VG Stuttgart

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Zitieren als:
VG Stuttgart, Beschluss vom 04.11.2009 - 1 K 3959/07 - asyl.net: M16223
https://www.asyl.net/rsdb/M16223
Leitsatz:

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig, sie ist nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen.

Schlagwörter: Zuziehung eines Bevollmächtigten, Notwendigerklärung, Widerspruchsverfahren
Normen: VwGO § 162 Abs. 2 Satz 2
Auszüge:

[...]

Für die beantragte gerichtliche Entscheidung kommt es zudem auf die nach subjektiven Kriterien vorzunehmende Beurteilung an, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren "notwendig" war. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten schon im Vorverfahren ist dann festzustellen, wenn sie vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei für erforderlich gehalten werden durfte und es dem Beteiligten nach seiner Vorbildung, Erfahrung und seinen sonstigen persönlichen Umständen nicht zumutbar war, das Verfahren selbst zu führen. Sie ist nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen (vgl. Kopp, VwGO 11. Aufl. § 162 RNr. 18 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden ausländerrechtlichen Verfahren, das durchaus Probleme aufwarf, die von einem juristischen Laien ohne fachkundige Hilfe nicht hinreichend zu durchschauen sind, gegeben. Gegen die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren lässt sich nicht einwenden, das Widerspruchsverfahren selbst sei nicht notwendig gewesen. Nachdem die Klägerin bereits eine zulässige Untätigkeitsklage erhoben hatte, war die Einlegung eines Widerspruchs gegen den nach Klageerhebung ergangenen Bescheid vom 15.11.2007 zwar nicht erforderlich um den Eintritt der Bestandskraft dieser Entscheidung zu verhindern. Sie war aber gleichwohl notwendig im Sinne des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Denn sie eröffnete für die Klägerin die Chance, dass die Beklagte bzw. die Widerspruchsbehörde von sich aus ihr Ermessen im Sinne der Klägerin ausüben und dass sie insbesondere angesichts der in § 75 Satz 2 VwGO enthaltenen Wertung unter Umständen sogar früher zu ihren Gunsten entscheiden würde als das Verwaltungsgericht über ihre Klage. Bereits dieser denkbare Zeitgewinn rechtfertigte die Erhebung des Widerspruchs (so: OVG Hamburg, Beschl. v. 16.11.1993 - Bs VII 120/93 -, NVwZ-RR 1994, 621 und VGH Bad.-Württ., a.a.O.). Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Klägerin in der Rechtsbehelfsbelehrung zu der Entscheidung vom 15.11.2007 ausdrücklich auf die Einlegung eines Widerspruchs hingewiesen worden war, weshalb sie damit rechnen musste, dass sich die Beklagte - zu Recht oder zu Unrecht - auf die Bestandskraft des Bescheids berufen würde (VGH Bad.-Württ., a.a.O., Kopp, VwGO, 15. Aufl., § 162 RNr. 16). [...]