OVG Bremen

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Zitieren als:
OVG Bremen, Beschluss vom 02.02.2010 - 1 B 366/09 [= ASYLMAGAZIN 2010, S. 135 ff.] - asyl.net: M16608
https://www.asyl.net/rsdb/M16608
Leitsatz:

Zur ordnungsgemäßen Beschäftigung eines türkischen Arbeitnehmers trotz Wegfalls der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug.

Schlagwörter: Aufenthaltsrecht, Assoziationsratsbeschluss EWG/Türkei, Türkei, ordnungsgemäße Beschäftigung, nachträgliche Befristung, vorläufiger Rechtsschutz
Normen: ARB 1/80 Art. 6 Abs. 1, AufenthG § 4 Abs. 5, AufenthG § 7 Abs. 2, AufenthG § 28 Abs. 1, AufenthG § 84 Abs. 1, AufenthG § 48 Abs. 1, AufenthG § 48 Abs. 3, AufenthG § 80 Abs. 3, AufenthG § 80 Abs. 5
Auszüge:

1. Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Ablehnung der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ist auch dann durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren, wenn die Ausländerbehörde zu Unrecht ein Aufenthaltsrecht des Ausländers nach dem ARB 1/80 verneint hat und der Ausländer keines konstitutiven Aufenthaltstitels bedarf.

2. Die Beschäftigung eines türkischen Arbeitnehmers, dem eine mehrjährige Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit einem deutschen Ehegatten erteilt worden war, ist auch dann ordnungsgemäß im Sinne von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft vor dem Beginn der Beschäftigung beendet war; die gesicherte Position des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt entfällt nicht dadurch, dass der Arbeitnehmer es unterlässt, die Ausländerbehörde über die Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu unterrichten.

3. Unterlässt es die Behörde, die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts zu begründen, ist nicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben, sondern die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels wiederherzustellen (Bestätigung der stRspr des OVG Bremen).

4. Die Aufenthaltserlaubnis eines Ausländers, die zum Zweck der Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft mit einem Deutschen erteilt worden war, kann, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft später beendet wird, nicht mit der Begründung zurückgenommen werden, der Ausländer habe die Ausländerbehörde dadurch getäuscht, dass er ihr die Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mitgeteilt habe; eine nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis ist auch in diesem Fall nicht rückwirkend, sondern nur vom Zeitpunkt der Bekanntgabe an möglich (vgl. Ziff. 7.2.2.4 AllgVwV-AufenthG). Dem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG zu erteilen, wenn er bis zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erworben hat.

(Amtliche Leitsätze)

[...]

Die Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat das Begehren des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu Unrecht abgelehnt. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die angefochtene Verfügung ist schon deshalb anzuordnen bzw. wiederherzustellen, weil dem Antragsteller ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 zusteht und ihm deshalb eine Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG auszustellen ist (I.). Unabhängig davon ist die Rücknahme der bisher erteilten Aufenthaltserlaubnisse auch aus Gründen des nationalen Rechts offensichtlich rechtswidrig (II.) Auch die Abschiebungsandrohung kann deshalb keinen Bestand haben (III.).

I. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist anzuordnen, soweit dieser sich gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis richtet.

1. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes richtet sich auch insoweit nach § 80 Abs. 5 VwGO. Zwar hat die Aufenthaltserlaubnis in den Fällen, in denen dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 zusteht, nur deklaratorischen Charakter. Beantragt ein solcher Ausländer die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis, gilt sein Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt; er ist vielmehr erlaubt. Es ist deshalb fraglich, ob die Vorschrift des § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, nach der Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels keine aufschiebende Wirkung haben, insoweit Anwendung findet (vgl. einerseits OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 10.04.2008 - 18 B 291/08 -, InfAuslR 2008, 290ff.; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand März 2008, Rn 14 zu § 84; Brinktrine, ZAR 2008, 316; Hailbronner, AuslR, Stand August 2006, Rn 21n zu § 84 AuslG; andererseits OVG Hamburg, Beschl. v. 09.05.2007 - 4 Bs 241/06 -, NVwZ-RR 2008, 60; Hofmann, in: HK-AuslR, 2008, Rn 3 zu § 84; Oberhäuser, ebda., Rn 50 zu Art. 6 ARB 1/80). Hier ist aber gerade streitig, ob dem Antragsteller überhaupt jemals ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 zugestanden hat. Die Antragsgegnerin hat ein solches Recht verneint und die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach nationalem Recht versagt. Als Folge dessen soll der Antragsteller sich auch nicht mehr vorläufig weiter im Bundesgebiet aufhalten dürfen, wenn er Widerspruch gegen diese Entscheidung einlegt. Damit diese Folge nicht eintritt, bedarf es eines Verfahrens § 80 Abs. 5 VwGO.

2. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ist anzuordnen, weil – jedenfalls bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung – offensichtlich ist, dass der Antragsteller ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 hat und die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis daher rechtswidrig ist. Unter diesen Umständen überwiegt das private Interesse des Antragstellers am vorläufigen Verbleib in Deutschland das öffentliche Interesse an der sofortigen Beendigung seines Aufenthalts.

3. Das Aufenthaltsrecht des Antragstellers beruht auf Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80.

Nach dieser Vorschrift hat ein türkischer Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs impliziert dies auch ein entsprechendes Aufenthaltsrecht, da der Anspruch auf die Arbeitserlaubnis andernfalls wirkungslos wäre (grundlegend Urt. v. 20.09.1990 - C-192/89 - Sevince, Slg. I-3461 = NVwZ 1991, 255, Rn 29). Dieses Recht besteht unabhängig davon, aus welchen Gründen dem Arbeitnehmer die Einreise und der Aufenthalt erlaubt worden sind (EuGH, Urt. v. 16.12.1992 - C-237/91 - Kus, Slg. I-6781 = NVwZ 1993, 258, Rn 21ff.; Urt. v. 05.10.1994 - C-355/93 - Eroglu, Slg. I-05113 = NVwZ 1995, 53, Rn 22; Urt. v. 30.09.1997 – C-36/96 - Günaydin –, Slg. I-5143 = NVwZ 1999, 283, Rn 52; Urt. v. 24.01.2008 - C-294/06 - Payir - Slg. I-203 = NVwZ 2008, 404, Rn 40, 43; BVerwG, Urt. v. 23.05.1995 - 1 C 3.94 - BVerwGE 98, 298 310>). Voraussetzung ist allein das Vorliegen einer "ordnungsgemäßen Beschäftigung" im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Diese setzt, wie der Europäische Gerichtshof mehrfach entschieden hat (Urt. v. 20.09.1990 - C-192/89 - Sevince -, a.a.O., Rn 30ff.; Urt. v. 16.12.1992 - C-237/91 - Kus -, a.a.O., Rn 12ff.; Urt. v. 06.06.1995 - C-434/93 - Bozkurt -, Slg. I-1475 = NVwZ 1995, 1093, Rn 26; Urt. v. 30.09.1997 - C-36/96 – Günaydin -, a.a.O., Rn 41ff.), eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt voraus.

4. Eine solche Position hatte der Antragsteller inne, als er vom 01.04.2007 an für ein Jahr bei demselben Arbeitgeber als Arbeitnehmer tätig war. Er verfügte nämlich für diesen Zeitraum über eine uneingeschränkte Aufenthaltserlaubnis. Darauf, dass ihm diese Aufenthaltserlaubnis zur Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Staatsangehörigen erteilt worden war, kommt es nicht an.

