VG Trier

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Zitieren als:
VG Trier, Beschluss vom 08.01.2009 - 1 K 581/08.TR - asyl.net: M14788
https://www.asyl.net/rsdb/M14788
Leitsatz:

Die Landesunterkunft für Ausreisepflichtige in Trier ist keine Aufnahmeeinrichtung i.S.d. § 51 Abs. 1 AsylVfG, so dass eine länderübergreifende Umverteilung in Betracht kommt (hier: Anspruch auf Umverteilung zur Herstellung der der Familieneinheit); keine Einweisung in eine Ausreiseeinrichtung, wenn keine realistischen Chancen auf Beschaffung von Rückreisepapieren absehbar sind.

 

Schlagwörter: D (A), Prozesskostenhilfe, Erfolgsaussichten, Duldung, Umverteilung, abgelehnte Asylbewerber, Ausreisezentrum, Erstaufnahmeeinrichtung, Landesunterkunft Trier, Ermessen, Ermessensreduzierung auf Null, Schutz von Ehe und Familie, räumliche Beschränkung, Auflage, Zuständigkeit, Ausländerbehörde, Passbeschaffung, Passersatzbeschaffung
Normen: AsylVfG § 51 Abs. 1; AsylVfG § 47 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 1; AufenthG § 61 Abs. 1; AsylVfG § 51 Abs. 2;VwGO § 166; ZPO § 114
Auszüge:

Die Landesunterkunft für Ausreisepflichtige in Trier ist keine Aufnahmeeinrichtung i.S.d. § 51 Abs. 1 AsylVfG, so dass eine länderübergreifende Umverteilung in Betracht kommt (hier: Anspruch auf Umverteilung zur Herstellung der der Familieneinheit); keine Einweisung in eine Ausreiseeinrichtung, wenn keine realistischen Chancen auf Beschaffung von Rückreisepapieren absehbar sind.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die mündliche Verhandlung ist wieder zu eröffnen. Nach dem Prozesskostenhilfebeschluss vom 05. Dezember 2008 wäre es für die Beklagte, die in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, überraschend, wenn der Klage nunmehr stattgegeben würde.

Die Kammer hält nicht mehr an der ursprünglich vertretenen Auffassung fest, dass eine länderübergreifende Umverteilung deshalb nicht in Betracht kommt, weil der Kläger bisher verpflichtet war, in der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige in Trier Aufenthalt zu nehmen. Bei dieser Einrichtung handelt es sich nicht auf eine Aufnahmeeinrichtung im Sinne des § 51 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz - AsylVfG -. Nach der Gesetzessystematik ist mit der Aufnahmeeinrichtung im Sinne des § 51 AsylVfG nur eine Einrichtung im Sinne der §§ 44 ff. AsylVfG, also die sogenannte Erstaufnahmeeinrichtung, gemeint. Das sind solche Stellen, in denen der Ausländer nach § 47 Abs. 1 AsylVfG in den ersten sechs Wochen nach Asylantragstellung, längstens jedoch bis zu drei Monaten, zu wohnen hat. Insbesondere zeigt § 49 AsylVfG, dass die Landesunterkunft für Ausreisepflichtige nicht gemeint sein kann. Gemäß § 49 Abs. 1 AsylVfG endet die Verpflichtung, in der Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, wenn - wie in den Fällen der vorliegenden Art - eine Abschiebungsandrohung vollziehbar und die Abschiebung kurzfristig nicht möglich ist. Gerade hieran zeigt sich, dass die Landesunterkunft für Ausreisepflichtige, in der sich gerade solche Ausländer aufhalten, auf die das Vorstehende zutrifft, keine Aufnahmeeinrichtung im Sinne des § 51 Abs. 1 AsylVfG sein kann. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des Gesetzes, kann die Vorschrift auch keine analoge Anwendung finden. Vor diesem Hintergrund ist vorliegend die Möglichkeit einer länderübergreifenden Verteilung eröffnet.

Das der Beklagten eröffnete Ermessen ist vorliegend auf Null geschrumpft. Gemäß § 51 Abs. 1 AsylVfG ist der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten sowie Eltern und ihren minderjährigen ledigen Kindern auch durch länderübergreifende Verteilung Rechnung zu tragen. Die Regelung dient dem Schutz familiärer Belange des Asylbewerbers. Zwar ist die länderübergreifende Verteilung keine zwingende Rechtsfolge, gleichwohl handelt es sich um eine intendierte Ermessensentscheidung (Hailbronner, Asylrecht, § 51 Rdnr. 16; Gemeinschaftskomm. z. AsylVfG, § 51 Rdnr. 5 jeweils m.w.N.), weshalb, wenn kein atypischer Fall vorliegt, den von Art. 6 Grundgesetz getragenen Belangen des Ausländers regelmäßig durch länderübergreifende Verteilung Rechnung zu tragen ist. Hier ist ein atypischer Fall nicht gegeben. Ein solcher liegt insbesondere nicht in dem Umstand der - noch - bestehenden Verpflichtung des Klägers, in der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige seinen Aufenthalt zu nehmen, vor. Die Verpflichtung dort zu wohnen ist nämlich schon nicht mehr rechtmäßig. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist die Unterbringung in einer solchen Einrichtung dann nicht mehr rechtmäßig, wenn eine realistische Chance auf Beschaffung von Rückreisepapieren nicht absehbar ist. Keinesfalls darf sich die Beschränkung des Aufenthalts als Schikane oder strafähnliche Maßnahme darstellen und erst recht nicht auf eine unzulässige Beugung des Willens hinauslaufen ( Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. November 2002 - 7 A 10768/02. OVG; VG Trier, Urteil vom 19. März 2003 - 5 K 1318/02.TR -). Hier ist der Kläger bereits seit dem Jahre 2005 verpflichtet, in der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige seinen Aufenthalt zu nehmen. Die Maßnahme hat nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Es ist nicht absehbar, dass sich in naher Zukunft hieran etwas ändern könnte, weshalb Sinn und Zweck der Unterbringung In der Landesunterkunft den angeordneten Aufenthalt nicht mehr trägt. Die Beklagte ist wegen ihrer Zuständigkeit nach § 51 Abs. 2 AsylVfG auch nicht an die auf der Grundlage des § 61 Abs. 1 AufenthG verfügte räumliche Beschränkung des Aufenthalts gebunden ( Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz § 61 Rz 18ff.; BayVGH, Beschluss vom 13.10.2005 - 24 ZB 05.1954 -).

Das intendierte Ermessen der Beklagten hat sich zu einer einzig rechtmäßigen Entscheidung, nämlich der Umverteilung nach ..., verdichtet. Dem steht zunächst nicht entgegen, dass dem Kläger punktuell und temporär erlaubt wurde, seine Familie in ... zu besuchen. Hierdurch wird den von Art. 6 Grundgesetz und § 51 Abs. 1 AsylVfG geschützten Belangen des Klägers erkennbar nicht hinreichend Rechnung getragen. Aus dem gleichen Grund kann dem Kläger auch nicht entgegengehalten werden, er habe es in der Hand, die Familieneinheit in China dadurch herzustellen, dass er für sich und seine Familie die Ausreise möglich macht. [...]