Für die Konkretisierung des Zielstaates einer Abschiebung ist die Ausländerbehörde und nicht das Bundesamt auch dann zuständig, wenn das Bundesamt die Abschiebungsandrohung erlassen hat.
(Amtlicher Leitsatz)
[...]
In formeller Hinsicht dürfte die Abschiebung wirksam angedroht und hinsichtlich des Zielstaates Nigeria konkretisiert worden sein. Die Androhung der Abschiebung mit der Zielstaatsbestimmung Sudan und mit dem Hinweis, dass die Abschiebung auch in einen anderen Staat erfolgen kann, ist durch bestandskräftigen Bescheid des Bundesamtes vom 18.02.1997 erfolgt. Die Antragsgegnerin hat diese Zielstaatsbestimmung im Hinblick auf Nigeria mündlich während der Anhörung des Antragstellers im Beisein seines Verfahrensbevollmächtigten am 25.09.2009 konkretisiert. Dies dürfte den rechtlichen Anforderungen genügen.
In zeitlicher Hinsicht ist die Konkretisierung so rechtzeitig erfolgt, dass der Antragsteller Gelegenheit hatte, etwaige Abschiebungshindernisse vorzubringen und erforderlichenfalls einstweiligen Rechtsschutz zu erlangen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.11.1999 – 9 C 4/99, juris). Das Schriftformerfordernis des § 77 Abs. 1 AufenthG gilt nicht. Die Antragsgegnerin – und nicht das Bundesamt – dürfte für die Konkretisierung des Zielstaates auch zuständig gewesen sein. Zwar wird in der Literatur weithin vertreten, dass dann, wenn das Bundesamt die Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylVfG erlassen hat, dieses auch für die Konkretisierung des Zielstaates zuständig ist (vgl. nur Funke-Kaiser, in: GK-Aufenthaltsgesetz, § 59, Rn. 58, <Stand der Bearbeitung: Februar 2008>; offen gelassen von BVerwG, Urt. v. 25.07.2000 – 9 C 42/99, juris). Dem vermag die Kammer jedoch zumindest für den Fall nicht zu folgen, in dem – wie hier – die ursprüngliche Abschiebungsandrohung bereits einen konkreten Zielstaat bezeichnet und nunmehr entsprechend dem ebenfalls enthaltenen Hinweis in einen anderen Zielstaat abgeschoben werden soll. Die Abschiebungsandrohung gemäß § 59 AufenthG und dem folgend auch deren Konkretisierung im Hinblick auf den Zielstaat sind dem Vollstreckungsverfahren zuzuordnen, für das nach der Konzeption des Aufenthaltsgesetzes grundsätzlich die Ausländerbehörden zuständig sind. Lediglich aus verfahrensökonomischen Gründen ordnet § 34 Abs. 1 AsylVfG davon abweichend die Abschiebungsandrohung bei einer negativen Entscheidung über einen Asylantrag – und nur bei einer solchen – dem Bundesamt zu. Denn dieses erlässt ohnehin einen die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht herbeiführenden Bescheid, der zweckmäßigerweise sogleich die weiteren Vollstreckungsvoraussetzungen herstellt (vgl. § 34 Abs. 2 AsylVfG). Für eine Erstreckung des Regelungsgehalts des § 34 AsylVfG über den Wortlaut hinaus auf Fälle, in denen das Asylverfahren bereits abgeschlossen ist und ein Folgeverfahren weder angestrengt noch Gründe für ein solches ersichtlich sind, gibt es nach dieser Intention des Gesetzgebers keinen Anlass. Nicht eine Verfahrensbeschleunigung wäre die Folge, sondern das Vollstreckungsverfahren würde dadurch verzögert, dass ohne einen Grund in der Sache das Bundesamt erneut zu befassen wäre.
Diesem Ergebnis steht auch § 24 Abs. 2 AsylVfG nicht entgegen. § 24 Abs. 2 AsylVfG regelt lediglich die alleinige Zuständigkeit des Bundesamtes für die Feststellung von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten. Für eine solche Feststellung in positiver oder negativer Hinsicht gibt es jedoch bei der Zielstaatsbestimmung keinen Anlass. Denn es bleibt dem Betroffenen unbenommen, einen Asylfolgeantrag zu stellen und sodann – notfalls unter Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes – zielstaatsbezogene Hindernisse vorzubringen. Eine Prüfung von Amts wegen sieht das Asylverfahrensgesetz gerade nicht vor.
Schließlich bedurfte es keiner erneuten Ankündigung der Abschiebung gemäß § 60 Abs. 5 Satz 4 AufenthG. Die Vorschrift setzt voraus, dass zuvor ein Duldungswiderruf erfolgt ist. Hier war die Duldung indes bis zum 15.09.2009 befristet, sodass ein Widerruf nicht erfolgt ist.
II.
In materieller Hinsicht dürfte die Abschiebung ebenfalls rechtmäßig sein. Die Voraussetzungen des § 58 AufenthG liegen vor, weil der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig ist und eine freiwillige Ausreise nach den bisherigen Erfahrungen fernliegend erscheint.
Abschiebungshindernisse sind nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller vorträgt, er sei weder Nigerianer noch seien die in dem Passersatzpapier genannten Personalien zutreffend, führt dies nicht zur tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung. Abgesehen davon, dass die durchgeführten Botschaftsvorführungen deutlich auf eine nigerianische Staatsangehörigkeit des Antragstellers hinweisen und sich in den Sachakten eine handschriftliche Notiz mit eben dem Nachnamen befindet, mit dem er in dem Passersatzpapier bezeichnet ist, macht dies die Abschiebung ohnehin nicht unmöglich. Denn es steht weder sicher fest, dass die Abschiebung deshalb scheitern wird, noch steht sicher fest, dass die Angaben falsch sind. Insofern bleibt der Antragsgegnerin ein Abschiebungsversuch unbenommen. Denn solange die Abschiebung nach den Gegebenheiten des Falles nicht aussichtslos erscheint, darf ein fehlgeschlagener Abschiebungsversuch vorausgesetzt werden, bevor die tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung angenommen wird (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 25.09.1997 – 1 C 3/97, juris). Der Antragsteller, der die Mitwirkung bei der Klärung seiner Identität und bei der Passbeschaffung bislang beharrlich verweigert hat, ist insofern nicht weiter schutzwürdig. Scheitert die Abschiebung, wird er auf Kosten der Antragsgegnerin in das Bundesgebiet zurückbefördert. Auch die behauptete Krankheit des Antragstellers steht der Abschiebung nicht entgegen. Abgesehen davon, dass nicht ansatzweise dargetan ist, worin diese Krankheit überhaupt besteht und wie sie sich äußert, ist die Flugreisetauglichkeit festgestellt worden. Die Abschiebung findet ferner in Begleitung eines Arztes statt, der erforderlichenfalls die notwendigen Maßnahmen ergreifen kann. [...]