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VG Gießen

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Zitieren als:
VG Gießen, Urteil vom 17.11.2008 - 10 K 1823/08.GI.A - asyl.net: M14756
https://www.asyl.net/rsdb/M14756
Leitsatz:

Die Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsanordnung gem. § 34 a Abs. 1 AsylVfG wird durch die Rücknahme des Asylantrags vor oder nach Entscheidung des Bundesamts nicht berührt.

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Verordnung Dublin II, humanitäre Klausel, Ermessen, Ermessensreduzierung auf Null, Abschiebungsanordnung, Asylantrag, Rücknahme
Normen: VO Nr. 343/2003/EG Art. 15 Abs. 1; AsylVfG § 34a Abs. 1; AsylVfG § 27a
Auszüge:

Die Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsanordnung gem. § 34 a Abs. 1 AsylVfG wird durch die Rücknahme des Asylantrags vor oder nach Entscheidung des Bundesamts nicht berührt.

(Leitsatz der Redaktion)

[...]

Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist teils unbegründet (1.), teils unzulässig (2.).

1. Soweit der Kläger eine Aufhebung des an ihn gerichteten Bescheids des Bundesamtes vom 26. Juni 2008 begehrt, ist die insoweit zulässigerweise erhobene Anfechtungsklage unbegründet. Der Kläger hat keine Tatsachen dargetan, die die Feststellung des Bundesamts im angegriffenen Bescheid, nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern Rumänien sei nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einen Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50/1 vom 25.2.2003 - "Dublin II"), international zuständig, in Frage stellten und so der erlassenen Abschiebungsanordnung die Grundlage entzöge. Wenn der Kläger meint, die Beklagte hätte nach der humanitären Klausel des Art. 15 Abs. 1 dieser Verordnung die Zuständigkeit für die Behandlung seines Asylantrags an sich ziehen können, so hat das Bundesamt diese Möglichkeit gesehen und sich mit ihr in dem angegriffenen Bescheid in einer Weise auseinandergesetzt, die eine nach § 40 VwVfG, § 114 Satz 1 VwGO fehlerhafte Betätigung des Ermessens nicht erkennen lässt und deshalb jedenfalls vertretbar ist. Unerheblich ist insbesondere, dass das Bundesamt in seinem Bescheid vom 8. Oktober 2008 zu Gunsten eines Bruders des Klägers ein Verbot der Abschiebung hinsichtlich des Irak festgestellt hat, denn nichts ist dafür ersichtlich, dass Umstände vorlägen, die das durch Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 eingeräumte Ermessen auf Null reduzieren würden. Für die Rechtmäßigkeit der nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG erlassenen Abschiebungsanordnung ist weiterhin unerheblich, dass der Kläger seinen Asylantrag unmittelbar vor Vollzug der Abschiebung zurücknahm, denn aus § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG folgt, dass selbst eine vor der Entscheidung des Bundesamtes erklärte Rücknahme des Asylantrags - die solange möglich sein dürfte, solange die Entscheidung des Bundesamtes nicht in formelle Bestandskraft erwachsen ist - den Erlass einer Abschiebungsanordnung nicht hindert; dies muss erst recht für den Fall gelten, dass unmittelbar nach Bekanntgabe der Entscheidung des Bundesamtes die Rücknahme des Asylantrags erklärt wird (vgl. Bundestags-Drucksache 12/4450, S. 23). Entscheidend für die Durchführung der Abschiebung ist nämlich nicht, ob ein Asylbegehren des Ausländers noch vorliegt oder nicht, sondern dass er keinen Aufenthaltstitel hat und ihm der Aufenthalt im Bundesgebiet auch nicht zur Durchführung des Asylverfahrens gestattet ist sowie der Mitgliedstaat, der für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, feststeht und aufnahmebereit ist.

2. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates für sein Asylbegehren zuständig sei, ist die Klage mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig, denn mit der Erklärung seines Bevollmächtigten von 14. Juli 2008 (Bl. 65 BA), den Asylantrag zurückzunehmen, ist das Bestehen eines Rechtsverhältnisses, auf das diese Verordnung anzuwenden wäre, von vornherein ausgeschlossen.