VG Braunschweig

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VG Braunschweig, Urteil vom 21.10.2009 - 5 A 27/08 - asyl.net: M16264
https://www.asyl.net/rsdb/M16264
Leitsatz:

1. Ein Unterstützen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. setzt voraus, dass die Förderung der verfassungsfeindlichen Bestrebung dem Einbürgerungsbewerber subjektiv zurechenbar ist. Ein Unterstützen liegt deswegen nicht vor, wenn der Einbürgerungsbewerber die verfassungsfeindliche Bestrebung nicht fördern wollte und er nicht erkannt hat, dass sein Handeln die verfassungsfeindliche Bestrebung fördert. Hier: Einzelfall eines Anspruchs auf Einbügerung trotz früherer Mitgliedschaft im Vorstand eines kurdischen Kulturvereins, der möglicherweise Bezüge zur PKK aufweist.

2. Der einen Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG a.F. hindernde Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. reicht für die Annahme erheblicher Belange i. S. d. § 9 Abs. 1 StAG a. F. für sich allein nicht aus. Erhebliche Belange stehen einer Einbürgerung i.S.d. § 9 Abs. 1 StAG a.F. nur dann entgegen, wenn eine Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die Bedenken gegen die Einbürgerung gegenüber dem gesetzlich anerkannten Interesse an einer einheitlichen Staatsangehörigkeit in Ehe und Familie deutlich überwiegen.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Einbürgerung, Staatsangehörigkeitsrecht, Unterstützen, Verfassungsfeindliche Bestrebungen, PKK, Ausschlussgrund
Normen: StAG § 11 S. 1 Nr. 2, StAG § 10, StAG § 9 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Der Anspruch der Klägerin auf Einbürgerung beurteilt sich anhand der bis zum 28. August 2007 geltenden Fassungen von § 9 Abs. 1 i.V.m. § 8 StAG, da gemäß § 40 c StAG auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30. März 2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 und 40c weiter in ihrer vor dem 28. August 2007 geltenden Fassung anzuwenden sind, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Diese Vorschrift findet zugunsten der Klägerin Anwendung. [...]

Der Einbürgerung der Klägerin stehen erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland nicht entgegen i.S.v. § 9 Abs. 1 StAG a.F. Das Vorliegen dieses Merkmals ist gerichtlich voll überprüfbar, da es sich bei dieser Ausschlussklausel um eine (negative) Tatbestandsvoraussetzung handelt (vgl. BVerwG, U. v. 31.03.1987 - 1 C 29/84 -, juris Rn. 32; Marx in: GK-StAR, Stand: August 2009, § 9 StAG Rn. 83 ff., m.w.N.). Der Beklagte hat die Einbürgerung der Klägerin gemäß § 9 StAG a.F. mit der Begründung abgelehnt, diese komme wegen ihrer Mitgliedschaft im Vorstand des Vereins L. e.V. unter Berücksichtigung des Ausschlussgrundes in § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. nicht in Betracht. Dem folgt das Gericht nicht. Aus der Vorstandsmitgliedschaft der Klägerin im Verein L. e.V. resultieren keine ihrer Einbürgerung entgegenstehenden erheblichen Belange i.S.d. § 9 Abs. 1 StAG a.F.

Zu den Belangen i.S.d. § 9 StAG zählen alle öffentlichen Interessen, die bei der Entscheidung über eine Einbürgerung - in Richtung auf ihre Ablehnung - rechtserheblich sein können. Die von § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. geschützten (Sicherheits-)Interessen gehören unzweifelhaft hierzu (vgl. BVerwG, U. v. 31.03.1987, a.a.O., juris Rn. 36; VG Stuttgart, U. v. 21.07.2008 - 11 K 1941/08 -, juris Rn. 39). Der Einbürgerung der Klägerin stehen jedoch keine erheblichen Belange entgegen, weil die Klägerin die PKK - und somit eine Vereinigung, die verfassungsfeindliche Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. verfolgt (vgl. insoweit VG Braunschweig, U. v. 28.02.2007 - 5 A 270/04 -; VG Oldenburg, a.a.O., juris Rn. 19; Verfassungsschutzbericht 2008 des Bundesministeriums des Innern, S. 270 ff.) - mit ihrer Tätigkeit im Verein L. e.V. nicht i.S.d. § 11 StAG unterstützt oder unterstützt hat.

