VG München

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Zitieren als:
VG München, Urteil vom 09.09.2008 - M 4 K 08.2158 - asyl.net: M14616
https://www.asyl.net/rsdb/M14616
Leitsatz:

Ausweisung wegen Verbreitung von CDs mit Propagandaliedern für die HAMAS.

 

Schlagwörter: D (A), Ausweisung, Regelausweisung, terroristische Vereinigung, Unterstützung, HAMAS, Islamische Widerstandsbewegung, CDs, Großhändler, Händler, Propagandamaterial, Verbreitung, Glaubwürdigkeit, Wiederholungsgefahr, Zukunftsprognose, Aufruf zur Gewaltanwendung, Billigung von Gewaltanwendung, Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, freiheitlich-demokratische Grundordnung, Ermessensausweisung, Verstoß gegen Rechtsvorschriften, Terrorismus, Billigung, Werben, Einwirkung auf Kinder oder Jugendliche, besonderer Ausweisungsschutz, schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung
Normen: AufenthG § 54 Nr. 5; AufenthG § 54 Nr. 5a; AufenthG § 55 Abs. 1; AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 2; AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 8a; AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 9; AufenthG § 56 Abs. 1
Auszüge:

Ausweisung wegen Verbreitung von CDs mit Propagandaliedern für die HAMAS.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die Ausweisungsverfügung (Nr. 1 des Bescheids) ist rechtmäßig. [...]

I. Die Ausweisungsverfügung (Nr. 1 des Bescheids) findet in den Regelausweisungstatbeständen des § 54 Nr. 5 und Nr. 5 a AufenthG eine ausreichende Rechtsgrundlage.

1. Nach der Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs – BayVGH – (BayVGH v. 9.5.2005, Az. 24 B 03.3295; v. 25.10.2005, Az.: 24 CS 05.1716; v. 9.11.2005, Az.: 24 CS 05.2421; v. 9.11.2005, Az.: 24 CS 05.2621; v. 7.12.2005, Az.: 24 CS 05.2719), der die Kammer folgt, gelten für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ausweisung folgende Grundsätze:

Nach § 54 Nr. 5 AufenthG wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen.

Der BayVGH hat zur Auslegung dieser Tatbestandsmerkmale bzw. zur bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Vorgängervorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG im Urteil vom 9. Mai 2005 (Az. 24 B 03.3295, DVBl 2005, 1219) ausgeführt: "Zusammenfassend ist der Senat somit der Auffassung, dass eine Ausweisung (...) nur dann möglich ist, wenn

- verwertbare Tatsachen vorliegen, welche dem betroffenen Ausländer vorgehalten und im Zweifelsfall auch belegt werden können;

- diese Tatsachen den Schluss zulassen, dass der Ausländer eine terroristische Organisation unterstützt; Unterstützungshandlung ist dabei jede Handlung, die nicht nur ganz unwesentlich geeignet ist, den Bestand der Organisation zu erhalten, die Verwirklichung ihrer Ziele zu erleichtern oder die Organisation sonst positiv zu beeinflussen; nicht erforderlich ist, dass dies primäres Ziel oder Absicht des Betroffenen ist;

- eine terroristische Organisation bzw. dem internationalen Terrorismus zurechenbare Einheiten oder Netzwerke von dieser Unterstützung tatsächlich in irgendeiner Weise profitieren können, also durch sie gefördert werden;

- auch für die Zukunft davon auszugehen ist, dass die mit der Unterstützung verbundene Förderung zu einer Gefährdung für die Sicherheit der Bundesrepublik führen kann."

In den o.g. nachfolgenden Entscheidungen (z.B. v. 25.10.2005, Az.: 24 CS 05.1716) hat der BayVGH diese Rechtsprechung auch auf die neue Rechtslage nach dem AufenthG für anwendbar erklärt.

Werden diese Grundsätze angewandt, so ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass die in Nr. 1 des Bescheids verfügte Ausweisung des Klägers in § 54 Nr. 5 AufenthG eine ausreichende Rechtsgrundlage findet.

