VG Arnsberg

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Zitieren als:
VG Arnsberg, Urteil vom 15.09.2008 - 3 K 2825/06.A - asyl.net: M14671
https://www.asyl.net/rsdb/M14671
Leitsatz:
Schlagwörter: Kosovo, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, Roma, Demenz, Diabetes mellitus, psychische Erkrankung, Depression, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

[...]

Der Bescheid des Bundesamtes vom 10. Juli 2007 ist im noch angegriffenen Bescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Sie hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG -) weder einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens noch einen solchen auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG (früher: § 53 AuslG). [...]

Ein Abschiebungsverbot liegt deshalb nicht vor, wenn im Abschiebungszielland eine dem Standard dieses Landes entsprechende und zugleich noch ausreichende zumutbare Gesundheitsversorgung gegeben ist (vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. September 2004 -13 A 3598/04.A - und vom 15. Oktober 2004 -18 B 2140/03 - (zu § 53 Abs. 6 AuslG)).

Das ist hier der Fall. Das sich aus den ärztlichen Äußerungen ergebende Krankheitsbild der Klägerin ist in ihrer Heimat ausreichend behandelbar, jedenfalls soweit, dass eine Verschlimmerung der Erkrankung sowie ihrer Begleiterscheinungen und erst recht eine solche bis hin zu existenziellen Gefahren verhindert werden kann. [...]

Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben der Klägerin folgt nicht aus dem ihr attestierten "beg. dementiellen Syndrom". Insoweit ist schon nicht ersichtlich, dass die Erkrankung selbst im eigentlichen Sinne überhaupt einer Behandlung - i.S. der Stabilisierung oder Heilung - bedürftig und zugänglich ist.

Die in dem ärztlichen Attest vom 11. Oktober 2007 erwähnte COPD ist im Kosovo behandelbar (Deutsches Verbindungsbüro Kosovo (i.F.: Verbindungsbüro), Botschaftsbericht vom 3. April 2007 an das VG Köln; vgl. ferner: VG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 20. Februar 2008 - 11 A 4582/06 -).

Eine alsbaldige wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei einer Rückkehr in den Kosovo droht der Klägerin auch nicht wegen des bei ihr diagnostizierten Diabetes mellitus. Alle Typen des Diabetes mellitus sind im Kosovo behandelbar (vgl. Auswärtiges Amt Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro (Kosovo) vom 15. Februar 2007 (Stand: Januar 2007) - im Folgenden kurz: Lagebericht -; ferner: VG Arnsberg, Urteil vom 25. Juli 2007, - 10 K 2496/06.A -, m.w.N.), wobei die Behandlung im öffentlichen Gesundheitswesen des Kosovo kostenfrei ist. Die Messung der Blutwerte kann im Universitätsklinikum Pristina kostenlos durchgeführt werden (vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 25. Juli 2007, - 10 K2496/06.A -, m.w.N.).

Es kann davon ausgegangen werden, dass auch diabetologische Begleiterkrankungen im Kosovo behandelbar sind.

Aber auch schwere oder chronische psychische Erkrankungen (bis hin zu sog. posttraumatischen Belastungsstörungen) sind nach ständiger Rechtsprechung der Kammer und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen im Kosovo grundsätzlich behandelbar, so dass es nicht darauf ankommt, ob die behauptete "Depressivität" der Klägerin plausibel gemacht worden ist. [...]

Es ist ferner nicht feststellbar, dass für die Klägerin eine etwa notwendige Behandlung und Medikation im Kosovo nicht erreichbar wäre. Auch Angehörige ethnischer Minderheiten haben grundsätzlich freien Zugang zu allen medizinischen Einrichtungen und lassen sich in den Krankenhäusern behandeln. [...]

In finanzieller Hinsicht haben Patienten für in der sog. "essential drugs list" enthaltene Präparate lediglich Zuzahlungen in geringer Höhe zu zahlen. Darüber hinaus sind bestimmte Personengruppen wie etwa Bezieher sozialhilfeähnlicher Leistungen oder chronisch Kranke - wie die Klägerin - sogar gänzlich von Zuzahlungen befreit (vgl. Verbindungsbüro, Botschaftsbericht vom 19. Februar 2007, a.a.O.).

Es spricht schon alles dafür, dass die Klägerin als chronisch Kranke angesehen werden wird. Sollte sie gleichwohl nicht zur Finanzierung einer notwendigen Behandlung und Medikation in der Lage sein, könnten sie im Kosovo Unterstützung durch Sozialhilfe erhalten. Die Leistungen betragen inzwischen 35 Euro monatlich für eine Einzelperson und bis zu 75 Euro monatlich für Familien (Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O.).

Anhaltspunkte dafür, dass alleinstehende Frauen von Sozialhilfeleistungen ausgenommen wären, gibt es nicht (vgl. AA, Auskunft vom 6. Juni 2005 an das VG Düsseldorf).

Unabhängig davon müsste sich die Klägerin, wenn sie selbst keine Möglichkeiten der Einkommensverschaffung haben sollte, gegebenenfalls um eine Unterstützung durch Angehörige, insbesondere ihre Kinder, sei es durch diejenigen in Deutschland, sei es durch diejenigen im Heimatland, bemühen.

Angesichts der Geburt der Klägerin im Kosovo und ihres langjährigen Aufenthalts dort wird es ihr auch möglich sein, sich - wie wohl für den Bezug von Sozialleistungen erforderlich - registrieren zu lassen. Die Niederlassungsfreiheit ist durch die UNMIK bzw. die Organe der Selbstverwaltung in keiner Weise eingeschränkt.

Im Hinblick auf die nach den Angaben der Klägerin bestehende Zugehörigkeit zur Bevölkerungsgruppe der Roma und deshalb von ihr angenommene Gefahren ist in der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts wie des OVG NRW ebenfalls geklärt, dass Roma angesichts der generellen Schutzbereitschaft und -fähigkeit von UNMIK und KFOR keiner Verfolgung durch die albanische Bevölkerungsmehrheit ausgesetzt sind. Auch im übrigen ist im Kosovo (wie in Serbien) eine Sicherheits- und Versorgungslage gewährleistet, die in hinreichender Weise Schutz vor Angriffen gegen asyl- und abschiebungsrechtlich geschützte Rechtsgüter aller Bevölkerungsteile bietet (vgl. OVG NRW Beschlüsse vom 25. Januar 2007 - 5 A 265/07.A -, 10. Mai 2006 - 5 A 1918/06.A -, und vom 9. Januar 2006 - 14 A 863/05.A -, jeweils m.w.N.). [...]