OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.04.2009 - 2 B 6.08 - asyl.net: M15746
https://www.asyl.net/rsdb/M15746
Leitsatz:

Das Erfordernis von einfachen Deutschkenntnissen für den Ehegattennachzug gem. § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit höherrangigem Recht vereinbar; es sind mündliche und schriftliche Sprachkenntnisse des Sprachniveaus A1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens erforderlich; der Nachweis der Sprachkenntnisse kann über ein Zertifikat SD1 des Goethe-Instituts oder eines lizensierten Partners oder in anderer Weise erfolgen.

 

Schlagwörter: D (A), Familienzusammenführung, Ehegattennachzug, Deutschverheiratung, Aufenthaltserlaubnis, Visum, Sprachkenntnisse, schriftliche Sprachkenntnisse, Nachweis, Verfassungsmäßigkeit, Schutz von Ehe und Familie, Verhältnismäßigkeit, Gleichheitsgrundsatz, Diskriminierungsverbot, Positivstaatler, Vertrauensschutz, Rückwirkung, Übergangsregelung, Familienzusammenführungsrichtlinie, Familienleben, EMRK, Richtlinienumsetzungsgesetz
Normen: AufenthG § 27 Abs. 1; AufenthG § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; AufenthG § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; GG Art. 6 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 3; RL 2003/86/EG Art. 7 Abs. 2; EMRK Art. 8
Auszüge:

Das Erfordernis von einfachen Deutschkenntnissen für den Ehegattennachzug gem. § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit höherrangigem Recht vereinbar; es sind mündliche und schriftliche Sprachkenntnisse des Sprachniveaus A1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens erforderlich; der Nachweis der Sprachkenntnisse kann über ein Zertifikat SD1 des Goethe-Instituts oder eines lizensierten Partners oder in anderer Weise erfolgen.

(Leitsatz der Redaktion)

[...]

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Sie ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Form des Visums zum Ehegattennachzug ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. [...]

1) Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug ist - ungeachtet der bereits im Mai 2006 erfolgten Antragstellung - § 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 i.V.m. §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 - Richtlinienumsetzungsgesetz - (BGBl. I S. 1970; neu gefasst durch Bekanntmachung vom 25. Februar 2008, BGBl. I S. 162). Abzustellen ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz, soweit es wie hier um die Erteilung einer Erlaubnis aus Rechtsgründen geht (BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - 1 C 43/06 -, NVwZ 2008, 333; OVG Berlin, Urteil vom 24. September 2002 - 8 B 3.02 -, OVGE 24, 128). [...]

b) Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist es Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Ehegatten eines Ausländers, dass der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann. Die Anforderung ist gemäß § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG auch auf den ausländischen Ehegatten eines Deutschen anzuwenden.

Mit der Vorschrift sollen nach der Begründung des Richtlinienumsetzungsgesetzentwurfs der Bundesregierung vom 23. April 2007 (vgl. BT-Drs. 16/5065, S. 173 f.) die Betroffenen dazu angeregt werden, sich bereits vor ihrer Einreise einfache Deutschkenntnisse anzueignen und dadurch ihre Integration im Bundesgebiet zu erleichtern. Daneben steht ausweislich der Gesetzesmotive der Schutz von Opfern von Zwangsverheiratungen im Mittelpunkt der Regelung. Bereits präventiv sollen derartige Verheiratungen verhindert werden, indem die durch den Spracherwerb gestärkten Frauen weniger leicht zu Opfern werden. Jedenfalls soll den Opfern durch den Spracherwerb ein eigenständiges Sozialleben in Deutschland ermöglicht und der Zugang zu Hilfsangeboten von Anfang an erleichtert werden.

Was das Niveau der erforderlichen Sprachkenntnisse angeht, so soll es nach den Gesetzesmotiven allein erforderlich sein, sich auf "zumindest rudimentäre Weise" im Gastland verständigen zu können (BT-Drs. 16/5065, S. 174). Nach den vom Bundesministerium des Innern herausgegebenen Hinweisen zum Richtlinienumsetzungsgesetz entspricht die gesetzliche Voraussetzung der Definition des Sprachniveaus der Stufe "A1" der kompetenten sprachanwendung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens des Europarats - GER (Bundesministerium des Innern [Hg.], Hinweise zum Richtlinienumsetzungsgesetz, Stand: 18.12.2007 [veröffentlicht unter www.bmi.bund.de], Rz 210 ff.). Die Stufe A1 GER beinhaltet danach als unterstes Sprachstandsniveau die folgenden sprachlichen Fähigkeiten:

"Kann sich mit einfachen, überwiegend isolierten Wendungen über Menschen und Orte äußern. Kann sich auf einfache Art verständigen, doch ist die Kommunikation völlig davon abhängig, dass etwas langsamer wiederholt, umformuliert oder korrigiert wird. Kann einfache Fragen stellen und beantworten, einfache Feststellungen treffen oder auf solche reagieren, sofern es sich um unmittelbare Bedürfnisse oder um sehr vertraute Themen handelt, z.B. wo sie/er wohnt, welche Leute sie/er kennt oder welche Dinge sie/er hat."