Dabei geht die Kammer in Übereinstimmung mit dem Amtsblatt der Europäischen Union vom 16. Juli 2007 (L 188/21 ff.) und dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2007 (S. 57/58) davon aus, dass es sich bei der vorliegend in Rede stehenden "Islamischen Widerstandsbewegung" (HAMAS) um eine terroristische Vereinigung i.S.v. § 54 Nr. 5, 5a AufenthG handelt. Dies ist auch unter den Beteiligten unstreitig (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 9.9.2008, S. 7). [...]

b) Die unter a) aufgeführten verwertbaren Tatsachen lassen nach Überzeugung des Gerichts den Schluss zu, dass der Kläger eine terroristische Organisation unterstützt bzw. unterstützt hat; Unterstützungshandlung ist dabei jede Handlung, die nicht nur ganz unwesentlich geeignet ist, den Bestand der Organisation zu erhalten, die Verwirklichung der Ziele zu erleichtern oder die Organisation sonst positiv zu beeinflussen; nicht erforderlich ist, dass dies primäres Ziel oder Absicht des Betroffenen ist.

Diese Überzeugung des Gerichts ergibt sich aus folgendem:

In den Liedtexten der vom Kläger vertriebenen CDs werden eindeutig die Ziele der gewalttätigen "Islamischen Widerstandsbewegung" (HAMAS) wiedergegeben. [...]

c) Diese im Einzelnen aufgeführten Tatsachen lassen nach Überzeugung des Gerichts den Schluss zu, dass der Kläger eine terroristische Organisation unterstützt und unterstützt hat.

Von der Verbreitung des oben genannten antijüdischen Propagandamaterials und der Verherrlichung des Märtyrertum sowie dem Aufruf zum Jihad profitiert die "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) nach Überzeugung des Gerichts unmittelbar. Die HAMAS wird zudem in Lied 3 der CD "Volks-Paradiesvögel" ausdrücklich genannt. Die europaweite Verbreitung des Gedankenguts bzw. der Ideologie der "Islamischen Widerstandsbewegung" und die damit verbundene Werbung für die HAMAS ist nicht nur ganz unwesentlich geeignet, die Verwirklichung der Ziele der HAMAS zu fördern und den Bestand der Organisation zu erhalten.

In den vom Kläger verbreiteten und zum Teil sogar selbst produzierten CDs wird den Feinden der Moslems, d.h. den Juden, ein blutiger Kampf angedroht, der nur mit der Vernichtung ihrer Existenz und dem Sieg der Muslime enden kann. Dabei werden die Juden als "Kinder der Schweine" und "Enkel der Affen" verunglimpft.

Durch die Verbreitung der "Kinder-CDs" soll bereits bei Kindern der generationsübergreifende Hass gegen Juden geschürt und diese auf die Ziele der HAMAS eingeschworen werden. Die Gewalttätigkeiten gegen Juden und Andersgläubige und der Märtyrertod werden dabei als etwas Heldenhaftes und absolut Notwendiges, sowie als einzig akzeptable Lösung des Palästina-Konflikts beschrieben.

Der Einwand des Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, wonach der Inhalt der inkriminierten CDs keine spezielle Unterstützung der HAMAS darstellen würde, sondern eine allgemeine antiisraelische Hasspropaganda, kann nicht überzeugen. Zum einen wird die HAMAS ausdrücklich in einem der Liedtexte erwähnt, zum anderen ist es konspirativen Texten oft zu eigen, dass die unterstützte Organisation nicht direkt angesprochen wird.

d) Die objektiven Unterstützungshandlungen sind dem Kläger subjektiv zuzurechnen.

Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führt der BayVGH (v. 9.5.2005, Nr. II 3 g)) sinngemäß hierzu aus, dass eine Unterstützung im Sinne des Ausländerrechts, das auf präventive Gefahrenabwehr zielt und letztlich dem Terrorismus die ideologische Basis entziehen soll, in jedem Handeln liegen kann, das objektiv geeignet ist, sich positiv auf die missbilligten Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auszuwirken. Es sei nicht erforderlich, dass dies primäres Ziel oder Absicht des Betroffenen ist. Gleichwohl kann es nach Meinung der Kammer nicht genügen, wenn jemand nur objektiv einer terroristischen Organisation Hilfe leistet, ohne sich dessen in irgend einer Weise bewusst zu sein (vgl. VG München vom 11.7.2006, Az.: M 4 K 05.3011).

