VG Hamburg

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Zitieren als:
VG Hamburg, Urteil vom 08.10.2009 - 4 K 2994/08 - asyl.net: M16149
https://www.asyl.net/rsdb/M16149
Leitsatz:

Dolmetscherkosten sind nur dann gemäß § 66 Abs. 1 AufenthG durch die Abschiebung entstanden, wenn die Anhörung im Vollstreckungsverfahren selbst erfolgt.(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Abschiebungskosten, Dolmetscher, Abschiebung, Anhörung, Ausländerbehörde,
Normen: AufenthG § 66 Abs. 1, AufenthG § 67 Abs. 1 Nr. 2
Auszüge:

[...]

Der Bescheid vom 08.05.2008 und der Widerspruchsbescheid vom 24.09.2008 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Ermächtigungsgrundlage für die Inanspruchnahme eines Ausländers für Kosten einer Abschiebung ist § 66 Abs. 1 AufenthG. Danach hat der Ausländer die Kosten, die durch die Abschiebung entstehen, zu tragen. Den Umfang der Kostenhaftung regelt § 67 Abs. 1 AufenthG. Gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gehören dazu die bei der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten einschließlich der Kosten für die Abschiebungshaft und der Übersetzungs- und Dolmetscherkosten und die Ausgaben für die Unterbringung, Verpflegung und sonstige Versorgung des Ausländers.

Kosten, die durch die Abschiebung entstehen, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts solche, die mit der Amtshandlung der Abschiebung in Zusammenhang stehen. Sie müssen dieser Amtshandlung zuzurechnen sein und sind von den Kosten anderer Amtshandlungen abzugrenzen, die im Rahmen eines ausländerbehördlichen Einschreitens ergehen und entweder selbst eine Kostenpflicht auslösen oder kostenfrei sind. Eine Abschiebung als die danach maßgebende Amtshandlung ist die zwangsweise Entfernung eines Ausländers aus dem Geltungsbereich des Aufenthaltsgesetzes (§ 58 AufenthG). Sie stellt eine Maßnahme des Verwaltungszwanges dar. Der Kostentatbestand betrifft daher nicht die Kosten, die im ausländerbehördlichen Grundverfahren und nicht in der Verwaltungsvollstreckung entstehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.11.1987 – 1 C 2/87, juris; ebenso Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 67, Rn. 3; Hailbronner, Ausländerrecht, § 67, Rn. 2, <Stand der Bearbeitung: Dezember 2008>; Funke-Kaiser, GK-Aufenthaltsgesetz, § 67, Rn. 5, <Stand der Bearbeitung: August 2008>). Nach diesen Maßgaben können der Klägerin die Dolmetscherkosten nicht auferlegt werden, weil die Anhörung noch dem Grundverfahren zuzurechnen ist.

Die Anhörung vom 26.08.2003, bei der es sich nach Lage der Akten um die erste ausländerbehördliche Anhörung der Klägerin überhaupt gehandelt hat, erfolgte ausweislich des Protokolls anlässlich einer beabsichtigten Ausweisung der Klägerin aus dem Bundesgebiet. Es ging mithin nicht um die Vollstreckung der Ausreisepflicht, sondern um den Erlass der noch dem Grundverfahren zuzurechnenden Ausweisungsverfügung. Dabei ist es ohne Belang, dass die Klägerin aufgrund ihrer illegalen Einreise bereits vor Erlass der Ausweisungsverfügung gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG a.F. vollziehbar ausreisepflichtig war. Denn der Zweck der Anhörung wird von der Ausländerbehörde bestimmt und ist hier im Hinblick auf den Erlass einer Ausweisungsverfügung bestimmt worden. Eine Abschiebung kam zum Zeitpunkt der Anhörung angesichts fehlender Papiere im Übrigen ohnehin nicht in Betracht.

Zu keiner anderen Betrachtung führt es, dass die bei der Anhörung gewonnenen Informationen auch zur Rechtfertigung einer möglichen späteren Abschiebung hätten genutzt werden können. Auch wenn sich die Ausländerbehörde die Ergebnisse einer Anhörung zu anderen Zwecken für Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Ausländer zunutze macht, ihnen etwa entnimmt, dass sich der Ausländer unerlaubt im Bundesgebiet aufhält, einen Ausweisungstatbestand verwirklicht hat und zur unverzüglichen Ausreise verpflichtet ist, führt dies nicht dazu, dass die Kosten der Anhörung damit zu Kosten der Abschiebung werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.11.1987 – 1 C 2/87, juris, zu einer Anhörung im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren). Maßgeblich ist allein, ob die Anhörung in der Verwaltungsvollstreckung selbst erfolgt ist. Eben daran fehlt es hier. [...]