Das beschriebene Sprachniveau ist nach Auffassung des Senats geeignet, die in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG geforderte Fähigkeit der Verständigung in deutscher Sprache auf einfache Art näher zu bestimmen. Es macht insbesondere deutlich, dass an die Verständigung auf einfache Art keine überhöhten Forderungen zu stellen sind. Eine genauere grammatikalische Beschreibung der Anforderungen, wie sie das Verwaltungsgericht im Ausgangsurteil vorgenommen hat (Fähigkeit zur Bildung und zum Verständnis von Sätzen mit Subjekt, Prädikat und Objekt), erhöht die Ansprüche an das erforderliche Sprachniveau, ohne dass dafür Anlass besteht, und ist der Prüfung der Sprachkenntnisse nicht zugrunde zu legen.

Die Fähigkeit, sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können, umfasst auch eine einfache schriftliche Verständigung in deutscher Sprache (ebenso VG Berlin, Urteil vom 23. Juli 2008 - 15 V 3.08 -, juris Rz 28 ff.). Dafür spricht schon, dass das Aufenthaltsgesetz an anderer Stelle Kenntnisse der deutschen Sprache fordert, unter bestimmten Voraussetzungen allerdings die mündliche Verständigung genügen lässt (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 5 AufenthG). Im Gesetz kommt es mithin zum Ausdruck, wenn mündliche Kenntnisse genügen (vgl. zur parallelen Problematik im Staatsangehörigkeitsrecht, BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 5 C 8.05 -, juris Rz 14). Vor allem spricht für die Forderung auch einfacher schriftlicher Kenntnisse der Gesetzeszweck der Integrationsförderung. Um ihn zu erreichen, ist die Fähigkeit, einfache Texte in deutscher Sprache lesen und schreiben zu können, von besonderer Bedeutung. Nicht nur im Umgang mit Behörden, sondern auch zur Teilhabe am sonstigen sozialen Miteinander und am wirtschaftlichen Leben in Deutschland erscheint die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben geradezu unabdingbar.

Der Nachweis einfacher Sprachkenntnisse im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist nicht auf die Vorlage eines Zertifikats SD1 des Goethe-Instituts oder der von diesem lizensierten Partner beschränkt. Das Erfordernis eines in dieser Art spezifizierten Nachweises lässt sich weder dem Gesetz entnehmen, noch dürfte es geboten sein. Davon geht auch die Beklagte aus, wenn sie in ständiger Praxis bei offensichtlich vorhandenen, im Gespräch mit behördlichen Mitarbeitern belegten Sprachkenntnissen auf die Vorlage eines Zertifikats verzichtet. Nach Auffassung des Senats gelten einfache Sprachkenntnisse jedenfalls als nachgewiesen, wenn ein solches Zertifikat vorgelegt wird.

c) Die Klägerin vermag die so näher bestimmte Anforderung, sich auf einfache Art - mündlich und schriftlich - in deutscher Sprache verständigen zu können, nicht zu erfüllen. [...]

d) § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

Die Vorschrift verletzt keine die Klägerin schützenden höherrangigen Rechte, soweit sie Sprachanforderungen als Voraussetzung des Nachzugs von ausländischen Ehegatten zu Deutschen festlegt. Dies entspricht der - soweit ersichtlich - durchgängig in der Rechtsprechung sowie einem Teil der Literatur vertretenen Ansicht (vgl. VG Berlin, Urteil vom 28. Januar 2009 - 2 V 76.07 -, EA S. 7 ff.; Urteil vom 23. April 2008 - 3 V 49.07 -, juris 20 ff.; Urteil vom 23. Juli 2008 - 15 V 3.08 -, juris Rz 36; Urteil vom 10. November 2008 - 12 V 88.07 -, juris Rz 23 ff. und Urteil vom 10. Dezember 2008 - 12 V 20.07 -, juris Rz 24 ff.; VG Koblenz, Beschluss vom 22. August 2008 - 3 L 849/08.KO -, juris Rz 6; VG Oldenburg, Urteil vom 7. November 2007 - 11 A 147/06 -, juris Rz 16; VG Frankfurt a.M., Urteil vom 16. Februar 2009 - 1 K 4071/08.F -, juris Rz 16 ff., zweifelnd: OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 1. Juli 2008 - 11 S 38.08 -, EA S. 3 ff.; Hillgruber, ZAR 2006, 304; Hailbronner, AuslR, Kommentar, Stand: Dezember 2008, § 30 AufenthG Rz 43 ff.; ders., FamRZ 2008, 1583; Breitkreutz/Franßen-de la Cerda/Hübner, ZAR 2008, 381, 383 f.; differenzierend Thomas, SächsVBl. 2009, 56, 60; a.A.: Göbel-Zimmermann, ZAR 2008, 169, 172 f.; Marx in GK-AufenthG, Stand: Februar 2009, § 30 Rz 65 ff.; ders., Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestags zum Entwurf des Richtlinienumsetzungsgesetzes, 16. Mai 2007, Innenausschuss A-Drs. 16(4)209 D, 4 ff.; ders., InfAuslR 2007, 413, 415 ff.; Dienelt, Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestags zum Entwurf des Richtlinienumsetzungsgesetzes, Innenausschuss A-Drs. 16(4)209 H, 5 f.; Kingreen, ZAR 2007, 13, 18 f.; Markard/Truchseß, NVwZ 2007, 1025, 1026 ff.; Fischer-Lescano, KJ 2006, 236, 241).

aa) Die Sprachanforderungen verletzen die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG.

Der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG ist allerdings berührt. [...]

Die Verknüpfung der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug mit dem Nachweis einfacher Sprachkenntnisse berührt den so beschriebenen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG bereits insofern, als er das Recht auf ein eheliches und familiäres Zusammenleben umfasst. Denn dieses Recht drückt sich gerade auch in der Möglichkeit des häuslichen Zusammenlebens aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. -, NJW 1988, 626, 627). Auch mit dem ggf. bestehenden Zwang des deutschen Ehegatten zum Verlassen des Landes, der sich mittelbar ergibt, wenn sein ausländischer Partner die Anforderungen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt, berührt die gesetzliche Regelung den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG.

Die Forderung einfacher Sprachkenntnisse stellt allerdings weder einen Eingriff in die Institutsgarantie noch - anders als das Verwaltungsgericht meint - einen Eingriff in das Freiheitsrecht des Art. 6 Abs. 1 GG dar. Eingriffe sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die staatlichen Maßnahmen, die die Ehe schädigen, stören oder sonst beeinträchtigen könnten (BVerfG, Beschluss vom 3. Oktober 1989 - 1 BvL 78/86 u.a. -, "Schlüsselgewalt", juris Rz 27). Die Annahme eines derartigen Eingriffs bei Reglementierungen des Ehegattennachzugs hat das Bundesverfassungsgericht abgelehnt (Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. -, NJW 1988, 626, 628). Denn Art. 6 Abs. 1 GG begründe nicht einen grundrechtlichen Anspruch von ausländischen Ehegatten auf Nachzug zu ihren berechtigterweise in der Bundesrepublik Deutschland lebenden ausländischen Ehegatten. Das Grundgesetz überantworte es vielmehr weitgehend der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt festzulegen, in welcher Zahl und unter welchen Voraussetzungen Ausländern der Zugang zum Bundesgebiet ermöglicht werde. Diese Festlegungen seien an Art. 6 Abs. 1 GG zu messen, soweit dieser eine wertentscheidende Grundsatznorm enthalte.

Aufgrund der Berührung des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 GG in Gestalt der wertentscheidenden Grundsatznorm sind dem gesetzgeberischen Handeln Grenzen gesetzt. Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinen im Bundesgebiet lebenden nahen Angehörigen ständigen Aufenthalt zu nehmen. [...]

Die genannten Zielrichtungen der Regelung, nämlich die Förderung der Integration und die Bekämpfung von Zwangsverheiratungen, sind offenkundig legitime gesetzgeberische Ziele. Das Spracherfordernis ist auch geeignet, diese Ziele zu erreichen. Ihm liegt die Annahme zugrunde, dass der Erwerb einfacher Sprachkenntnisse durch den ausländischen Ehegatten vor der Einreise nach Deutschland regelmäßig dessen Einfügung in das soziale und wirtschaftliche Leben der Bundesrepublik deutlich verbessern wird. Bei dieser Annahme handelt es sich um eine Einschätzung künftigen Geschehens, die vertretbar und damit von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist. Abgesehen davon erscheint es offenkundig, dass Sprachkenntnisse zur besseren und schnelleren Integration beitragen, indem sie von Beginn an die Teilnahme am sozialen Leben ermöglichen. Soweit die Geeignetheit hinsichtlich der Bekämpfung von Zwangsehen mit dem Argument in Zweifel gezogen wird, dass die Eheschließung unter Zwang selbst nicht verhindert werden könne (Markard/Truchseß aaO, 1027), ist auf die vom Gesetzgeber beabsichtigte mittelbare Wirkung zu verweisen. Aufgrund der Sprachkenntnisse wird die Ausnutzung einer Nötigungslage in Deutschland erschwert. Die insoweit bestehende Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers ist zu respektieren.