Als Unterstützen i.S.d. § 11 StAG kommt zwar grundsätzlich jede Tätigkeit in Betracht, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Betätigungsmöglichkeiten der (verfassungsfeindlichen) Vereinigung auswirkt - namentlich deren innere Organisation und den Zusammenhalt fördert, ihrem Fortbestand oder der Verwirklichung ihrer durch § 11 StAG inkriminierten Ziele dient und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und das Gefährdungspotenzial stärkt (vgl. BVerwG, U. v. 22.02.2007 - 5 C 20/05 -, juris Rn.18; VG Braunschweig, a.a.O.; Berlit, a.a.O, § 11 StAG Rn. 96). Die Unterstützung der verfassungsfeindlichen Bestrebung muss dem Einbürgerungsbewerber jedoch auch subjektiv zurechenbar sein. Nur solche Handlungen, die er erkennbar und von seinem Willen getragen zum Vorteil der verfassungsfeindlichen Bestrebung vornimmt, können ein Unterstützen sein. Nur wenn für den Einbürgerungsbewerber erkennbar ist, dass er mit seinem Handeln die verfassungsfeindliche Vereinigung und deren Bestrebungen unterstützt, und er seine Unterstützungshandlung dennoch fortsetzt, weil er die Förderung der verfassungsfeindlichen Bestrebungen in seinen Willen aufgenommen hat, kann von einem Unterstützen ausgegangen werden (vgl. BVerwG, U. v. 22.02.2007 - 5 C 20/05 -, juris Rn.18; VG Braunschweig, a.a.O.; Berlit, a.a.O, § 11 StAG Rn. 96).

Die Klägerin hat mit ihrer Tätigkeit im Verein L. e.V. die PKK nicht unterstützt, weil ihr eine hiermit verbundene - mittelbare - Förderung der PKK nach diesem Maßstab nicht subjektiv zurechenbar ist. Das Gericht glaubt der Klägerin, dass sie eine Nähe des Vereins L. e.V. zur PKK nicht erkannt hat und sie mit ihrer Tätigkeit im Verein die PKK nicht - auch nicht mittelbar - unterstützen wollte. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung geht das Gericht davon aus, dass die Klägerin mit ihrer Tätigkeit im Verein L. e.V. ausschließlich das Ziel verfolgt hat, die Integration ihrer kurdischen Mitbürgerinnen zu fördern und für den von ihr angebotenen Sprachunterricht zu werben. Es kann deswegen offen bleiben, ob der Verein L. e.V. als Unterstützerverein der PKK anzusehen ist.

Motivation der Klägerin für ihre Tätigkeit im Verein L. e.V. ist gewesen, die Integration ihrer kurdischen Mitbürgerinnen zu fördern. Ihre diesbezügliche Einlassung hält die Kammer nach dem persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände für glaubhaft. Sie steht in Einklang mit ihrem bisherigen Lebenslauf. Sowohl in ihrem beruflichen Wirken als auch in früherer ehrenamtlicher Tätigkeit hat sie sich um die Integration und (Sprach-)Förderung ihrer kurdischen Mitbürger gekümmert. Für die Glaubhaftigkeit ihrer Einlassung spricht des Weiteren, dass die Klägerin in politischen Zusammenhängen nicht aufgefallen ist - weder in der Zeit vor ihrer Tätigkeit beim Verein L. e.V. noch während dieser Zeit oder danach. Dem Verfassungsschutz liegen keinerlei Erkenntnisse über eine aktive kurdisch-politische Tätigkeit oder Überzeugung der Klägerin oder ihren Besuch einer politischen Veranstaltung vor, obwohl er den Verein L. e.V. - offensichtlich intensiv - beobachtet hat. Die Klägerin hat vielmehr bereits während des Asylverfahrens erklärt, politisch nicht interessiert zu sein und hat keine eigene politische Verfolgung geltend gemacht, obwohl sich eine (behauptete) politische Tätigkeit in diesem Zusammenhang günstig hätte auswirken können. Sämtliche Zeugen haben die Einlassung der Klägerin bestätigt und sie ausschließlich mit ihrem Engagement für die Sprachförderung in Verbindung gebracht.

