OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 27.10.2009 - 13 OA 134/09 - asyl.net: M16221
https://www.asyl.net/rsdb/M16221
Leitsatz:

Anrechnung einer hälftigen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in Fällen, in welchen der Prozessbevollmächtigte vor Inkrafttreten der Änderung des § 15 a RVG beauftragt worden ist.

Schlagwörter: Vergütung, Anrechnung, Altfälle
Normen: RVG § 15a, RVG § 60 Abs. 1, RVG § 55 Abs. 5, VV-RVG Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1
Auszüge:

[...]

a) Die Auswertung der bislang vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der Frage, ob § 15a RVG auch auf "Altfälle" anwendbar ist, ergibt ein uneinheitliches Bild. Der 2. Senat des Bundesgerichtshofs (Beschl. v. 02.09. 2009 - II ZB 35/07 -, juris Rdnr. 8) vertritt für das Kostenfestsetzungsverfahren die Auffassung, dass der Gesetzgeber mit dem neu eingefügten § 15 a RVG das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht geändert habe, sondern lediglich die - nach Ansicht des 2. Senats - bereits vor Einfügung des § 15a RVG bestehende Gesetzeslage klargestellt habe, derzufolge sich die Anrechnung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG grundsätzlich im Verhältnis zu Dritten, also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, nicht auswirke. Demgegenüber hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 22.07.2009 - 9 KSt 4/08 -, juris Rdnr. 6) ausgeführt, dass im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 164 VwGO die für das vorangegangene Verwaltungsverfahren entstandene Geschäftsgebühr nach Maßgabe der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG anteilig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen sei. Er hat zudem betont, dass eine - rechtspolitisch denkbare - andere Lösung einer Entscheidung des Gesetzgebers bedürfe und insoweit auf den zum Zeitpunkt seiner Entscheidung schon vorliegenden Entwurf des § 15a RVG (BT-Drs. 16/12717) verwiesen. Anders als der 2. Senat des Bundesgerichtshofs lässt sich mithin unter Zugrundelegung der Entscheidung des 9. Senats des Bundesverwaltungsgerichts nicht argumentieren, dass § 15a RVG der Sache nach auch auf Altfälle anwendbar sei, weil es sich bei der Regelung nur um eine Klarstellung der Rechtslage gehandelt habe, die richtigerweise schon in der Vergangenheit eine Anrechnung nicht zugelassen habe. [...]

aa) Nach Auffassung des Senats folgt bereits aus der Übergangsbestimmung des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG, dass für den hier gegebenen "Altfall" die gesetzliche Neuregelung keine Anwendung findet. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder - wie hier - beigeordnet worden ist. Allein aus der Existenz dieser Übergangsbestimmung ergibt sich, dass es auf die Motivationslage des Gesetzgebers bei einer gesetzlichen Neuregelung im Vergütungsrecht nicht entscheidend ankommen kann. Die Frage, welche rechtlichen Regelungen anwendbar sein sollen, ist vielmehr im Falle des Fehlens anderweitiger Übergangsbestimmungen nach § 60 RVG in formalisierter Weise zu beantworten. Liegen die Voraussetzungen dieser Bestimmung vor, ist bei einem Altfall die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen; liegen sie nicht vor, findet auch für alle noch nicht entschiedenen Fälle das neue Recht Anwendung. Schon dies schließt es nach Auffassung des Senats aus, maßgeblich auf einen (vermeintlich) nur klarstellenden Charakter einer gesetzlichen Änderung im Vergütungsrecht abzustellen. Eine andere Sichtweise, die im Falle einer Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes danach fragt, ob der Gesetzgeber eine Änderung der Rechtslage oder aber nur eine Klarstellung bewirken wollte, lässt nämlich zu Unrecht den sich aus der Übergangsbestimmung des § 60 Abs. 1 RVG ergebenden Rechtsanwendungsbefehl außer Acht. [...]