Es kann ferner nicht festgestellt werden, dass ein Mittel zur Verfügung gestanden hätte, welches es erlaubte, das gesetzgeberische Ziel in gleich effektiver Weise, aber in einer die Ehe der Betroffenen weniger belastenden Art und Weise zu erreichen. Soweit die damit angesprochene Erforderlichkeit des Spracherfordernisses in Frage gestellt und darauf hingewiesen wird, dass auch eine Verpflichtung zum Spracherwerb erst nach der Einreise in Betracht komme, vermag dies nicht zu überzeugen. Eine derartige Regelung würde sich zwar wegen der schnelleren Zuzugsmöglichkeit und der einfacheren Zugänglichkeit der Lehrangebote in Deutschland als ein gegenüber dem Spracherwerb vor der Einreise milderes Mittel darstellen. Sie wäre allerdings erheblich weniger effektiv. Weder die Teilnahme an einem Integrationskurs nach § 44a AufenthG, die keinen erfolgreichen Abschluss sicherstellt, noch sonstige Sprachkurse in Deutschland, bis zu deren Erfolg notwendigerweise ein gewisser Zeitraum vergehen würde, wären eine gleichwertige Alternative. Derartige Mittel wären im Übrigen erheblich kontrollbedürftig und würden den Spracherwerb damit nicht gleich sicher garantieren.

Die Sprachanforderungen sind auch angemessen. Die Abwägung der Belange der Ehe mit den der angegriffenen Regelung zugrunde liegenden öffentlichen Interessen wird dem Gewicht des Schutz- und Förderungsgebots des Art. 6 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als wertentscheidender Grundsatznorm gerecht. Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber nicht, die Gestattung eines Ehegattennachzugs von geringeren Anforderungen an die Vorbereitung einer Integration in die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Deutschland abhängig zu machen, als

dies durch den Nachweis einfacher Sprachkenntnisse erreicht werden kann.

Dabei ist zunächst das besondere Gewicht, das den mit der Regelung verfolgten Belangen beigemessen werden darf, festzustellen. Dem gesetzgeberischen Ziel der Förderung der Integration ist hohe Bedeutung zuzumessen (vgl. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 1. Juli 2008 - 11 S 38.08 -, EA S. 7 f.). Die Möglichkeit der Einfügung nachziehender Ehegatten in die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen der Bundesrepublik ist nicht nur Voraussetzung für ihre persönliche Fortentwicklung im Gastland, sondern in erster Linie ein soziales und wirtschaftliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist darüber hinaus auch verfassungsrechtlich fundiert: Die Integration ist schon aus sozialstaatlichen Gründen (Art. 20 Abs. 1 GG) anzustreben; sie dient auch der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG). Darüber hinaus ist sie Voraussetzung für eine Teilhabe am politischen Leben der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere an der politischen Meinungsbildung, und lässt sich damit auch auf das Demokratieprinzip zurückführen (Art. 20 Abs. 1 GG). Die Verhinderung von Zwangsverheiratungen berührt darüber hinaus zentrale Grundrechte der Betroffenen, nämlich die Eheschließungsfreiheit (Art. 6 Abs. 1 GG) und mittelbar die sexuelle Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG).

Die die betroffenen nachzugswilligen Ehegatten belastenden Wirkungen der Sprachanforderungen sind zwar nicht gering. Mit Blick auf die hochrangigen öffentlichen Interessen sind sie jedoch hinzunehmen.

Die Sprachanforderungen können für junge Ehen eine Belastung mit sich bringen, da sie dazu führen können, dass eine gewisse Zeit bis zur Herstellung des häuslichen Zusammenlebens vergeht. Weist ein nachzugswilliger Ehegatte die einfachen Sprachkenntnisse indes bereits vor der Heirat oder im zeitlichen Zusammenhang mit dieser nach, entfällt jede Wartezeit. Ist dies nicht der Fall, kann der Zeitraum von wenigen Wochen bis zu - wie hier - mehreren Jahren dauern; nicht ausgeschlossen ist, dass im Einzelfall auch eine dauerhafte Verhinderung des Nachzugs in die Bundesrepublik Deutschland die Folge sein kann. Mit Blick auf die tatsächliche Belastung, nämlich die konkreten Anforderungen und Bedingungen des Spracherwerbs, erweist sich dennoch die Angemessenheit des Spracherfordernisses.

