OLG Karlsruhe

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Zitieren als:
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20.04.2009 - 11 Wx 38/09 - asyl.net: M15622
https://www.asyl.net/rsdb/M15622
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Verhältnismäßigkeit, Übernahmeersuchen, Beschleunigungsgebot, Mitwirkungspflichten, Ausländerbehörde, Feiertag
Normen: AufenthG § 62 Abs. 2
Auszüge:

[...]

Die sofortige weitere Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts, die Verlängerung der Abschiebehaft wegen vermeidbarer Verzögerungen des behördlichen Verfahrens zu verweigern, hält der nach § 27 FGG allein möglichen Überprüfung auf Rechtsfehler stand.

Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung, der der Senat folgt, erfordert das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit, dass die Ausländerbehörde alles ihr Mögliche unternimmt, um entweder die Abschiebungshaft zu vermeiden oder diese zumindest auf einen möglichst kurzen Zeitraum zu beschränken. Die Ausländerbehörde ist deshalb insbesondere verpflichtet, ohne Aufschub und Beschleunigung alle notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um für den Betroffenen die zur Ausreise erforderlichen Ersatzpapiere zu beschaffen. Die Haft ist auf den Zeitraum zu begrenzen, der unbedingt erforderlich ist, um die Abschiebung vorzubereiten und durchzuführen (vgl. zuletzt etwa Senat, Beschluss vom 14. Juni 2007 - 11 Wx 77/07, InfAuslR 2007, 356 m.w.N.). Das Landgericht hat sich ohne Rechtsfehler nicht davon überzeugen können, dass das Beschleunigungsgebot hier hinreichend beachtet worden ist.

1. Das Landgericht weist zunächst darauf hin, dass die Antrag stellende Behörde den Betroffenen erst 11 Tage nach Beginn des Gewahrsams aufgefordert hat, die für ein Rückübernahmeersuchen zusätzlich erforderlichen Angaben zu machen (vgl. Stellungnahme der Beteiligten zu 2 vom 3. April 2009, wonach am 18. Dezember 2008 eine Befragung durch die Abschiebehaftanstalt veranlasst worden sei). Ein rechtfertigender Grund hierfür liegt nicht vor. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht zugrunde gelegt, dass die Antrag stellende Behörde sich nicht darauf berufen kann, die Akte erst am 16. Dezember 2008 erhalten zu haben. Unzuträglichkeiten in der behördlichen Zusammenarbeit dürfen sich nicht zu Lasten des inhaftierten Betroffenen auswirken (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 8. November 2007 - 16 Wx 255/07, FGPrax 2008, 91). Es ist vielmehr Aufgabe der mit der Abschiebehaft befassten Behörden, ihren Geschäftsbetrieb so einzurichten, dass in Haftfällen jede unnötige Verzögerung des Verfahrens vermieden wird. Mit dieser – ersten – Verzögerung setzt sich die sofortige weitere Beschwerde nicht auseinander; sie lässt insbesondere nicht erkennen, warum sie durch eine Verletzung von Mitwirkungspflichten des Betroffenen verursacht sein soll.

2. Auch die weitere Verzögerung – zwischen der Anhörung des Antragstellers im Asylverfahren am 16. Dezember 2008, in der er Angaben zu seinen erweiterten Personalien gemacht hat – und dem Rückführungsersuchen an die UN-Übergangsverwaltung des Kosovo vom 7. Januar 2009 ist weder hinreichend erklärt noch kann sie mit einer Verletzung der Mitwirkungspflicht des Betroffenen gerechtfertigt werden. [...]

b) Soweit die Antrag stellende Behörde in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Landgericht mitgeteilt hat, die Anhörungsniederschrift sei ihr (erst) am 7. Januar 2009 zugegangen, gilt das zu der früheren Verzögerung Ausgeführte. Durch Nutzung moderner Kommunikationsmittel wäre es ohne weiteres möglich gewesen, die Anhörungsniederschrift sofort an die Antrag stellende Behörde zu übermitteln oder dieser zumindest die für die Rückführung erforderlichen Personalangaben vorab mitzuteilen.

c) Dass der fragliche Zeitraum um die Weihnachts- und Neujahrsfeiertage lag, rechtfertigt eine Verzögerung nicht. Die Ausländerbehörden müssen ihren Geschäftsbetrieb zur Erfüllung des Beschleunigungsgebots so einrichten, dass in Haftfällen die erforderlichen Maßnahmen auch in Ferienzeiten oder zwischen den Feiertagen getroffen werden können.

d) Es ist nicht ersichtlich, dass die Verzögerung in diesem Zeitraum durch den Betroffenen verursacht worden ist. Wenn auch dessen Verhalten Auffälligkeiten aufweist – so hat er zunächst angegeben, seine frühere Anschrift im Kosovo nicht zu kennen und erst auf Nachfrage den früheren Wohnort genannt, auch hat er wenig überzeugende Angaben zu einem Schengen-Visum gemacht und einen bereits 2007 ausgestellten Ausweis der UN-Übergangsverwaltung ohne hinreichende Erläuterung der Gründe (erst) am 31. März 2009 in Kopie vorlegen lassen –, erklärt dies nicht, warum die Antrag stellende Behörde das Rückübernahmeersuchen nicht sofort gestellt hat, nachdem der Antragsteller seine Personalien im Asylverfahren angegeben hatte. Wäre dies geschehen, hätten etwaige Falschangaben früher aufgedeckt und ggf. korrigiert und eine Rückführung früher durchgesetzt werden können. Die unterschiedlichen Angaben des Betroffenen über seinen Geburtsort vermögen eine Verzögerung nicht zu erklären, war es doch offenbar möglich – wie im Rückübernahmegesuch geschehen – hierzu alternative Angaben zu machen.

e) Soweit die Antrag stellende Behörde in dem Antrag auf Haftverlängerung bis zum 8. Mai 2009 ausführt, der Betroffene habe die Klärung seiner Identität und die Beschaffung von Ausweispapieren dadurch erschwert, dass er widersprüchliche Angaben über noch im Kosovo lebende, eventuell zur Ausweisübersendung bereite Verwandte gemacht habe, vermag dies die in Rede stehende Verzögerung nicht zu erklären, konnte die Ausländerbehörde doch offenbar das Rückführungsersuchen am 7. Januar 2009 auch ohne einen Ausweis oder eine Kopie hiervon stellen. [...]