Allein die Tatsache, dass die eheliche Lebensgemeinschaft schon zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme nicht mehr bestand, hat die Position, die dem Antragsteller durch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vermittelt wurde, nicht beseitigt. Die Wirksamkeit der Aufenthaltserlaubnis war nämlich nicht davon abhängig, dass die ehelichen Lebensgemeinschaft weiter bestand. Zwar war die Erlaubnis wegen der ehelichen Lebensgemeinschaft erteilt worden. Bei Wegfall dieser Voraussetzung stand es aber im Ermessen der Ausländerbehörde, ob sie die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis unverändert ließ oder ob sie die Erlaubnis nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nachträglich verkürzte (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.06.2009 - 1 C 11.08 -, NVwZ 2009, 1432, Rn 12). Innerhalb des Zeitraums, der für den Erwerb eines Aufenthaltsrechts nach Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 maßgeblich ist (01.04.2007 bis 01.04.2008), hat sie die Geltungsdauer nicht verkürzt. Eine rückwirkende Erstreckung der nachträglichen Befristung auf die Vergangenheit ist nicht möglich (vgl. Renner, AuslR, 8. Aufl. 2005, Rn 29 zu § 7 AufenthG; Wenger, in: Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Harms, Kommentar zu Zuwanderungsrecht, 2. Aufl. 2008, Rn 5 zu § 7 AufenthG; Müller, in: HK-AuslR, 2008, Rn 12 zu § 7 AufenthG; ebenso Ziff. 7.2.2.4 AllgVwV-AufenthG).

5. Auf eine gesicherte Position kann sich der Arbeitnehmer allerdings nicht berufen, wenn er die Aufenthaltserlaubnis nur aufgrund unrichtiger Angaben erhalten hat (EuGH, Urt. v. 05.06.1997 - C-285/95 - Kol -, Slg. I-3069 = NVwZ 1998, 50, Rn 25ff.; Urt. v. 30.09.1997 - C-36/96 - Günaydin –, a.a.O., Rn 60; Urt. v. 24.01.2008 - C-294/06 - Payir –, a.a.O., Rn 40; Urt. v. 18.12.2008 - C-337/07 - Altun -, NVwZ 2009, 235, Rn 55). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 12.04.2005 - 1 C 9.04 -, BVerwGE 123, 190 199ff.> = NVwZ 2005, 1329 1330f.>) gilt das unabhängig davon, ob die Täuschung durch unrichtige Angaben zu einer Bestrafung oder zu einer Rücknahme der erteilten Aufenthaltserlaubnis geführt hat.

Der Antragsteller hat die Aufenthaltserlaubnis vom 06.06.2005 aber nicht aufgrund unrichtiger Angaben erlangt, sondern aufgrund der zum Zeitpunkt der Antragstellung und Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zutreffenden Angaben über die eheliche Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Staatsangehörigen. Auch innerhalb des ersten Jahres seiner Beschäftigung hat er die Ausländerbehörde der Antragsgegnerin nicht dadurch getäuscht, dass er einen unrichtigen Sachverhalt behauptet hätte. Er hat es lediglich unterlassen, die Ausländerbehörde von sich aus darüber zu unterrichten, dass die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr bestand. Ein solches Unterlassen kann einer Täuschung durch unrichtige Angaben nicht ohne weiteres gleichgestellt werden.

Das Erwirken einer Rechtsposition durch unlautere Mittel ist anders zu bewerten als die unterbliebene Mitteilung darüber, dass eine neue Sachlage eingetreten ist, die die Voraussetzungen für die erlangte Rechtsposition nachträglich entfallen lässt. Das gilt unabhängig davon, ob der Ausländer verpflichtet war, das Ende der ehelichen Lebensgemeinschaft mitzuteilen. Auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob dem - nach dem Vermerk des Sachbearbeiters sprachunkundigen - Antragsteller die von ihm unterschriebene Verpflichtung übersetzt oder ohne hinreichende Erläuterung "untergeschoben" worden ist, kommt es deshalb nicht an. Auch die Frage, ob die Antragsgegnerin überhaupt befugt war, dem Antragsteller eine solche Verpflichtung abzuverlangen, kann offen bleiben; eine gesetzliche Grundlage dafür hat die Antragsgegnerin jedenfalls nicht benannt.

Der Unterschied zwischen einem durch Täuschung erlangten Aufenthaltstitel und einem Aufenthaltstitel, dessen materielle Voraussetzungen nachträglich fortgefallen sind, wird auch dadurch deutlich, dass im ersten Fall eine gesicherte Rechtsposition im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 von Anfang an nicht entstanden ist (vgl. EuGH, Urt. v. 05.06.1997 - C-285/95 - Kol, a.a.O., Rn 28; Urt. v. 30.09.1997 - C-36/96 - Günaydin, a.a.O., Rn 45; Urt. v. 18.12.2008 - C-337/07 -, Altun, a.a.O., Rn 55). Während sie im zweiten Fall lediglich dann wegfällt, wenn die Ausländerbehörde von ihrem Ermessen nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG Gebrauch macht, die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis nachträglich zu verkürzen. Da eine solche Befristung - wie ausgeführt - schon nach nationalem Recht nicht rückwirkend möglich ist, kann sich der türkische Arbeitnehmer frühestens vom Zeitpunkt der Bekanntgabe der Befristungsentscheidung an in einer nicht mehr gesicherten, sondern nur noch vorläufigen Position befinden, während der eine Verfestigung seines Aufenthalts entsprechend Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht mehr eintritt.

