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VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 13.11.2008 - 11 K 694/08.A - asyl.net: M14893
https://www.asyl.net/rsdb/M14893
Leitsatz:

Keine Änderung der Sachlage im Sudan, die den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung eines Mitglieds der Democratic Unionist Party (DUP) rechtfertigen würde.

 

Schlagwörter: Sudan, Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, DUP, Democratic Unionist Party, Mitglieder, exilpolitische Betätigung, Änderung der Sachlage, Oppositionelle, Überwachung im Aufnahmeland, Situation bei Rückkehr, Grenzkontrollen, Menschenrechtslage, Haftbedingungen
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Keine Änderung der Sachlage im Sudan, die den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung eines Mitglieds der Democratic Unionist Party (DUP) rechtfertigen würde.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 11. Januar 2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§113 Abs. 1 VwGO). Die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz, der allein als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Widerruf der mit Bescheid vom 14. November 1995 getroffenen Feststellungen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 4 Ausländergesetz vorliegen, in Betracht kommt, sind nicht erfüllt. [...]

In der Person des Klägers haben sich keine wesentlichen Änderungen ergeben, die eine Änderung der Einschätzung der Verfolgungssituation rechtfertigen könnten. Er ist weiter Mitglied der DUP, wie sich aus der von ihm vorgelegten Bescheinigung der Organisation vom 13. August 2007 ergibt. Dabei ist der Kläger für diese Organisation zwar nicht besonders aktiv und insbesondere ist er kein herausgehobenes Mitglied. Etwas anderes hat er auch in der mündlichen Verhandlung nicht behauptet. Insoweit sind aber keine wesentlichen Änderungen zu dem Sachverhalt eingetreten, den das Bundesamt in seinem Bescheid vom 14. November 1995 zugrunde gelegt hat.

Eine Änderung ist auch nicht insoweit eingetreten, als dass nunmehr angenommen werden kann, die Mitgliedschaft des Klägers in der DUP sei sudanesischen Behörden unbekannt geblieben. Das Bundesamt hat in seiner Entscheidung vom 14. November 1995 unterstellt, dass den sudanesischen Behörden die Aktivitäten des Klägers in Deutschland bekannt geworden sind. Dem ist auch das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth in seinem Urteil vom 14. Mai 1996 gefolgt. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Erkenntnisse in Vergessenheit geraten sind.

Geändert hat sich allerdings die Auskunftslage zu der Frage, mit welchen Maßnahmen oppositionelle Rückkehrer im Sudan zu rechnen haben. Ursprünglich hat das Auswärtige Amt in seinem Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Sudan vom 22. Februar 1996 berichtet, Sudanesen würden nach längerem Auslandsaufenthalt einer Regelbefragung durch Sicherheitsdienste unterzogen. Die sudanesische Regierung beobachte - auch über ihre Auslandsvertretungen - politische Aktivitäten von Sudanesen im Ausland. Für heimkehrende Sudanesen, die sich im Ausland offen und damit wahrnehmbar, das heißt, nicht nur im privaten Kreis, regimekritisch betätigt haben, könnten Verfolgungsmaßnahmen bei ihrer Rückkehr nicht ausgeschlossen werden. In seinem bisher letzten Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan vom 26. Juni 2007 hat das Auswärtige Amt demgegenüber nunmehr dargelegt, dass Oppositionsgruppen wie die DUP von der sudanesischen Regierung in einen formalen Dialog eingebunden werden und die frühere Praxis, führende Repräsentanten politischer Gegner durch Repressalien wie Hausarrest oder Inhaftierung auszuschalten, heute nicht mehr gängig ist. Auf das Angebot des Präsidenten Baschir, politischen Gegnern im In- und Ausland Amnestie zu gewähren, insbesondere auch denjenigen, die in der Vergangenheit bewaffneten Widerstand organisiert oder ausgeführt hatten, seien prominente Regierungsgegner aus dem Exil nach Sudan zurückgekehrt.

Aus dieser Änderung der Auskunftslage ergibt sich indes nicht, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Sudan so verändert haben, dass eine Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr in den Sudan nicht mit der notwendigen Sicherheit nicht mehr droht.

Nach wie vor werden Sudanesen vor allem nach einem längeren Auslandsaufenthalt (mehr als 1 Jahr) bei einer Einreise in den Sudan einer Befragung unterzogen, die ihre Veranlassung in der Überprüfung findet, ob der entsprechende Rückkehrer während seines Auslandsaufenthaltes seinen Abgabenverpflichtungen gegenüber dem Sudan nachgekommen ist. Da der Kläger die erwarteten Zahlungen nicht geleistet hat, wird bereits dadurch die Aufmerksamkeit der Behörden auf ihn gelenkt. Hinzu kommen die Dauer seines bisherigen Auslandsaufenthaltes von fast 14 Jahren, seine exilpolitischen Auslandsaktivitäten, die wie ausgeführt den sudanesischen Behörden bekannt geworden sein dürften.

Bei alledem dürfte für die sudanesischen Behörden bei einer Einreise des Klägers eine besondere Veranlassung bestehen, ihn über seinen aufenthaltsrechtlichen Status in der Bundesrepublik Deutschland intensiv zu befragen. Dabei wird bei entsprechender Behandlung des Klägers, zu der sudanesische Behörden - wie noch auszuführen sein wird - in der Lage sind, seine besondere Situation bekannt werden, die er aufgrund seines Asylantrages und der zu §§ 51 Abs. 1 und 53 Abs. 4 AuslG positiven Feststellungen des Bundesamtes in Deutschland hatte. Damit dürfte sich der Kläger von den meisten anderen Einreisenden unterscheiden mit der Folge eines besonderen Interesses der sudanesischen Behörde.

Daraus folgt eine Gefährdung des Klägers, die ihm eine Rückkehr nicht zumutbar macht. Nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes vom 26. Juni 2007 werden im Sudan nach wie vor Personen von den Sicherheitskräften ohne Angabe von Gründen verhaftet und monatelang festgehalten. Die Kontaktaufnahme mit Verwandten oder Rechtsbeiständen wird in vielen Fällen verweigert. Die Praxis, verhaftete Personen an unbekannten Orten festzuhalten, besteht fort. Die Betroffenen werden in Gefängnissen oder in Gebäuden der Sicherheitsbehörden festgehalten. Die Haftanstalten sind dabei überfüllt und weisen menschenunwürdige Zustände auf. Im Sudan gibt es zudem Übergriffe von Polizei, Armee und Sicherheitsdiensten, die Folter mit Todesfolge einschließen können. Aus alledem folgt, dass der Kläger ein unkalkulierbares Risiko einginge, wenn er in den Sudan zurückkehren würde. Hinzu kommt, dass er nach seinem Vortrag, der durch den Inhalt der Ausländerakten bestätigt wird, wiederholt in Deutschland durch den Staatsschutz wegen unterstellter Verbindungen zur Tablighi Jamaat vernommen worden ist. Gerät der Kläger erst mal in das Fadenkreuz der sudanesischen Behörden ist damit zu rechnen, dass er unter dem anzunehmenden Druck auch darüber berichtet und sich seine Situation weiter verschlechtert. [...]