Dies betrifft zunächst den Umstand, dass die dargestellten Anforderungen an den Nachweis einfacher Sprachkenntnisse gering sind. Sie stellen - ungeachtet der sehr unterschiedlichen bildungsmäßigen, kulturellen und muttersprachlichen Voraussetzungen bei den ausländischen Ehepartnern - eine verhältnismäßig niedrige Hürde auf, die in ihren Anforderungen kaum mehr herabzusetzen ist. In zahlreichen Ländern bieten das Goethe-Institut und vielfältige weitere Sprachschulen Sprachkurse an. Solche Sprachkurse stehen weiter über verschiedene Medien zur Verfügung, und zwar grundsätzlich auch in den in Rede stehenden Drittländern. Dort ist mindestens für die regionalen Zentren regelmäßig von einer Zugänglichkeit des Internet auszugehen. Auch bei fehlendem Internetzugang besteht die Möglichkeit des Zugriffs auf Sprachkurse über Bücher, Audio-Kassetten oder CDs.

Die Art und Weise des Spracherwerbs bleibt den nachziehenden Ehegatten im Übrigen freigestellt. Was die finanziellen Aufwendungen für die Absolvierung eines Sprachkurses angeht, so ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Auferlegung eines gewissen finanziellen Aufwands unbedenklich erscheint, wenn es um eine grundlegende Lebensentscheidung wie die Übersiedlung zum Ehegatten in ein anderes Land geht. Zum anderen können sich die ausländischen Ehegatten in der Regel zur Unterstützung an ihren in Deutschland lebenden Ehepartner halten. Im vorliegenden Fall des Nachzugs zu einem deutschen Ehepartner vermag dieser durch (telefonische) Gespräche und brieflichen Kontakt auch den Spracherwerb selbst zu unterstützen. Von Bedeutung für die Angemessenheit der Sprachanforderungen ist ferner die in § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AufenthG vorgesehene Ausnahmeregelung für die nachzugswilligen Ehegatten, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage sind, die Anforderungen zu erfüllen. Für diese Fälle der nicht vom Ehegatten zu beseitigenden Hindernisse beim Spracherwerb wird vom Spracherfordernis abgesehen.

Als Indiz für eine Unangemessenheit der Sprachanforderungen würde es erscheinen, wenn eine Mehrzahl der nachzugswilligen Ehegatten, die sich um die Erlangung und den Nachweis von einfachen Sprachkenntnissen bemühen, im Ergebnis über einen längeren Zeitraum vom Ehegattennachzug ausgeschlossen würde, etwa in Folge eines Fehlens der strukturellen Voraussetzungen zum Erlernen der deutschen Sprache in den Herkunftsländern (so vor allem Marx, InfAuslR 2007, 413, 416 f., ders. in GK-AufenthG § 30 Rz 65, 69, 96). Mit Blick auf Art. 8 Abs. 1 Familienzusammenführungsrichtlinie, der den Mitgliedsstaaten die Normierung einer Wartefrist zum Familiennachzug von zwei Jahren freistellt, könnte die Erheblichkeit bei einer regelmäßiger Überschreitung dieses Zeitraums anzunehmen sein (vgl. Marx, GK-AufenthG, aaO. Rz 91, und in InfAuslR 2007, 413, 416).

