BlueSky

VG Darmstadt

Merkliste
Zitieren als:
VG Darmstadt, Urteil vom 11.12.2008 - 7 E 1457/07 - asyl.net: M15050
https://www.asyl.net/rsdb/M15050
Leitsatz:

Zeiten eines Asylverfahrens werden auch dann auf die Sieben-Jahres-Frist des § 26 Abs. 4 AufenthG für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis angerechnet, wenn nicht unmittelbar im Anschluss an das Asylverfahren eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde; die Übergangsregelung des § 102 Abs. 2 AufenthG ist insoweit nicht anwendbar.

 

Schlagwörter: D (A), Niederlassungserlaubnis, Aufenthaltsdauer, Asylverfahren, Aufenthaltsgestattung, Unterbrechung, Duldung, Übergangsregelung, Zuwanderungsgesetz
Normen: AufenthG § 26 Abs. 4; AufenthG § 102 Abs. 2
Auszüge:

Zeiten eines Asylverfahrens werden auch dann auf die Sieben-Jahres-Frist des § 26 Abs. 4 AufenthG für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis angerechnet, wenn nicht unmittelbar im Anschluss an das Asylverfahren eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde; die Übergangsregelung des § 102 Abs. 2 AufenthG ist insoweit nicht anwendbar.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die Klage ist zulässig und in dem im Tenor niedergelegten Umfange auch begründet. [...]

Dem Kläger steht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu. Zu Unrecht hat der Beklagte das Vorliegen der zeitlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 4 AufenthG verneint. [...]

Dem Kläger kann nicht entgegen gehalten werden, dass eine Anrechnung der Voraufenthaltszeiten nicht erfolgen könne, da er seit sieben Jahren ununterbrochen im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen sein muss.

Zwar wird in der Rechtsprechung aus der Voraussetzung, dass der Ausländer "seit" sieben Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sein muss, unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 102 Abs. 2 AufenthG geschlussfolgert, dass eine Anrechung von Duldungszeiten nur bei einem ununterbrochen Aufenthalt möglich ist (VGH BadenWürttemberg, Beschl. v. 19.05.2008 - 11 S 942/08, InfAuslR 2008, 300; Hess. VGH, Beschl. v. 16.07.2007 - 11 TP 1155/07 –; VG Wiesbaden, Urt. v. 19.12.2007 - 4 E 1199/07 -). Vorliegend geht es jedoch nicht um anrechenbare Duldungszeiten im Rahmen des § 102 Abs. 2 AufenthG, sondern um die Anrechnung von berücksichtigungsfähigen Zeiten i.S. des § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG, die hier den elf Tagen des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis hinzugerechnet werden müssen.

Soweit in der Rechtssprechung die Auffassung (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 19.05.2008 - 11 S 942/08, a.a.O; Hess VGH, Beschl. v. 16.07.2007 - 11 TP 1155/07, a.a.O.; VG Wiesbaden, Urt. v. 19.12.2007 - 4 E 1199/07, a.a.O.) vertreten wird, dass unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 102 Abs. 2 AufenthG eine Anrechnung von Duldungszeiten nur bei einem ununterbrochen Aufenthalt möglich ist, ist zu berücksichtigen, dass diese Vorschrift als Übergangvorschrift konzipiert ist und im Hinblick auf die veränderte Regelung entstehende Härten für eine Übergangszeit ausgleichen wollte (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 04.09.2008 - 18 E 428/08 -; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 19.05.2008 - 11 S 942/08, a.a.O.; VG Wiesbaden, Urt. v. 19.12.2007 - 4 E 1199/07, a.a.O.).

Denn gemäß § 102 Abs. 2 AufenthG wird auf die Frist des § 26 Abs. 4 AufenthG die Zeit des Besitzes einer Duldung vor dem 1. Januar 2005 angerechnet. Duldungszeiten bis zum 01. Januar 2005 sollen danach nur dann angerechnet werden, wenn sich ihnen nahtlos eine Aufenthaltserlaubnis angeschlossen hat oder wenn eine Aufenthaltserlaubnis nach dem 1. Januar 2005 nach nur unbedeutender Unterbrechung von weniger als einem Jahr, also noch im Jahr 2006, erteilt wurde. Die Vorschrift des § 102 Abs. 2 AufenthG ist deshalb nur für eine Übergangszeit von weniger als einem Jahr ab dem 01. Januar 2005 von Bedeutung (VG Wiesbaden, Urt. v. 19.12.2007 - 4 E 1199/07, a.a.O.). Diese Auslegung ist nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung auch gerechtfertigt. Mit ihr soll nämlich sichergestellt werden, dass diejenigen Ausländer, die durch die Neuregelungen des Aufenthaltsgesetzes erstmals einen Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis erlangten, während sie bei unverändertem Sachverhalt zuvor nach den Regelungen des Ausländergesetzes lediglich geduldet werden durften, diesen einheitlich zu beurteilenden zusammenhängenden Zeitraum bei der Berechnung der 7-Jahres-Frist angerechnet bekommen. Dieser Rechtsgedanke ist aber für die Vorschrift des § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG nicht übertragbar. Für die im Rahmen des § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG vorzunehmende Berechnung der Asylverfahrenszeiten findet sich gerade keine Regelung, aus der ein Ausschluss der Anrechnung von Voraufenthaltszeiten abgeleitet werden könnte.

Dem Erreichen der zeitlichen Voraussetzungen steht auch nicht entgegen, dass der Kläger zwischen dem Asylverfahren und der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt lediglich im Besitz einer Duldung war. Da das Asylverfahren der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangen sein muss, lässt derWortlaut die Auslegung zu, dass zwischen dem anrechenbaren Asylverfahren und der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis eine nicht in Form der Aufenthaltserlaubnis geregelte Zeitspanne liegen kann. Der Wortlaut verlangt nicht eine unmittelbare zeitliche Aufeinanderfolge des Asylverfahrens und der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis (so auch für den wortgleichen § 35 AuslG: VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 13.10.1995 - 13 S 628/95 - InfAuslR 1996, 205).

Auch der Sinn und Zweck der Regelung gebietet keinen unmittelbaren Anschluss der Erteilung eines Titels an das anzurechnende Asylverfahren. Der Zweck des § 26 Abs. 4 AufenthG besteht darin, nach langjährigem legalem Aufenthalt die Möglichkeit einer Aufenthaltsverfestigung zu eröffnen (s.a. HessVGH, Beschl. v. 16.07.2007 - 11 TP 1155/07 -; für den wortgleichen § 35 Abs. 1 AuslG: BT-Drucks. 11/6321 [68]) und berücksichtigt, dass der Ausländer die Verfahrensdauer des Asylverfahrens mangels begrenztem Einfluss nicht zu vertreten hat (Burr in GK, § 26 AufenthG Rdnr. 28). Dieser Zweck entfällt nicht dadurch, dass die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis sich nicht unmittelbar an das Asylverfahren anschließt. [...]