunikationsüberwachung, zu dem Ergebnis, dass dem Kläger innerhalb der FDLR unumschränkte Befehls- und Verfügungsgewalt zukommt (Haftbefehl vom 16.11.2009 S. 22 ff.).

Damit können die Ausschlussgründe, die von der Organisation als solcher verwirklicht wurden und nach ihrer Struktur von ihr verantwortet werden müssen, auch dem Kläger persönlich zugerechnet werden. Der Begriff der Beteiligung "in sonstiger Weise" geht über den Personenkreis der Täter und Teilnehmer im Sinn des - deutschen - Strafrechts hinaus und erfasst auch andere Unterstützungsformen innerhalb einer Organisation (vgl. BayVGH vom 21.10.2008 Az. 11 B 06.30084 unter Hinweis auf BVerwG vom 14.10.2008 a.a.O. RdNr. 21; vgl. auch Funke-Kaiser, a.a.O., RdNrn. 67, 54 f. zu § 2). Der Kläger kann sich der aus seiner organisatorischen Funktion erwachsenen Verantwortung für die Taten der FDLR auch nicht dadurch entziehen, dass er die positive Kenntnis von solchen Taten abstreitet, ihr Verbotensein durch interne Satzungsbestimmungen behauptet und auf eigene Presseerklärungen verweist, mit denen im Ostkongo verübte Kriegsverbrechen grundsätzlich kritisiert werden. Bestehen im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 schwerwiegende Gründe zur Rechtfertigung der Annahme dass durch die von ihm geleitete Organisation die Ausschlussgründe für Flüchtlingsschutz und Asylrecht erfüllt werden, so erstreckt sich diese Rechtsfolge auch auf ihn persönlich. Im Übrigen wurden vom Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof sogar ausreichende Indizien für die subjektiven Elemente einer strafrechtlichen Täterschaft bejaht (vgl. Haftbefehl S. 26 ff.).

Es ist aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt, dass Aktionen der FDLR Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 AsylVfG erfüllen. Das Gesetz verlangt hier - in Umsetzung von Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG und Art. 1 F GFK keinen strikten Nachweis (vgl. BayVGH vom 21.10.2008 a.a.O.; Funke-Kaiser, a.a.O., RdNrn. 63 und 47 zu § 2; Hailbronner, a.a.O., RdNr. 8 zu § 3 AsylVfG). Es genügt, wenn klare und glaubhafte Indizien vorliegen, die einen konkreten Verdacht begründen (Hailbronner, a.a.O., m.w.N.). Der Senat hat trotzdem versucht, möglichst unmittelbare Zeugnisse zu gewinnen, um der Unsicherheit über den Wahrheitsgehalt der vorhandenen Berichte zu begegnen. [...]

Im Verlauf des Berufungsverfahrens haben sich allerdings die indirekten Hinweise auf eine Verstrickung der FDLR in verbrecherische Aktionen weiter verdichtet. Die konkrete Zuordnung eines von einer bewaffneten Gruppierung verübten Massakers in den Verantwortungsbereich der FDLR mag zwar in jedem Fall mit einem Rest Unklarheit behaftet sein, aber dass auch die FDLR - und zwar in erheblichem Umfang und systembedingt - die Greueltaten ausführt, mit denen der Ostkongo seit Jahren überzogen wird, steht zur Überzeugung des Senats fest. [...]

Der Senat ist davon überzeugt, dass die FDLR systematisch Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG), begangen haben. Als Vertragswerk kommt dabei insbesondere das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 (BGBl 2000 II S. 1394; nachfolgend: Römisches Statut) in Betracht (vgl. Hailbronner, a.a.O., RdNr. 9 zu § 3 AsylVfG; Funke-Kaiser, a.a.O., RdNr. 61 zu § 2), dessen Art. 7 und 8 unter anderem Übergriffe auf die Zivilbevölkerung wie Morde, Vergewaltigungen, Vertreibungen, Plünderungen, Brandstiftungen, Entführungen und Zwangsrekrutierungen von Kindersoldaten erfassen. [...]