Im vorliegenden Fall hat das Gericht keinerlei Zweifel daran, dass der Kläger den Inhalt der oben aufgeführten CDs kannte. [...]

bb) Der Inhalt der volkverhetzenden CDs entspricht auch der inneren Einstellung des Klägers, wie folgende TKÜ- und Abhör-Protokolle vom 19. April 2004, 23. März 2004 und 7. Mai 2004 eindeutig belegen. [...]

Auch der Eindruck des Klägers in der mündlichen Verhandlung lässt keine andere Schlussfolgerung zu. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung alles pauschal abgestritten, ohne sich konkret einzulassen, seine ihm vorgehaltenen Äußerungen als "männliches Imponiergehabe" abgetan und darauf hingewiesen, dass der Koran das Töten von Menschen verbiete (vgl. S. 3–6 des Sitzungsprotokolls). Dass heutzutage von islamistischen Extremisten Juden und Israelis als Affen und Schweine bezeichnet würden, sei ihm nicht bekannt, dies halte er auch nicht für vertretbar. Weiter betonte er in der mündlichen Verhandlung, er habe kein Problem mit Juden, er kenne viele Juden und habe zu ihnen ein gutes Verhältnis. [...] In Anbetracht dessen gelangt das Gericht zu der Überzeugung, dass die pauschalen und verharmlosenden Aussagen des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht glaubhaft und als reine Schutzbehauptungen zu werten sind. [...]

e) Das Gericht sieht auch für die Zukunft in der Person des Klägers eine Gefahr, die insoweit anzustellende Prognose fällt zu seinen Ungunsten aus.

Ob eine derartige Gefährdung vorliegt, ist nach der Rechtsprechung des BayVGH (v. 9.5.2004, a.a.O., II 4 f), der die Kammer folgt, unter Rückgriff auf den im allgemeinen Polizeirecht entwickelten Gefahrbegriff zu bestimmen. Danach genügen reine Vermutungen nicht. Vielmehr muss eine auf Tatsachen gestützte, nicht bloß entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts bestehen. Bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts ist nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu differenzieren: Je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, umso geringer sind die Anforderungen, die an die Wahrscheinlichkeit gestellt werden können. In Fällen, in denen – wie hier – besonders hochwertige Rechtsgüter auf dem Spiel stehen, kann daher auch schon eine entfernte Möglichkeit eines Schadens die begründete Befürchtung seines Eintritts auslösen (so VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. Mai 2003, Az. 1 S 254/03).

Im vorliegenden Fall ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass sich in der Person des Klägers eine derartige Gefahr realisiert. Durch die Verbreitung der dem Kläger zur Last gelegten CDs unterstützt und fördert der Kläger die HAMAS, eine terroristische Organisation. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Kläger sich endgültig und abschließend von den Inhalten der CDs distanziert hat (vgl. oben). [...]

2. Die Ausweisung des Klägers kann auch auf § 54 Nr. 5a AufenthG gestützt werden.

Nach § 54 Nr. 5a AufenthG wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht.

a) Die freiheitliche demokratische Grundordnung wird insbesondere durch politisch motivierte Verhaltensweisen des Ausländers gefährdet, die auf eine grundlegende Umformung der verfassungsmäßigen Ordnung gerichtet sind und die Grundprinzipien des Grundgesetzes missachten. Zu diesen Grundprinzipien zählt insbesondere die Achtung vor den gesetzlich konkretisierten Menschenrechten (vgl. Hailbronner, § 54 AufenthG, RdNr. 38).

Unter der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ist die innere und äußere Sicherheit des Staates zu verstehen. Der Verstoß muss eine gewisse Intensität aufweisen. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die Funktionsfähigkeit der staatlichen Organe, der Bestand von staatlichen Einrichtungen oder der innere und äußere Frieden gefährdet sind (vgl. Hailbronner, § 54 AufenthG RdNr. 39).