Die Klägerin hat zur Überzeugung der Kammer mit ihrer Tätigkeit im Verein L. e.V. auch nicht eine mittelbare Unterstützung der PKK bezweckt oder in Kauf genommen. Eine nach Einschätzung des Verfassungsschutzes gegebene Nähe des Vereins zur PKK hat sie nicht erkannt. Entgegen der Einschätzung des Beklagten geht die Kammer insbesondere nicht davon aus, dass die Klägerin eine Nähe des Vereins zur PKK bereits aufgrund der dort durchgeführten Veranstaltungen mit inhaltlichem Bezug zur PKK erkannt hat bzw. hätte erkennen müssen. Das Gericht glaubt der Klägerin, dass sie nur äußerst selten und - nachdem ihre Sprachkurse beendet waren - nur zu allgemeinen Kulturfesten im Verein gewesen ist und bei diesen seltenen Gelegenheiten nichts von politischen Veranstaltungen mitbekommen hat. Diese Einlassung haben sämtliche Zeugen bestätigt. Dass die Klägerin bei ihren seltenen Besuchen im Verein von politischen Veranstaltungen mit inhaltlichem Bezug zur PKK Kenntnis erlangen musste, ist nicht ersichtlich, zumal für die Klägerin kein Grund zu einem besonderen Misstrauen gegenüber dem Verein L. e.V. bestand. Der Verein war nicht nur von offizieller Seite nicht verboten. Vielmehr wurde und wird der Verein von Behörden - auch von dem Beklagten - in erheblichem Umfang als Ansprechpartner und Kooperationspartner in Integrationsfragen genutzt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin Mitglied im Vorstand des Vereins L. e.V. gewesen ist.

Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung sieht es die Kammer zunächst als erwiesen an, dass die Klägerin spätestens seit der Mitgliederversammlung vom Oktober 2005 faktisch aus dem Vorstand ausgeschieden war und in keiner Weise mehr in die Vorstandsarbeit des Vereins eingebunden gewesen ist. Obwohl sie vom Vereinsregister noch bis zum Jahr 2007 als Vorstandsmitglied geführt wurde, haben sowohl die Vereins- und Vorstandsmitglieder als auch die Klägerin selbst sie nicht mehr als Mitglied des Vorstandes betrachtet. Die Klägerin hat dies glaubhaft bekundet und wurde durch sämtliche Zeugen hierin bestätigt. So hat beispielsweise Herr T. O. ausgeführt, die Klägerin habe an den Treffen des Vereinsvorstandes nicht teilgenommen, weil sie kein Vorstandsmitglied gewesen sei. Hierbei hat er sich auf die Zeit seiner Vorstandsmitgliedschaft ab Oktober des Jahres 2006 bezogen, zu der die Klägerin im Vereinsregister noch als Vorstandsmitglied geführt wurde. Der Verein hatte das Ausscheiden der Klägerin aus dem Vorstand im Schreiben an das Vereinsregister beim Amtsgericht Hildesheim vom 8. November 2005 mitgeteilt. Die Kammer geht davon aus, dass das Vereinsregister die Klägerin nur im Hinblick auf die Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 4 2. Halbsatz der Vereinssatzung noch nach dem Jahr 2005 als Beisitzerin geführt hat, weil der Verein keinen nachfolgenden Beisitzer mitgeteilt hat.

Aufgrund Ihrer Wahl im August 2003 ist die Klägerin zuvor zwar Vorstandsmitglied gewesen ist. Die Kammer glaubt der Klägerin aber, dass sie keine aktive Vorstandsarbeit geleistet hat, die über die Förderung der Integration ihrer kurdischen Mitbürgerinnen hinausging, und sie trotz dieser "Vorstandstätigkeit" keine Kenntnis von einer politischen Ausrichtung und einer - möglicherweise gegebenen - Nähe des Vereins zur PKK erlangt hat. Die Einlassung der Klägerin, ihre "Vorstandstätigkeit" habe sich darauf beschränkt, die Sprachkurse für kurdische Frauen durchzuführen, ist schlüssig und glaubhaft. Sie steht in Einklang mit dem Eindruck, den die Kammer von der Organisation der Vereins- und Vorstandstätigkeit der Jahre 2003 und 2004 gewonnen hat. Diese war nach der Aussage von Herrn N. in den Jahren 2003 und 2004 wenig strukturiert. Das Vereinsleben beruhte darauf, dass jeweils Einzelpersonen Engagement zeigten und selbstständig Verantwortung für Teilbereiche des Vereinslebens übernahmen. (Regelmäßige) Vorstandstreffen fanden nicht statt. Hiernach kann nicht angenommen werden, dass mit der Vorstandsmitgliedschaft (automatisch) eine Information aller Vorstandsmitglieder über sämtliche Aktivitäten des Vereins verbunden gewesen ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Verantwortlichkeit für bestimmte Tätigkeitsfelder jeweils bestimmten Einzelpersonen zugeordnet gewesen ist, ohne dass der gesamte Vorstand involviert war. Angesichts dieser Vereinsstruktur, ist die Einlassung der Klägerin, sie habe mit ihrer Wahl in den Vorstand ausschließlich die Übernahme der Verantwortung für die Sprachkurse verbunden, stimmig. Zusätzlich spricht hierfür, dass sich nach dem Eindruck der Kammer das Vereinsleben in großem Maße nach Geschlechtern getrennt vollzogen hat. Auch vor diesem Hintergrund erweist sich die von der Klägerin beschriebene Konzentration ihrer "Vorstandstätigkeit" auf ihre für die kurdischen Frauen angebotenen Sprachkurse als schlüssig.

