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OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.07.2009 - 18 E 1013/08 - asyl.net: M15870
https://www.asyl.net/rsdb/M15870
Leitsatz:

1. Eine Terminsgebühr entsteht nicht, wenn die beklagte Ausländerbehörde während des Klageverfahrens von sich aus oder auf Nachfrage des Klägers lediglich mitteilt, dass sie aufgrund eines behördeninternen Entscheidungsprozesses den angefochtenen Verwaltungsakt aufhebt oder dem Klagebegehren entspricht.

2. Eine Einigungsgebühr fällt nicht an, wenn bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen nicht zugleich eine Einigung über den in Frage stehenden materiell-rechtlichen Anspruch erzielt wird.

 

Schlagwörter: Rechtsanwaltsgebühren, Terminsgebühr, Einigungsgebühr, Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltszweck, Ausländerbehörde
Normen: AufenthG § 25
Auszüge:

1. Eine Terminsgebühr entsteht nicht, wenn die beklagte Ausländerbehörde während des Klageverfahrens von sich aus oder auf Nachfrage des Klägers lediglich mitteilt, dass sie aufgrund eines behördeninternen Entscheidungsprozesses den angefochtenen Verwaltungsakt aufhebt oder dem Klagebegehren entspricht.

2. Eine Einigungsgebühr fällt nicht an, wenn bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen nicht zugleich eine Einigung über den in Frage stehenden materiell-rechtlichen Anspruch erzielt wird.

(Amtliche Leitsätze)

 

[...]

Die Beschwerde ist unbegründet. [...]

Der Kläger beruft sich für seine Ansicht, vorliegend sei eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VVRVG entstanden, vergeblich auf die Entscheidung des BGH vom 20. November 2006 - II ZB 9/06 -, NJW-RR 2007, 286, soweit darin ausgeführt wird, dass eine solche Gebühr anfalle, wenn der Gegner eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Erklärung zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei entgegengenommen habe. Eine derartige Situation ist unter Berücksichtigung der verwaltungsgerichtsprozessualen Besonderheiten bezüglich der hier nur in Betracht kommenden letzten Alternative der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG vorliegend nicht gegeben. Insoweit wird nämlich vorausgesetzt, dass eine auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung - die auch telefonisch und ohne Beteiligung des Gerichts geführt werden kann - mit dem konkreten Ziel stattgefunden hat, das Streitverfahren einvernehmlich zu beenden. Dies setzt die Bereitschaft der Gegenseite voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. Davon ausgehend entsteht keine Terminsgebühr, wenn die beklagte Ausländerbehörde während des Klageverfahrens von sich aus oder auf Nachfrage des Klägers lediglich mitteilt, dass sie aufgrund eines behördeninternen Entscheidungsprozesses zu dem Ergebnis gelangt ist, dass dem Klagebegehren entsprochen wird. Eine solche Mitteilung ist keine auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung. Das gilt auch für den Fall, dass die Gegenseite zur Abgabe einer Erledigungserklärung aufgefordert wird (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 23. Juli 2008 - 2 S 458/07 -, juris).

So war es auch hier. Es fehlt an einer Besprechung zwischen den Beteiligten. Der Beklagte hat im Anschluss an die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 15. Januar 2008, mit der dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG zugesprochen wurde, behördenintern entschieden, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu erteilen. Auf diese Entscheidung hatten weder das vorliegende Verfahren noch die darin vom Kläger eingebrachten Äußerungen irgend einen Einfluss. Das Flüchtlingsverfahren war völlig eigenständig und wurde vom Kläger parallel zum vorliegenden Verfahren betrieben, in dem es um die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ging. Die einzige Gemeinsamkeit beider Verfahren war allein, dass mit beiden die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erstrebt wurde. Dementsprechend reduzierte sich die Beteiligung des Prozessbevollmächtigten an der Erledigung des vorliegenden Verfahrens darin, das vom Beklagten allein herbeigeführte erledigende Ereignis zur Kenntnis zu nehmen und die erforderlichen prozessualen Konsequenzen daraus zu ziehen. Damit werden die Voraussetzungen für die Entstehung einer Terminsgebühr nicht erfüllt.

Die vom Kläger ferner beanspruchte Einigungsgebühr nach Nr. 1000 W-RVG ist ebenfalls nicht angefallen. Die Einigungsgebühr setzt die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages voraus, durch den der Streit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Dafür ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass eine Einigung über materielle Ansprüche erzielt wird, ohne dass es etwa eines Vergleichs bedarf. Daher kann eine Einigungsgebühr auch anfallen, wenn der Rechtsstreit - wie hier - durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Parteien beendet wird, sofern über die insofern vorliegenden Prozesshandlungen hinausgehend zugleich eine Einigung über den in Frage stehenden materiell-rechtlichen Anspruch erzielt wird. Dagegen ist es nicht ausreichend, wenn der Rechtsstreit statt durch ein gegenseitiges Einvernehmen durch eine einseitige Erklärung beendet wird (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2007 - II ZB 10/06 -, NJW 2007, 2187; BayVGH, Beschluss vom 11. Juni 2008 - 10 C 08.777 -, juris).

Letzteres ist hier gegeben. Die Parteien haben den Rechtsstreit nicht auf Grund einer Einigung über den mit der Klage geltend gemachten, grundsätzlich in das Ermessen der Ausländerbehörde gestellten Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG beendet. Der Beklagte hat vielmehr dem Kläger im Anschluss an die o.g. Entscheidung des Bundesamtes nach zwingender Vorgabe des § 25 Abs. 2 AufenthG durch einseitige Erklärung eine Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Dem tritt die Beschwerde erfolglos mit der Ansicht entgegen, die Klage sei auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gerichtet gewesen und eine solche sei auch erteilt worden. Die allein im Streit stehende Erfüllung der Passpflicht sei bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG durch die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge ausgeräumt worden. Damit verkennt die Beschwerde, dass es eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen als solche nicht gibt. Vielmehr werden in § 25 AufenthG unter der Überschrift "Aufenthalt aus humanitären Gründen" verschiedene von einander unabhängige Regelungen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis getroffen. Namentlich die hier in Rede stehenden Rechte aus den Absätzen 2 und 5 unterscheiden sich grundlegend. Während Absatz 2 anerkannten Flüchtlingen einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vermittelt, verschafft Absatz 5 unter engen Voraussetzungen dieselbe Möglichkeit für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer. Insbesondere verdeutlicht die Unterschiedlichkeit beider Rechtsgrundlagen, dass für eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 2 das Bundesamt dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt haben muss, während bei Absatz 5 alle Anspruchsvoraussetzungen von der Ausländerbehörde inhaltlich festzustellen sind. [...]