Der Begriff der Gefährdung entspricht der polizeirechtlichen Gefahr. Der bloße Verdacht genügt damit nicht. Erforderlich ist vielmehr eine auf Tatsachen gestützte Prognose, nach der ein Schadenseintritt nicht bloß entfernt möglich erscheint. Angesichts des Stellenwerts der geschützten Rechtsgüter dürfen trotz der Eingriffsintensität keine überzogenen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt werden. Zudem muss die Gefahr von dem Ausländer persönlich ausgehen, da ihr ansonsten durch die Ausweisung nicht wirksam begegnet werden kann (vgl. BayVGH v. 9.11.2005, Az.: 24 CS 05.2621).

Nicht relevant ist der Ort des Eintritts des unmittelbar drohenden Schadens. Er kann sich auch außerhalb der Bundesrepublik befinden (Hailbronner § 54 AufenthG RdNr. 37).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger durch die Verbreitung der volksverhetzenden CDs den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 a Alt. 1 AufenthG erfüllt. In den Liedtexten wird der Einsatz des eigenen Lebens für die Intifada der Palästinenser gegen die israelische Besatzung befürwortet und das Märtyrertum glorifiziert. Bereits Kinder werden dazu aufgerufen, sich am Befreiungskampf zu beteiligen. Dies steht allerdings im drastischen Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, insbesondere zu den grundlegenden Verfassungsprinzipien (vgl. insbesondere die Unantastbarkeit der Menschenwürde in Art. 1 des Grundgesetzes).

Das Verhalten des Klägers gefährdet auch die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Durch die Verbreitung der streitgegenständlichen CDs in Deutschland, welche eindeutig zu Gewalt gegen Andersgläubige, vor allem Juden, aufrufen und den Jihad als individuelle Pflicht für jeden Moslem definieren, wird der innere und äußere Frieden in der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Es werden die in Deutschland lebenden Moslems zum blutigen Kampf gegen Nichtmuslime aufgehetzt. Dadurch dass der Kläger volksverhetzende CDs mit Gedankengut der HAMAS in seinem Lager in Deutschland vorrätig hat und in Deutschland vertreibt (ein Teil der CDs wurde im Islamischen Zentrum ... aufgefunden), geht von ihm selbst eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus. Wo der hier unmittelbar drohende Schaden letztlich eintritt – ob im Bundesgebiet oder beispielsweise in Palästina –, ist unerheblich.

b) Der Regelausweisungsgrund des öffentlichen Gewaltaufrufs in § 54 Nr. 5 a Alt. 2 AufenthG ist lediglich ein Unterfall des Ausweisungsgrundes der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland (§ 54 Nr. 5 a Alt. 1 AufenthG). Erforderlich ist ebenfalls eine auf Tatsachen gestützte Prognose, nach der ein Schadenseintritt für die staatliche und gesellschaftliche Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und die Fähigkeit des Staates, Beeinträchtigungen und Störungen seiner Sicherheit nach innen und außen abzuwehren, nicht bloß entfernt möglich erscheint (vgl. VG Berlin v. 26.4.2007, Az.: 35 A 426.04, juris).

Der Kläger hat durch die Verbreitung der CDs öffentlich zu Gewalt aufgerufen (§ 54 Nr. 5 a Alt. 2 AufenthG), was sich eindeutig aus den oben näher dargestellten Liedtexten ergibt. Die Verbreitung der CDs diente insbesondere auch politischen Zielen, nämlich der öffentlichen Wiedergabe der Ideologie der HAMAS und dem Aufruf zur Intifada gegen die israelische Besatzung. Es wird durch die vertriebenen CDs zu terroristischen Gewaltaktionen aufgerufen. Weiter ist hinlänglich bekannt, dass ein Teil der heutigen Terroranschläge nicht von organisierten Gruppen, sondern von einzelnen "selbst inspirierten" Personen begangen wurde. [...]

II. Die Ausweisung des Klägers konnte auch auf die Ermessensausweisungstatbestände der § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Nr. 8 a und Nr. 8 b AufenthG gestützt werden.

1. Nach § 55 Abs. 1 AufenthG kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt. Er kann nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG insbesondere ausgewiesen werden, wenn er einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat.

Eine vorsätzlich begangene Straftat ist nicht geringfügig in diesem Sinne (vgl. BayVGH v. 15.12.2003, BayVBl. 2004, 403).