Dass die Klägerin ausweislich des Vereinsregisters im Jahr 2004 zur Schriftführerin des Vereins bestellt wurde, steht der Einschätzung des Gerichts nicht entgegen. Die Klägerin hat glaubhaft bestritten, zur Schriftführerin bestellt worden zu sein, und wird hierin durch die Aussage von Herrn N. bestätigt. Allerdings war sie im Vereinsregister als Schriftführerin eingetragen, nachdem ihre Wahl im Protokoll der Mitgliederversammlung vom September 2004 beschrieben wurde. Nach Einschätzung des Gerichts ist es jedoch nicht unwahrscheinlich, dass das Protokoll in der von Herrn N. beschriebenen Weise fehlerhaft zustande gekommen ist. Letztlich bedarf dies jedoch keiner Entscheidung. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin - ihre Bestellung zur Schriftführerin unterstellt - in den Jahren 2004/2005 stärker als zuvor in die Vorstandsarbeit eingebunden gewesen ist und sie hierdurch eine Nähe des Vereins zur PKK erkannt hat. Vielmehr hat Herr N. ausgesagt hat, er habe während dieser Zeit - in der er 1. Vorsitzender des Vereins gewesen ist - mit der Klägerin nicht zusammengearbeitet, und die Aufgaben der Schriftführerin habe Frau U. Q. erledigt, die im Jahr 2005 als Schriftführerin im Vereinsregister eingetragen wurde.

Unabhängig von Vorstehendem würden aus der Vorstandsmitgliedschaft der Klägerin im Verein L. e.V. selbst dann keine ihrer Einbürgerung entgegenstehenden erheblichen Belange i.S.d. § 9 Abs. 1 StAG a.F. resultieren, wenn sich nicht vollständig ausschließen ließe, dass die Klägerin die PKK mit ihrer Tätigkeit im Verein unterstützt hat. Die in diesem Fall im Rahmen von § 9 StAG a.F. gebotene Abwägung anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles würde ergeben, dass ihre Einbürgerung Belange im Sinne der Vorschrift nicht (mehr) in solcher Weise berührt, dass die qualitative Schwelle der Erheblichkeit erreicht wird.

Ob einer Einbürgerung erhebliche Belange entgegenstehen i.S.d. § 9 Abs. 1 StAG a.F., beurteilt sich anhand einer Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalles, auch wenn die Voraussetzungen von § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. erfüllt sind. Der einen Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG a.F. hindernde Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. reicht für die Annahme erheblicher Belange i.S.d. § 9 Abs. 1 StAG a.F. für sich allein nicht aus (vgl. BayVGH, U. v. 27.05.2003 - 5 B 00.1819 -, juris Rn. 30; VG Stuttgart, a.a.O, juris Rn. 37; a.A. bspw. VG Ansbach, U. v. 16.06.2004 - An 15 K 04.00072 -, juris Rn. 46). Zwar zählen die von § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. geschützten Interessen zu den Belangen i.S.v. § 9 Abs. 1 StAG a.F. Allerdings kann § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. nicht undifferenziert auf einen Einbürgerungsanspruch nach § 9 StAG a.F. angewendet werden und die hierin enthalten materiellen Wertungen nicht gänzlich übernommen werden. Dies wäre mit der besonderen und von § 10 StAG a.F. verschiedenen Schutzrichtung von § 9 StAG a.F. nicht zu vereinbaren.

