SG Aachen

Merkliste
Zitieren als:
SG Aachen, Urteil vom 03.02.2009 - S 13 EG 28/08 - asyl.net: M14882
https://www.asyl.net/rsdb/M14882
Leitsatz:

§ 1 Abs. 7 BEEG ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

 

Schlagwörter: D (A), Elterngeld, Aufenthaltserlaubnis, Ausreisehindernis, Erwerbstätigkeit, Verfassungsmäßigkeit, Gleichheitsgrundsatz, Diskriminierungsverbot, EMRK
Normen: BEEG § 1 Abs. 7 Nr. 3; AufenthG § 25 Abs. 5; GG Art. 3 Abs. 1
Auszüge:

§ 1 Abs. 7 BEEG ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat keinen Anspruch auf Elterngeld, da sie insbesondere die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 7 Nr. 3 b) BEEG für den geltend gemachten Zeitraum nicht erfüllt.

Zwar ist die Klägerin als nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt; es handelt sich dabei jedoch um eine solche nach § 25 Abs. 5 AufenthG (§ 1 Abs. 7 Nr. 2 c) BEEG). In einem solchen Fall hängt die Anspruchsberechtigung gemäß § 1 Abs. 7 Nr. 3 davon ab, dass die Ausländerin a) sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und b) im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem SGB III bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt. Die Klägerin erfüllt zwar die Voraussetzungen des Buchstaben a), nicht aber des Buchstaben b) der Nr. 3 des § 1 Abs. 7 BEEG. Denn sie ist weder berechtigt erwerbstätig noch bezieht sie laufende Geldleistungen nach dem SGB III noch nimmt sie Elternzeit in Anspruch.

§ 1 Abs. 7 BEEG ist nach Auffassung der Kammer nicht verfassungswidrig (und verstößt auch nicht gegen die EMRK). Die Vorschrift trägt den Vorgaben des BVerfG zu der Erziehungsgeld-Entscheidung vom 06.07.2004 Rechnung, indem sie nicht allein an die formale Art des Aufenthaltstitels, sondern an weitere Kriterien anknüpft, die für den Anspruch einer nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländerin - wie der Klägerin - erfüllt sein müssen. Das BVerfG hat es als legitimes Ziel des Gesetzgebers anerkannt, Erziehungsgeld nur denjenigen Ausländern zukommen zu lassen, von denen erwartet werden kann, dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben; dies gilt entsprechend für das Elterngeld. Das Differenzierungskriterium eines bestimmten Aufenthaltstitels in Kombination mit einem engen Bezug zum Erwerbsleben in Deutschland ist geeignet, diesen Personenkreis adäquat zu erfassen. Zwar wäre der Gesetzgeber nicht gehindert gewesen, die Kriterien weiter zu fassen und bereits die Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit genügen zu lassen, wie sie die Klägerin besitzt. Bei der Gestaltung sozialer Leistungsansprüche steht dem Gesetzgeber jedoch ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Indem er für Ausländer, die eine der in § 1 Abs. 7 Nr. 2 c) BEEG aufgezählten Aufenthaltserlaubnisse besitzen, nicht nur die Berechtigung zu einer Erwerbstätigkeit, sondern weitergehend die tatsächliche Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder - nachgehend - den Bezug von SGB III-Leistungen oder die Inanspruchnahme von Elternzeit verlangt, hat er sich für eine engere Bindung an das Erwerbsleben als nur die Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt entschieden, wie er sie bei Ausländern genügen lässt, die eine Aufenthaltserlaubnis besitzen, die nicht zu den in § 1 Abs. 7 Nr. 2 a) bis d) genannten Aufenthaltstiteln gehört. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Der eindeutige Wortlaut der Vorschrift des § 1 Abs. 7 Nr. 3 b) BEEG ("erwerbstätig ist"), lässt auch eine erweiternde Auslegung, dass die Voraussetzungen dieser Norm bereits erfüllt, wer - wie die Klägerin - zu einer Erwerbstätigkeit berechtigt ist, ohne eine solche tatsächlich auszuüben oder SGB III-Leistungen zu beziehen oder Elterngeld in Anspruch zu nehmen, nicht zu (so aber zum Erziehungsgeld in Bezug auf die Neuregelung des § 1 Abs. 6 Nr. 3 b) BErzGG: SG Würzburg, Urteil vom 28.03.2008 - S 4 EG 49/06; SG Münster, Urteil vom 31.03.2008 - S 2 EG 25/07). [...]