Der Kläger wurde durch das Amtsgericht ... vom 25. September 2007 wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt und hat damit den Ausweisungstatbestand nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG verwirklicht. Bei dem Straftatbestand der Volksverhetzung handelt es sich um ein Delikt gegen die öffentliche Ordnung, dessen Verwirklichung einen massiven Verstoß gegen die Rechtsordnung darstellt.

2. Die Beklagte hat die Ausweisung des Klägers zu Recht auch auf den Ermessensausweisungstatbestand des § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 8 a AufenthG gestützt.

Ein Ausländer kann nach § 55 Abs. 2 Nr. 8 a AufenthG insbesondere ausgewiesen werden, wenn er öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht in einer Weise billigt oder dafür wirbt, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören.

Das Billigen oder Werben kann schriftlich erfolgen, wobei es hier nicht auf das gewählte Medium zur Verbreitung ankommt. Auch die Verbreitung durch elektronische Medien ist von Nr. 8 a erfasst. Die Billigung muss sich, wie sich aus der Verwendung des Singulars ("ein Verbrechen") ergibt, auf eine in der Vergangenheit liegende Tat beziehen. Das Werben ist demgegenüber aber auf die Unterstützung einer in der Zukunft liegenden, nicht notwendigerweise Weise konkretisierten Tat gerichtet. Unklar ist bislang, welche terroristischen Taten ein Gewicht aufweisen, das dem der anderen in § 55 Abs. 2 Nr. 8 a AufenthG genannten Taten entspricht. Erfasst sind sicher Taten, die das Töten von Menschen zu politisch begründeten Zwecken beinhalten. Mit dem Billigen und Werben geht regelmäßig eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einher. Im Unterschied zu den anderen Ausweisungstatbeständen des Abs. 2 ging der Gesetzgeber nicht davon aus, dass mit der Verwirklichung des Tatbestandes automatisch die für eine Ausweisung nach § 55 Abs. 1 AufenthG erforderliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder sonstiger erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland impliziert sei. Der Begriff der Störung dürfte mit dem der Beeinträchtigung aus Abs. 1 aber bedeutungsgleich sein. § 55 Abs. 2 Nr. 8 AufenthG fügt sich nur unvollkommen in das System des § 55 Abs. 1 und 2 AufenthG ein, in dem die Tatbestände des Abs. 2 Unterfälle des Auffangtatbestandes des Abs. 1 sind, die diesen konkretisieren, aber nicht erweitern sollen (Hailbronner, § 55 AufenthG, RdNr. 92 ff.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist das Gericht der Auffassung, dass der Kläger den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 8 a AufenthG erfüllt hat.

In den vorliegenden Liedtexten werden Muslime zum Töten von Juden zur Befreiung Palästinas und damit zu terroristischen Taten im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 8 a AufenthG aufgerufen. Versteht man unter Werben für terroristische Taten eine mit Mitteln der Propaganda betriebene Tätigkeit, die auf Wecken oder Stärken der Bereitschaft zur Förderung einer bestimmten Tat gerichtet ist (vgl. VG Berlin v. 22.4.2008, Az.: 35 A 397/07, juris), so hat der Kläger durch den Verkauf der CDs für terroristische Taten geworben. Wie bereits oben dargestellt, wird mit den Liedtexten zum Jihad aufgerufen und das Märtyrertum glorifiziert. Der Kläger hat durch sein Verhalten zudem in der Vergangenheit liegende terroristische Taten gebilligt. In Lied 3 der vom Kläger vertriebenen CD "Volks-Paradiesvögel 2" werden Palästinenser namentlich als Vorbilder benannt, denen es nachzueifern gilt, die durch ihren "Märtyrertod" für die HAMAS und im Kampf gegen die israelische Besatzer Berühmtheit erlangten ("Ich bin der lebende Märtyrer, Muhamad Farhat, ich bin der lebende Märtyrer, Mahmud Abu Hannud, ich bin der lebende Märtyrer, Imad Akl, ich bin der lebende Märtyrer, Said Al-Hotari, ich bin der lebende Märtyrer, Mahmud Hurmusch, ..., ich gehe um Gott in den Gärten des Paradieses zu begegnen ...").

