OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 24.06.2009 - 8 LA 81/09 - asyl.net: M15794
https://www.asyl.net/rsdb/M15794
Leitsatz:

Die Altfallregelung des § 104 a Abs. 1 AufenthG setzt voraus, dass der Ausländer im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt geduldet ist, nicht jedoch unbedingt am Stichtag des 1.7.2007.

Schlagwörter: D (A), Berufungszulassungsantrag, ernstliche Zweifel, Aufenthaltserlaubnis, Altfallregelung, Duldung, Bleiberechtsregelung, Beurteilungszeitpunkt, Entscheidungszeitpunkt, Stichtag
Normen: VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1; AufenthG § 104a Abs. 1 S. 1
Auszüge:

Die Altfallregelung des § 104 a Abs. 1 AufenthG setzt voraus, dass der Ausländer im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt geduldet ist, nicht jedoch unbedingt am Stichtag des 1.7.2007.

(Leitsatz der Redaktion)

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Es bestehen aus den vom Beklagten vorgetragenen Gründen keine ernstlichen Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu erteilen. Der Beklagte hält diese Entscheidung für falsch, weil der Kläger am 1. Juli 2007 im Besitz einer bis zum 30. September 2007 befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG i. V. m. der Niedersächsischen Bleiberechtsregelung aufgrund des Erlasses vom 6. Dezember 2006 gewesen sei. Nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG würden jedoch nur Personen begünstigt, die am 1. Juli 2007 "geduldet" worden seien. Diesem Einwand kann nicht gefolgt werden.

§ 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG enthält zwei auf den jeweiligen Aufenthaltsstatus bezogene Voraussetzungen. Erstens muss sich der Begünstigte in dem Zeitraum vor dem 1. Juli 2007 seit mindestens sechs bzw. acht Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (vgl. Senatsbeschl. v. 20.11.2007 - 8 ME 108/07 -, AuAS 2008, 14 f.) im Bundesgebiet aufgehalten haben. Zweitens muss der Ausländer "geduldet" werden. Dem Wortlaut des § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass der Ausländer - wie vom Beklagten vorgetragen - bereits am 1. Juli 2007 im Besitz einer Duldung gewesen sein muss und in diesem Zeitpunkt nicht (mehr) im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gewesen sein darf. Sowohl in der Kommentarliteratur (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 104a AufenthG, Rn. 4; GK-AuslR, § 104a AufenthG, Rn. 8) als auch in den Hinweisen des Bundesinnenministeriums (BMI) zum Richtlinienumsetzungsgesetz (Teil I L I. 3. Satz 2; im Ergebnis ebenso Ziffer 104a 1.1.1 Satz 4 der Vorläufigen Niedersächsischen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz) wird es für ausreichend erachtet, wenn der Ausländer im später liegenden Antrags- oder im Entscheidungszeitpunkt der Behörde geduldet wird bzw. zu dulden ist. Dieser Ansicht ist jedenfalls für die vorliegend zu beurteilende Fallgestaltung zu folgen, in der der Ausländer bis Ende September 2007 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach der zuvor zitierten Bleiberechtsregelung und danach als Roma aus dem Kosovo zu dulden war. Denn mit dem Erlass der gesetzlichen Altfallregelung in § 104a Abs. 1 AufenthG sollte die Lage der begünstigten Ausländer im Verhältnis zu den vorhergehenden landesrechtlichen Bleiberechtsregelungen, die auf den Beschluss der Innenministerkonferenz vom 17. November 2006 zurückgehen, verbessert werden. [...]