OLG Dresden

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Zitieren als:
OLG Dresden, Beschluss vom 25.04.2008 - 3 W 0363/08 - asyl.net: M16659
https://www.asyl.net/rsdb/M16659
Leitsatz:

Grundsätzlich ist es mit dem Beschleunigungsgebot nicht vereinbar, wenn Haftvorgänge mehrere Tage unbearbeitet liegen bleiben oder wenn Anfragen, die telefonisch oder per Fax erfolgen können, auf dem sonst üblichen Postweg erledigt werden. Es ist zu erwarten, dass die Ausländerbehörde die Gründe für ihre Vorgehensweise wenigstens in den Akten dokumentiert, da nur so effektiver Grundrechtsschutz in Form späterer gerichtlicher Überprüfung gewährleistet werden kann.

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Sicherungshaft, Beschleunigungsgebot, Verhältnismäßigkeit, Sachaufklärungspflicht, Amtsermittlung,
Normen: AufenthG § 62 Abs. 2 Nr. 5, AufenthG § 62 Abs. 2 Nr. 2, GG Art. 2 Abs. 2 S. 2, GG Art. 104, EMRK Art. 5 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Jedoch ist es im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht zulässig, ohne weitere Prüfung und Begründung Sicherungshaft für drei Monate anzuordnen. Der Senat hat bereits im Beschluss vom 03.03.2008 (3 W 19/08, unveröffentlicht) auf Folgendes hingewiesen: Im Hinblick auf das besondere Gewicht der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2, Art. 104 GG, Art. 5 Abs. 1 EMRK) ist die Einschränkung der persönlichen Freiheit aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Dies bedeutet, dass die Ausländerbehörde die Abschiebung mit der notwendigen größtmöglichen zumutbaren Beschleunigung, also ohne unnötige Verzögerung betreiben muss. Darüber hinaus ist die Anordnung auf den Zeitraum zu beschränken, der nach den vorliegenden Erfahrungen bei größtmöglicher Beschleunigung unbedingt erforderlich ist, um die Abschiebung vorzubereiten und durchzuführen (vgl. BayOLGZ 1998, 130; OLG Köln vom 24.10.2001 - 16 Wx 325/01 -, zitiert nach Melchior, abschiebungshaft.de; Hailbronner, AuslR, 2006, § 62 AufenthG Rn. 86). Denn nur hierdurch werden missverständliche Signale an die Ausländerbehörden vermieden. Außerdem würde sich das Gericht der allein ihm obliegenden Kontrolle der Einhaltung des verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebots begeben, wenn der Ausländerbehörde von vornherein Haftzeiten zugestanden würden, die über das unbedingt erforderliche Maß hinausgehen (vgl. Melchior, Internetkommentar zu "Haftdauer").

Die insoweit erforderlichen Feststellungen hat das Landgericht nicht getroffen. Dies kann auch vom Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht nachgeholt werden. Zum anderen ist aufzuklären, welche Zeit die Zentrale Ausländerbehörde am 25.02.2008 voraussichtlich benötigen würde, um unter Beachtung aller Möglichkeiten der Beschleunigung den Betroffenen abzuschieben. Länger als bis zum danach sich erbenden Zeitpunkt darf die Haft nicht angeordnet werden. Insoweit darf der Zeitraum, den die Staatsanwaltschaft, die ihrerseits das Beschleunigungsgebot zu beachten hat, für ihre Entscheidung benötigt, nur mit der Länge angesetzt werden, die bei Benutzung der gängigen Mittel zur Beschleunigung, insbesondere dem Einsatz von Telefon und Fax tatsächlich erforderlich ist. Grundsätzlich ist mit dem Beschleunigungsgebot nicht vereinbar, wenn Haftvorgänge mehrere Tage unbearbeitet liegen bleiben oder wenn Anfragen, die telefonisch oder per Fax erfolgen können, auf dem sonst üblichen Postweg erledigt werden (vgl. Melchior a.a.O.). Notfalls müssen Aktendoppel angelegt werden (OLG Celle InfAuslR 2001, 448).

Insoweit werden auch, worauf der Senat im Beschluss vom 09.04.2008 (3 W 138/08, unveröffentlicht) hingewiesen hat, die Akten der Zweitbeteiligten beizuziehen sein (vgl. BVerfGE vom 10.12.2007, 2 BvR 1033/06, zitiert nach juris). Vollständige eigene Feststellungen (§ 12 FGG) kann das Gericht ohne diese nicht ziehen. Vielmehr ist zu erwarten, dass die Ausländerbehörde die Gründe für ihre Vorgehensweise wenigstens in den Akten dokumentiert, da nur so effektiver Grundrechtsschutz in Form späterer gerichtlicher Überprüfung gewährleistet werden kann (vgl. BVerfG vom 19.01.2007, 2 BvR 1206/04; BVerfGE 103, 142). [...]