Während § 10 StAG a.F. ganz allgemein der Integration langjährig im Bundesgebiet lebender Ausländer dient, steht die Einbürgerungsermächtigung des § 9 StAG a.F. im Zusammenhang mit dem Grundrecht des Art. 6 Abs. 1 GG, nach dem Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Sie bezweckt eine Stärkung der Einheit und des Zusammenhalts in Ehe und Familie und soll so zur Verwirklichung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG beitragen. Die gemeinsame Bindung der Familienangehörigen an eine bestimmte staatliche Gemeinschaft stärkt die Einheit und den Zusammenhalt der Familie und beugt unerwünschten Konflikten zwischen der Familienbindung und der Treue gegenüber dem Heimatstaat vor. Besitzen beide Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit, ist zudem das Recht zum gemeinsamen Aufenthalt im Bundesgebiet und damit eine wesentliche Grundlage der familiären Einheit sogar unentziehbar gesichert. Das Gesetz misst diesem Schutz von Ehe und Familie auch nicht etwa nur geringes Gewicht bei, was daraus folgt, dass es bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einen grundsätzlichen Rechtsanspruch auf Einbürgerung gewährt (vgl. zu Vorstehendem BayVGH, a.a.O., juris Rn. 30, VG Stuttgart, a.a.O., juris Rn. 38 m.w.N.).

Wegen dieses besonderen Schutzzwecks sind nur solche Belange erheblich i.S.d. § 9 StAG a.F., die ein deutliches Übergewicht haben gegenüber dem in § 9 StAG a.F. gesetzlich anerkannten und grundsätzlich zur Einbürgerung führenden Interesse an einer einheitlichen Staatsangehörigkeit in Ehe und Familie. Die Ausschlussklausel des § 9 StAG a.F. hindert die Einbürgerung folglich nur, wenn ihr Belange entgegenstehen, die nach den Umständen des Einzelfalles Vorrang gegenüber dem erstrebten Schutz von Ehe und Familie beanspruchen. Die gebotene Abwägung ist hierbei nicht lediglich nach abstrakten Merkmalen vorzunehmen, sondern nach den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalles. Der einschlägige Belang ist in seiner jeweiligen konkreten Erscheinung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U. v. 31.03.1987 - 1 C 29/84 -, juris Rn. 38).

Bei dieser Abwägung ist zu berücksichtigen, dass § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. auf verschiedenen Ebenen mit unterschiedlichem Gewicht als Ausschlussgrund für einen Einbürgerungsanspruch nach § 10 Abs. 1 StAG a.F. wirken kann. Ein (früheres) Unterstützen einer verfassungsfeindlichen Bestrebung kann (sicher) feststehen, es kann ein (graduell unterschiedlich starker) Verdacht hierfür gegeben sein oder es kann - wenn sicherheitsrelevante Aktivitäten seit längerem nicht mehr feststellbar sind - an einem Abwenden i.S.d. Vorschrift fehlen. Diesen Unterschieden und dem unterschiedlichen Gewicht der Varianten muss im Rahmen der Einzelfallbetrachtung bei § 9 StAG a.F. Rechnung getragen werden. Insbesondere wenn sicherheitsrelevante Aktivitäten eines Einbürgerungsbewerbers seit längerem nicht mehr feststellbar sind, kann dies dazu führen, dass erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland seiner Einbürgerung nicht mehr entgegenstehen, selbst wenn es ihm nicht gelungen ist, sein Abwenden i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. glaubhaft zu machen. Darf ein Einbürgerungsanspruch nach § 10 Abs. 1 StAG a.F. in einen solchem Fall bestehender Unklarheit zwar noch beschränkt werden, kann dies im Rahmen von § 9 Abs. 1 StAG a.F. wegen des aus Art. 6 Abs. 1 GG herrührenden einbürgerungsrechtlichen Wohlwollensgebot nur im Einzelfall geschehen, wenn eine persönlich vom Einbürgerungsbewerber ausgehende aktuelle Sicherheitsgefährdung feststellbar ist (vgl. VG Stuttgart, a.a.O., juris Rn. 43 ff.).

Nach diesem Maßstab stehen der Einbürgerung der Klägerin keine erheblichen Belange i.S.d. § 9 Abs. 1 StAG a.F. entgegen. Die nach dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Vorstand des Vereins, angesichts des Zeitablaufs und der Einlassung der Klägerin zu ihrer Einstellung gegenüber der PKK verbleibende "Reste" der von § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. betroffenen Sicherheitsbelange sind nicht hinreichend gewichtig, um gegenüber dem gemäß Art. 6 GG geschützten Interesse an einer einheitlichen Staatsangehörigkeit in einer Familie deutlich zu überwiegen. Eine von der Klägerin persönlich ausgehende aktuelle Sicherheitsgefährdung vermag das Gericht nicht zu erkennen.