Eine Überschreitung dieser Maßgabe lässt sich indes auf der Grundlage der verfügbaren Erkenntnisse zu den Auswirkungen der Sprachanforderungen nicht feststellen. Insbesondere lassen die dazu bisher von der Bundesregierung vorgelegten statistischen Daten eine weite Teile der nachzugswilligen Ehegatten ausschließende Wirkung nicht erkennen (vgl. Antworten der Bundesregierung auf Parlamentarische Anfragen, BT-Drs. 16/7288 vom 27. November 2007, BT-Drs. 16/8175 vom 18. Februar 2008, BT-Drs. 16/9137 vom 7. Mai 2008, BT-Drs. 16/10198 vom 2. September 2008, BT-Drs. 16/10732 vom 29. Oktober 2008, BT-Drs. 16/11997 vom 17. Februar 2009). Zum einen ist zwar von 2006 zu 2008, mithin im Einführungszeitraum der gesetzlichen Regelung, ein Rückgang der Erteilung von Visa zum Ehegattennachzug weltweit um etwas mehr als 20% zu beobachten (von 39.585 auf 30.766, BT-Drs. 16/11997 S. 18 ff.). Seitdem bleibt die Zahl der Erteilungen jedoch im Wesentlichen stabil und steigt in einigen Ländern, wie etwa Indien, wieder erheblich an. Zum anderen liegt die Erfolgsquote für die Prüfung SD1 in den Hauptherkunftsländern bei insgesamt deutlich über 50%, nämlich - ermittelt von Januar bis August 2008 - bei rund 60% (nicht differenziert nach Erst- oder Wiederholungsversuch, BT-Drs. 16/10732 S. 24 f.). Die Erfolgsquote für Teilnehmer, die vorher einen Sprachkurs des Goethe-Instituts besucht haben ("Goethe-Interne"), lag im gleichen Zeitraum bei 73% weltweit. In Indien absolvierten von Januar bis August 2008 73% aller Prüflinge sowie 79% der "Internen" den SD1-Test erfolgreich (BT-Drs. 16/11997 S. 24 ff.).

Auch der vorliegende Einzelfall bietet keinen Anlass, die Angemessenheit der Sprachanforderungen hinsichtlich der Person der Klägerin in Zweifel zu ziehen. [...]

Darüber hinaus gehende - hier nicht gegebene - besondere Fallkonstellationen bedürfen vorliegend keiner Entscheidung. Insbesondere in Fällen, in denen auch Kinder des deutschen Ehegatten - etwa aus erster Ehe - wegen der Herstellung der ehelichen Gemeinschaft im Ausland das Bundesgebiet verlassen müssten oder der deutsche Ehegatte gezwungen wäre, sich zwischen der häuslichen Gemeinschaft mit seinem ausländischen Ehepartner und dem weiteren Umgang mit seinem in Deutschland lebenden Kind zu entscheiden, erscheint es zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich das Fehlen einer über § 30 Abs. 1 Satz 2, 3 AufenthG hinausgehenden Ausnahmeregelung mit Blick auf die Schutzwirkung des Art. 6 Abs. 1 GG als unverhältnismäßig erweisen könnte. Selbst das Scheitern einer - gegebenenfalls vorrangig zu prüfenden - verfassungskonformen Auslegung und die etwaige Annahme einer Verfassungswidrigkeit in derart gelagerten Ausnahmefällen würde jedoch nicht dazu führen, dass die Regelung des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG insgesamt verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre. Ein Verfassungsverstoß wäre gegebenenfalls allein insoweit festzustellen, als das Aufenthaltsgesetz keine derartige Konstellationen erfassende Härtefallregelung enthält (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. März 2006 - 1 BvR 1750/01 -, "Langzeitstudiengebühren", juris Rz 25).

bb) Das Spracherfordernis verletzt weder das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG noch den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. [...]

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, zwei im Wesentlichen gleiche Sachverhalte nicht ohne hinreichend gewichtigen Grund unterschiedlich zu behandeln (BVerfG, Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 11/94 u.a. -, "DDR-Rentenanwartschaften", BVerfGE 100, 138, 174). Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt grundsätzlich jede vernünftige Erwägung in Betracht. [...]

Nach diesem Maßstab ist ein die Klägerin treffender Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot nicht festzustellen.

Allerdings wird durch die für bestimmte Personengruppen geregelten Ausnahmen vom Spracherfordernis beim Ehegattennachzug zwischen verschiedenen Zuwanderergruppen im Hinblick auf die Notwendigkeit des Nachweises von Sprachkenntnissen unterschieden. So müssen nach § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG diejenigen ausländischen Ehegatten keine Sprachkenntnisse nachweisen, die für die Einreise auch kein Visum benötigen (sog. Positivstaatler). Dabei handelt es sich um die Staatsangehörigen von Australien, Israel, Japan, Kanada, der Republik Korea, von Neuseeland und der Vereinigten Staaten von Amerika sowie die Staatsangehörigen von Andorra, Honduras, Monaco und San Marino, die keine Erwerbstätigkeit ausüben wollen (§ 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Aufenthaltsverordnung - AufenthV -). Diese Ungleichbehandlung trifft die Klägerin unmittelbar, da sie allein aufgrund des von ihr nicht beeinflussbaren Umstandes nicht von der Ausnahme profitiert, dass sie Staatsangehörige Indiens ist und Indien nicht zu den in § 41 AufenthV genannten Staaten gehört.