Der Ausschlusstatbestand von Zuwiderhandlungen gegen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 AsylVfG) ist ebenfalls erfüllt. Allerdings teilt der Senat insoweit die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es nicht ausreicht, dass der Kläger vom zuständigen Sanktionsausschuss in eine Liste von Personen aufgenommen wurde, die gemäß der auf der Grundlage von Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen erlassenen Resolution 1596 (2005) vom 18. April 2005 unter anderem restriktive Maßnahmen finanzieller Art gegen Personen vorsieht, die gegen das gemäß den Resolutionen 1493 (2003) und 1596 (2005) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen verhängte Waffenembargo betreffend die Demokratische Republik Kongo verstoßen, und dass das damit begründet wurde, dass er als Präsident der FDLR Einfluss auf deren Politik ausübt und Kontrolle über die Streitkräfte der FDLR innehat, eine der bewaffneten Gruppen und Milizen, auf die in Absatz 20 der Resolution 1493 (2003) Bezug genommen wird und die in Verletzung des Waffenembargos am Handel von Waffen teilnehmen (vgl. auch die Verordnung (EG) Nr. 1183/2005 des Rates über die Anwendung spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen Personen, die gegen das Waffenembargo betreffend die Demokratische Republik Kongo verstoßen, vom 18.7.2005, ABl L 1193, S. 1). Die Aufnahme in diese Liste kann nämlich schon wegen ihrer grundsätzlichen Nichtjustiziabilität kein maßgebliches Kriterium für die Annahme einer Zuwiderhandlung gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen sein (vgl. EuGH vom 3.9.2008 Az. C-402/05). Die Anfrage des Verwaltungsgerichtshofs an den Sanktionsausschuss, ob der Aufnahme des Klägers in die Liste sichere Erkenntnisse darüber zugrunde liegen, dass die FDLR Kriegsverbrechen gegen die Menschlichkeit und/oder Zuwiderhandlungen gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen zu verantworten haben, und ob hierzu konkrete Vorfälle und Quellen angegeben werden können, blieb in der Sache unbeantwortet.

Die Zuwiderhandlung gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen ergibt sich aber aus den oben angeführten systematischen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Friedenssicherung und Achtung vor den Menschenrechten gehören zu den wesentlichen Zielen der Vereinten Nationen (vgl. Art. 1 Nrn. 1 und 3 der Charta der Vereinten Nationen vom 26.6.1945, BGBl 1973 II S. 430; s. auch die Formulierung des Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG). Trotz der Unscharfe der Tatbestandsmerkmale dieses Ausschlussgrundes ist er bei solchen Verbrechen wohl stets erfüllt (vgl. Funke-Kaiser, a.a.O., RdNr. 71 zu § 2). Der Senat hat im vorliegenden Fall auch keine Bedenken, trotz der grundsätzlichen Staatsgerichtetheit der Charta der Vereinten Nationen diesen Ausschlussgrund auf den Kläger anzuwenden (vgl. Funke-Kaiser, a.a.O.; Hailbronner, a.a.O., RdNr. 27 f.; s. auch BVerwG vom 14.10.2008 a.a.O. RdNr. 24). Bei den FDLR handelt es sich um eine Gruppierung, die mit Waffengewalt ein Territorium besetzt, um staatliche Macht zu erringen. Der Kläger hat darin eine maßgebliche Führungsposition inne. Die FDLR gehört damit zu den staatsähnlichen Gebilden und der Kläger persönlich zu den Trägern von Machtpositionen, die in der Lage sind, Zuwiderhandlungen gegen Ziele der Vereinten Nationen zu begehen (vgl. Hailbronner, a.a.O.; Funke-Kaiser, a.a.O., RdNrn. 71 und 72). [...]