VG Saarland

Merkliste
Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 04.03.2009 - 2 K 36/09 - asyl.net: M15429
https://www.asyl.net/rsdb/M15429
Leitsatz:
Schlagwörter: Verfahrensrecht, Verordnung Dublin II, Abschiebungsanordnung, unzulässiger Asylantrag, Selbsteintrittsrecht, subjektives Recht, Familienangehörige, Humanitäre Klausel
Normen: AsylVfG § 27a; AsylVfG § 34a Abs. 1; VO EG Nr. 343/2003 Art. 10 Abs. 1; VO EG Nr. 343/2003 Art. 3 Abs. 2; VO EG Nr. 343/2003 Art. 2 Bst. i; VO EG Nr. 343/2003 Art. 15 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 15.12.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht gemäß § 27 a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und dem Kläger gegenüber in rechtlich nicht zu beanstandender Weise nach § 34 a Abs. 1 AsylVfG die Abschiebung nach Frankreich angeordnet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Verpflichtung der Beklagten, eine erneute Überprüfung vorzunehmen, ob sie von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). [...]

Der Kläger kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagte in seinem Fall das ihr zukommende Ermessen zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO nicht hinreichend ausgeübt habe. Die Beklagte hat insoweit in dem angefochtenen Bescheid vom 15.12.2008 ausgeführt, dass außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO auszuüben, nicht ersichtlich seien. Dies bedeutet, dass die Beklagte vor Erlass der Abschiebungsanordnung die Voraussetzungen für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts geprüft hat. Entgegen der Auffassung des Klägers bedurfte es insoweit keiner weiteren Ausführungen, insbesondere keiner expliziten Erwähnung von Art. 15 Dublin II VO.

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts noch auf eine erneute Überprüfung. Es ist bereits generell fraglich, inwieweit die die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten betreffenden Vorschriften der Dublin II VO subjektive Rechte eines Asylbewerbers enthalten, deren Verletzung gerügt werden kann. Im vorliegenden Fall kann jedoch dahinstehen, ob bzw. inwieweit die Selbsteintrittskompetenz eines EU-Mitgliedsstaats nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO überhaupt ein subjektives Recht eines Asylbewerbers zu begründen vermag oder ob es sich dabei um ein bloßes Recht des einzelnen Unterzeichnerstaates des Dubliner Übereinkommens im Verhältnis zu den anderen Unterzeichnerstaaten handelt zum Streitstand vgl. u.a. VG München, Urteil vom 30.05.2008 - M 16 K 07.51049 - sowie VG Ansbach, Urteil vom 18.07.2008 - AN 19 K 08.30206 m.w.N.; jeweils dokumentiert bei juris.

Denn jedenfalls sind Gründe, die die Beklagte verpflichten könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen oder auch nur eine erneute Prüfung vorzunehmen, hier nicht ersichtlich.

Insbesondere sind keine besonderen humanitären Gründe im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Dublin II VO erkennbar, die Anlass für eine Prüfung des Asylantrags des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland böten. Allein der Aufenthalt mehrerer Verwandter des volljährigen Klägers in der Bundesrepublik Deutschland sowie das Fehlen entsprechender Bezugspersonen in Frankreich reicht dafür nicht aus. Es fehlt bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 Dublin II VO, nach dessen Satz 1 jeder Mitgliedstaat aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige zusammenführen kann. Bei den vom Kläger im vorliegenden Klageverfahren allein angeführten zur Zeit in der Bundesrepublik Deutschland lebenden drei Tanten, von denen eine zwischenzeitlich die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, handelt es sich allesamt nicht um "Familienangehörige" im Sinne von Art. 2 lit. i Dublin II VO. Gemäß dieser Vorschrift versteht die Dublin II VO unter Familienangehörigen in der Regel nur den Ehegatten bzw. unter besonderen Voraussetzungen den nicht verheirateten Lebenspartner des Asylbewerbers, minderjährige, ledige und unverheiratete Kinder sowie bei unverheirateten minderjährigen Asylantragstellern die Eltern oder den Vormund (vgl. auch VG Ansbach, Urt. v. 18.07.2008, a.a.O.).

Besondere Umstände, die im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Dublin II VO Anlass böten, den Kläger ungeachtet der in Art. 2 lit. i Dublin II VO zum Ausdruck kommenden Wertung aus humanitären Gründen ausnahmsweise mit seinen in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Tanten zusammenzuführen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Mangels Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs.1 Dublin II VO bedurfte es insoweit keiner Ermessenserwägungen. [...]