Auch gegenüber den durch § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 AufenthG Privilegierten wird die Klägerin ungleich behandelt. Nach dieser Vorschrift gelten die Sprachanforderungen nicht für Ehegatten, bei denen ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne der Integrationskursverordnung besteht oder die aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch auf Teilnahme an einem Integrationskurs hätten. Dies betrifft vor allem Personen, die eine Hoch- oder Fachhochschulausbildung oder eine entsprechende Qualifikation besitzen oder eine Erwerbstätigkeit ausüben, die regelmäßig eine solche Qualifikation erfordert, und gilt auch dann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich der Ausländer ohne staatliche Hilfe in das wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Leben der Bundesrepublik Deutschland einfügen wird (vgl. zum Teilnahmeanspruch § 4 Abs. 2 IntV). Weiter sind nach § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG vom Spracherfordernis ausgenommen die Ehegatten von Ausländern, die einen Aufenthaltstitel als Hochqualifizierter, Forscher oder Selbständiger besitzen. Ehegatten von Unionsbürgern brauchen gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 6, § 3 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern vom 30. Juli 2004 (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU -) keine Sprachkenntnisse nachzuweisen.

Die genannten Ausnahmevorschriften betreffen verschiedene Personengruppen und berühren zudem den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG. Die Grenze der gesetzgeberischen Freiheit ist dabei nicht erst bei Vorliegen von Willkür, sondern bereits dann erreicht, wenn sich für eine Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden lässt (BVerfG, Beschluss vom 15. März 2000 - 1 BvL 16/96 u.a. -, "Gesundheitsstrukturgesetz", juris Rz 72). Vorliegend besteht jedoch eine derartige sachliche Rechtfertigung.

Grund für die abweichende Behandlung der visumfrei einreisenden Personen nach § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG gegenüber den Angehörigen anderer Staaten ist ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs die Rücksichtnahme auf die bedeutenden wirtschaftlichen Beziehungen, die Deutschland zu den Staaten, für die die Visumfreiheit gilt, unterhält (BT-Drs. 16/5065, S. 175 li.Sp.). Auch außenpolitische Rücksichtnahmen gegenüber diesen Staaten können zur Rechtfertigung herangezogen werden. Diese Gründe für die Freistellung einer großen Personengruppe vom Spracherfordernis erscheinen gemessen am Grad der Ungleichbehandlung noch sachgerecht.

Was die in § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG genannte Personengruppe angeht (Hochqualifizierte, Forscher, Selbständige), so verbindet der Gesetzgeber mit deren Ansiedlung ein erhebliches migrationspolitisches Interesse der Bundesrepublik Deutschland (Motive, BT-Drs. 16/5065, S. 174), da sie Deutschland als Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort stärken und dem Arbeitsmarkt positive Impulse geben sollen. Dieser Differenzierungsgrund, für den ein grundlegender Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers zu berücksichtigen ist, erscheint hinreichend gewichtig, um die Ausnahmeregelung zu rechtfertigen. Die Differenzierung wird weiter durch die - nicht zu beanstandende - Annahme des Gesetzgebers gestützt, dass bei den besonders qualifizierten oder selbständig tätigen Ausländern im Allgemeinen davon ausgegangen werden kann, dass unabhängig vom Nachweis einfacher deutscher Sprachkenntnisse in der Regel keine Integrationsprobleme durch den Nachzug von Ehegatten entstehen.

Die Zuwanderung von Unionsbürgern ist ebenfalls in besonderem Maße migrationspolitisch erwünscht und wäre bei Geltung der Sprachanforderungen unter Umständen gefährdet. Die entsprechende Privilegierung erscheint deshalb sachgerecht. Was schließlich die von § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 AufenthG erfassten Ausländer mit geringem Integrationsbedarf angeht, so liegt es auf der Hand, dass sie vor dem Hintergrund des Gesetzeszweckes der Integrationsförderung unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots keinen Bedenken unterliegt.

cc) Es verstößt ferner nicht gegen das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Vertrauensschutzgebot, dass § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG - wie im Fall der Klägerin - ohne Übergangsregelung auch bei bereits vor dem Inkrafttreten der Neuregelung begonnenen Verfahren Anwendung findet. Die Vorschrift entfaltet keine echte Rückwirkung, da sie nicht gestaltend in einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt eingreift. Im Fall einer unechten Rückwirkung geht der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz jedoch nicht so weit, den Bürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Der Einzelne kann sich nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber billigerweise nicht beanspruchen kann. Dabei ist abzuwägen zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens des Einzelnen und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit (BVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 1968 - 1 BvL 7/62 -, juris Rz 33 ff.). Diese Abwägung ergibt hier, dass der Gesetzgeber die Grenzen, die seiner Gestaltungsfreiheit durch das Vertrauensschutzgebot gezogen sind, ungeachtet des Fehlens einer Übergangsregelung nicht überschritten hat. Mit den nunmehr vor der Einreise nachzuweisenden Sprachkenntnissen soll - wie bereits ausgeführt - die Integration der Ausländer in die Bundesrepublik gefördert werden, ein - schon mit Blick auf die wirtschaftliche Eingliederung der nachziehenden Ehegatten - Allgemeininteresse von besonderem Gewicht. Diesem ist das Interesse der Eheleute auf sofortige Herstellung der ehelichen Gemeinschaft während einer Übergangsfrist unterzuordnen.

