LG Frankfurt/Oder

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Zitieren als:
LG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 28.10.2009 - 15 T 121/09 - asyl.net: M16578
https://www.asyl.net/rsdb/M16578
Leitsatz:

Zur Verhältnismäßigkeit von Zurückschiebungshaft einer Minderjährigen. Die Bindung der Betroffenen zu ihrer Mutter ließ es als ausgeschlossen erscheinen, dass sie sich während der Fortdauer deren Haft dem Zugriff der Behörden entziehen würde. Daran ändern auch rechtliche Schwierigkeiten der Unterbringung in einer Jugendeinrichtung nichts.

Schlagwörter: Zurückschiebungshaft, Polen, minderjährig, Verhältnismäßigkeit,
Normen: GG Art. 19 Abs. 4,
Auszüge:

[...]

Die Inhaftierung der erst 16 Jahre alten Betroffenen ist zu Unrecht erfolgt. Ein Minderjähriger kann zur Sicherung seiner Abschiebung nur dann in Haft genommen werden, wenn das Verfassungsgebot der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Dies setzt voraus, dass anderweitige geeignete Sicherungsmaßnahmen, etwa die Unterbringung in einer Jugendeinrichtung, Meldeauflagen oder die räumliche Beschränkung des Aufenthaltsortes nicht zur Verfügung stehen. Dies hat die Behörde vor Stellung des Haftantrages zu prüfen und in ihrem Antrag ausführlich darzulegen, warum solche Mittel nicht zur Verfügung stehen oder ungeeignet sind; fehlt es hieran, so ist davon auszugehen, dass die Verwaltung die erforderliche Prüfung unterlassen hat und dass daher die Haftvoraussetzungen derzeit nicht vorliegen (OLG Köln NVwZ 2003, Beilage Nr. 1, 64; OLG Braunschweig, InfAuslR 2004, 119; OLG München InfAuslR 2005, 264; OLG Frankfurt Beschl. v. 15.5.2006, 20 W 124/06; zit. n. Juris). Dies hat die Antragstellerin nicht getan. Die im Laufe des Verfahrens erkennbar gewordene starke Bindung der Betroffenen an ihre Mutter ließ es vielmehr als ausgeschlossen erscheinen, dass sie sich während der Fortdauer deren Haft dem Zugriff der Behörden entziehen würde.

Daran ändert es auch nichts, dass die Betroffene und ihre Mutter auf einer Fortdauer des Aufenthalts der Betroffenen in der Hafteinrichtung bestanden haben. Denn das Ziel ihrer Willensbetätigung war nicht primär auf dessen Fortdauer gerichtet. Sie beabsichtigten vielmehr lediglich, eine Trennung voneinander zu verhindern. Auch wenn rechtliche Schwierigkeiten bestanden haben, die Betroffene in einer Jugendeinrichtung unterzubringen da die erziehungsberechtigte Mutter solches verweigerte - oder ihr einen freiwilligen Aufenthalt im Haftbereich zu ermöglichen, rechtfertigt dies keinesfalls den Erlass einer Haftanordnung. Wenn nun vorgetragen wird, dass die Haft "auf Wunsch" jederzeit beendet worden wäre, unterliegt dieses Vorgehen schwersten rechtlichen Bedenken, Auf diese Weise mag ein tatsächlicher und freiwilliger Aufenthalt im Haftbereich gehandhabt werden. Beantragung oder Erlass eines die Freiheitsentziehung des Betroffenen anordnenden Beschlusses dürfen auf diese Weise nicht erfolgen. [...]