6. Die gesicherte Position des Antragstellers ist auch nicht dadurch entfallen, dass die Antragsgegnerin die Aufenthaltserlaubnis nachträglich mit Wirkung vom 20.09.2006 zurückgenommen hat. Eine solche Rücknahme lässt das Unionsrecht - abgesehen von den Fällen der arglistigen Täuschung - nicht zu. Erfüllt ein türkischer Staatsangehöriger, der - aus welchen Gründen auch immer - rechtmäßig in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union eingereist ist, objektiv die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 Art. 1/80, sind die Behörden des Mitgliedstaates nicht befugt, diese Rechte Bedingungen zu unterwerfen oder ihre Ausübung einzuschränken, weil dies die praktische Wirksamkeit des ARB 1/80 einschränken würde (EuGH, stRspr seit Urt. v. 20.09.1990 - C-192/89 - Sevince –, a.a.O., Rn 22.; Urt. v. 16.12.1992 - C-237/91 - Kus -, a.a.O., Rn 31; zuletzt Urt. v. 30.09.1997 - C-36/96 - Günaydin, a.a.O., Rn 37ff, 50; Urt. v. 24.01.2008 - C-294/06 - Payir -, a.a.O., Rn 43 m.w.Nwn.). Sie können sich insbesondere nicht auf den Wegfall der Gründe berufen, aus denen dem türkischen Staatsangehörigen die Einreise und der Aufenthalt erlaubt worden ist (EuGH, Urt. v. 30.09.1997 - C-36/96 - Günaydin, a.a.O., Rn 51; Urt. v. 24.01.2008 - C-294/06 - Payir -, a.a.O., Rn 44). Die praktische Wirksamkeit des Assoziationsratsbeschlusses würde erst recht beeinträchtigt, wenn die Behörden des Mitgliedstaates befugt wären, den Verlust eines entstandenen Aufenthaltsrechts sogar mit Wirkung für die Vergangenheit herbeizuführen. [...]

II.

[...] Insoweit ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs - unabhängig von der Frage des Bestehens eines Aufenthaltsrechts nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 - schon deshalb wiederherzustellen, weil das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts entgegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht schriftlich begründet worden ist.

Den Ausführungen zur Anordnung der sofortigen Vollziehung in der angefochtenen Verfügung lassen sich keine Gesichtspunkte entnehmen, die auf ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis hindeuten können. Sie beziehen sich allein auf die Gründe, die den Gesetzgeber zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis veranlasst haben, und auf die Gründe, die die Behörde bewogen haben, die sofortige Vollziehung der Androhung der Abschiebung als der zwangsweisen Durchführung der Ausreisepflicht anzuordnen. Sie lassen sich auch nicht so verstehen, dass sie sinngemäß auch für die sofortige Vollziehung der Rücknahme gelten könnten.

Das Fehlen der nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gebotenen Begründung einer Begründung führt zur Rechtswidrigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts (vgl. Beschl. v. 28.02.1968 - II B 6/68 -, NJW 1968, 1539; Beschl. v. 01.11.1979 - I B 41/79 -, DöV 1980,180; Beschl. v. 14.03.1980 - 1 B 6/80 -, DöV 1980, 572) ist in diesen Fällen gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Daran ist festzuhalten. Eine bloße Aufhebung der sofortigen Vollziehung mit der Folge, dass die Behörde ohne weiteres erneut die sofortige Vollziehung anordnen könnte, ohne dass es eines Abänderungsverfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO bedürfte, sieht das Gesetz nicht vor. [...]