dd) Die Vorschrift des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG begegnet auch unter europa- und völkerrechtlichen Gesichtspunkten keinen Bedenken.

Das Spracherfordernis verstößt in gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht nicht gegen die Richtlinie RL 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (Familienzusammenführungsrichtlinie, Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 251/12 vom 3. Oktober 2003 S. 0012-0018) (ebenso vor allem Hailbronner, FamRZ 2005, 1, 5; a.A.: Marx, in GK-AufenthG, Stand: Februar 2009, § 30 Rz 74 ff.). Deren Art. 7 Abs. 2 sieht in Gestalt einer Freistellungsklausel vor, dass die Mitgliedstaaten gemäß dem nationalen Recht von Drittstaatsangehörigen verlangen können, dass sie Integrationsmaßnahmen nachkommen müssen.

Soweit vertreten wird, dass Art. 7 Abs. 2 Satz 1 Familienzusammenführungsrichtlinie lediglich Maßnahmen wie die Bereitstellung bestimmter Angebote als Voraussetzung der Erteilung einer Nachzugsgenehmigung ermögliche (vgl. Groenendijk, European Journal of Migration and Law 2006, 215, 223 f.; ders, ZAR 2006, 191, 195 f.), vermag dies nicht zu überzeugen. Zwar dürfte sich der zur Begründung angeführten Entstehungsgeschichte des Art. 5 der Richtlinie RL 2003/109/EG vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (Daueraufenthaltsrichtlinie) der Wille zu einer gewissen Beschränkung der Befugnisse der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Ausformung von Integrationsregeln entnehmen lassen. Es erscheint jedoch zweifelhaft, auf die historische Auslegung einer anderen Richtlinie abzustellen und daraus herzuleiten, den Richtlinien liege ein übergreifendes, trennscharfes Begriffssystem zugrunde. Unabhängig hiervon gibt jedenfalls der Wortlaut des § 7 Abs. 2 Familienzusammenführungsrichtlinie - auch unter Berücksichtigung dieser Einschränkungsabsicht - nichts dafür her, dass der geforderte Nachweis einfacher Sprachkenntnisse vor der Einreise unzulässig sein soll. Aus der Formulierung des Art. 7 Abs. 2 Satz 2 Familienzusammenführungsrichtlinie, nach dem auf Flüchtlinge die Integrationsmaßnahmen nach Satz 1 erst nach Gewährung der Familienzusammenführung Anwendung finden können sollen, lässt sich vielmehr schließen, dass Satz 1 auch Erfordernisse meint, die vor Gestattung des Familiennachzuges erfüllt sein müssen.

Das Spracherfordernis verletzt schließlich nicht die der Klägerin aus Art. 8 EMRK zustehenden Rechte (ebenso vor allem Hailbronner, FamRZ 2008, 1583, 1587). [...]

In der Grundkonstellation des Nachzugs sind die Ehegatten gerade nicht unausweichlich auf ein eheliches Zusammenleben in der Bundesrepublik Deutschland angewiesen. Das Spracherfordernis als solches hat auch keine ehegefährdende Wirkung. Vorliegend ist nicht erkennbar, dass die Aufrechterhaltung der ehelichen Beziehung der Klägerin und des Beigeladenen zu 2 ausschließlich durch die Erteilung einer Nachzugserlaubnis erreicht werden kann. Zunächst kann die Klägerin die eheliche Gemeinschaft in Deutschland herstellen, sobald sie einfache deutsche Sprachkenntnisse nachgewiesen hat. Sie hat - wie bereits ausgeführt - nicht dargelegt, dass ihr dies prinzipiell nicht möglich ist. Für den Fall, dass der Klägerin den Nachweis dauerhaft nicht erbringen sollte, besteht auch die Möglichkeit, dass der Beigeladene zu 2 die eheliche Gemeinschaft durch Zuzug zu seiner Ehefrau nach Indien herstellt. [...]