Hierbei berücksichtigt das Gericht einerseits, dass auf der Grundlage der hierzu ergangenen Rechtsprechung anderer Gerichte hinsichtlich der Klägerin zwar die Voraussetzungen von § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. vorliegen, falls man eine PKK-Nähe des Vereins L. e.V. unterstellt. Denn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte i.S.d. Vorschrift bestehen hiernach regelmäßig bereits wegen des formalen Gesichtspunktes der Vorstandsmitgliedschaft eines von der PKK gesteuerten Vereins, ohne dass die Einbürgerungsbehörde die subjektive Einstellung des Einbürgerungsbewerbers zu den Zielen des Vereins belegen müsste (vgl. bspw. VG Oldenburg, U. v. 19.09.2007 - 11 A 4065/05 -, juris Rn. 22; OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 04.07.2005 - 7 A 12260/04 -, juris Rn. 31; vgl. Hess. VGH, B. v. 06.01.2006 - 12 UZ 3731/04 -, juris Rn. 9). Der Gesetzgeber hat die Ausschlussgründe des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. bewusst weit vorverlagert in Handlungsbereiche, die strafrechtlich (noch) nicht beachtlich sind und für sich betrachtet auch noch keine unmittelbare Gefährdung der freiheitlichdemokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellen (vgl. BVerwG, U. v. 22.02.2007 - 5 C 20/05 -, juris Rn.19, VG Braunschweig, U. v. 28.02.2007 - 5 A 270/04 -, Berlit, a.a.O., § 11 StAG Rn. 66 m.w.N.).

In der Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalles spricht jedoch gegen die Annahme "erheblicher Belange", dass aus der Vorstandsmitgliedschaft der Klägerin zum einen nur ein vager Verdacht hinsichtlich einer inhaltlich wenig schwerwiegenden Unterstützungshandlung für die PKK resultiert. Innerhalb der oben vorgenannten Varianten im Rahmen von § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. ist er seinem Grade nach auf niedrigstem Niveau einzuordnen. Es gibt hinsichtlich der Klägerin keine über ihre Vorstandsmitgliedschaft hinausgehenden Anhaltspunkte, die den Verdacht ihrer Unterstützung der PKK bestätigen oder gar bestärken könnten. Dem Beklagten und dem Verfassungsschutz liegen keinerlei zusätzliche personenbezogene Erkenntnisse über die Klägerin vor. Die Klägerin ist weder im Rahmen von Veranstaltungen im Verein mit einem inhaltlichen Bezug zur PKK aufgefallen, obwohl davon auszugehen ist, dass jedenfalls die politischen Aktivitäten des Vereins L. e.V. vom Verfassungsschutz beobachtet wurden, noch sonst jemals in anderen Zusammenhängen. Die Klägerin war zudem nur vergleichsweise kurze Zeit Vorstandsmitglied und hat in der Vorstandsarbeit jedenfalls keine tragende Rolle gespielt. Die Klägerin ist spätestens seit dem Oktober 2005 faktisch aus dem Vorstand des Vereins ausgeschieden. Sicherheitsrelevante Bedenken sind deswegen seit geraumer Zeit nicht mehr feststellbar.

In der Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalles spricht des Weiteren gegen die Annahme "erheblicher Belange", dass keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die nahelegen, die Klägerin könne beabsichtigen, die PKK zukünftig zu unterstützen. Ihre Einlassung kommt vielmehr einem "Abwenden" i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. jedenfalls nahe. Für ein Abwenden ist die nachvollziehbare Schilderung eines Lernprozesses erforderlich, aufgrund dessen mit hinreichender Sicherheit die zukünftige Verfolgung oder Unterstützung von Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. - auch unter Berücksichtigung der durch die Einbürgerung erworbenen gesicherten Rechtsposition - auszuschließen ist. Die Klägerin hat erklärt, weder im Allgemeinen noch in speziell kurdischen Angelegenheiten politisch interessiert oder aktiv zu sein. Mit den Anliegen der PKK sei sie nicht vertraut. Sie habe ihre Tätigkeit im Verein eingestellt, weil sich ihre Interessen auf ihre Familie und ihren Beruf beschränkten. Diese Angaben sind schlüssig, auch vor dem Hintergrund ihrer Angaben im Asylverfahren, in dem die Klägerin sich ebenfalls nicht auf eigene politische Aktivitäten berufen hatte. Dass das faktische Ausscheiden der Klägerin aus dem Vorstand spätestens zum Oktober 2005 (nur) in Hinblick auf eine angestrebte Einbürgerung erfolgte, ist nicht ersichtlich. [...]