Dadurch dass der Kläger die inkriminierten CDs in Frankreich und Deutschland vertrieben (s.o.) und die Liedtexte auf diese Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat, hat der Kläger überdies öffentlich terroristische Taten gebilligt und für diese geworben.

Die Verbreitung der CDs ist auch zur Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geeignet. Eine Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 54 Nr. 5 a AufenthG ist für die Erfüllung des Tatbestands des § 55 Abs. 2 Nr. 8 a AufenthG nicht erforderlich. Ausreichend ist, wenn durch das Werben für oder das Billigen von Verbrechen das politische Klima in Deutschland aufgeheizt wird bzw. ein die Begehung gleichartiger Taten begünstigendes Klima geschaffen wird (vgl. VG Berlin v. 22.4.2008, Az.: 35 A 397.07, juris). Da oben bereits eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 54 Nr. 5 a AufenthG durch den Kläger bejaht wurde, ist das Verbreiten der streitgegenständlichen CDs zur Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geeignet.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Beachtung der grundgesetzlich geschützten Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG). Fraglich ist bereits, ob das erben für bzw. das Billigen von terroristischen Taten überhaupt vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit erfasst wird. Dies kann letztlich jedoch offen bleiben. Denn die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen der Bedeutung der Meinungsfreiheit und dem Rang des durch die Meinungsäußerung beeinträchtigten Rechtsguts führt in jedem Fall zu einer Rechtfertigung des Eingriffs. Der Kläger hat durch den Handel mit den volksverhetzenden CDs nicht nur seine persönliche Auffassung zu terroristischen Taten kundgetan, sondern den Terrorismus aktiv gefördert. Die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist daher in einem Maße beeinträchtigt, dass die Meinungsäußerungsfreiheit unzweifelhaft zurücktreten muss.

3. Die Ausweisung des Klägers kann außerdem auf den Ermessensausweisungstatbestand des § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 8 b AufenthG gestützt werden.

Ein Ausländer kann nach Absatz 1 insbesondere ausgewiesen werden, wenn er in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören, zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet.

Der Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 8 b AufenthG ist an die Straftatbestände der Volksverhetzung (§ 130 StGB) und der Verleumdung (§ 187 StGB) angelehnt. Die dazu entwickelten Grundsätze sind entsprechend anzuwenden. Unter "Aufstacheln zum Hass" ist danach ein an die Gefühle gerichtetes Verhalten zu verstehen, das beim Adressaten eine emotional gesteigerte Feindseligkeit erzeugen soll, die über bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgeht (vgl. Hailbronner, § 55 AufenthG, RdNr. 94; Tröndle/Fischer, § 130 StGB, RdNr. 4).

Der Kläger ist durch das Amtsgericht ... am 25. September 2007 wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden, da er unter seiner Firma "..." eine Vielzahl von CDs, die zum Hass gegen Teile der Bevölkerung bzw. eine religiöse Gruppe, nämlich Nichtmuslime, vor allem Juden, aufstacheln, zu Gewaltmaßnahmen auffordern und deren Menschenwürde angreifen, zum einen selbst hergestellt und verbreitet, bzw. eingeführt, gelagert und verbreitet hat.

Unter Anwendung oben genannter Grundsätze hat der Kläger durch sein Verhalten den Tatbestand des § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 8 b AufenthG erfüllt. [...]

4. Entgegen den Ausführungen der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid vom ... April 2008 kann der Ermessensausweisungstatbestand des § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 9 AufenthG dagegen nicht als Rechtsgrundlage für die Ausweisung des Klägers herangezogen werden.

Ein Ausländer kann nach § 55 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG insbesondere ausgewiesen werden, wenn er auf ein Kind oder einen Jugendlichen gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige anderer ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken.

Die Beklagte hat hierzu in ihrem Bescheid ausgeführt: "Dass dem Gesetzeswortlaut zufolge lediglich die gezielte Einwirkung auf ein Kind oder einen Jugendlichen zur Erfüllung des Ausweisungstatbestandes erforderlich ist, ändert an der Erfüllung des § 55 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG durch den Kläger nichts. Ein "Übererfüllen" dadurch, dass die vom Kläger vertriebenen CDs zu unzähligen, dem Kläger größtenteils nicht bekannten Kindern gelangen, ist hier unrelevant."

Nach der Gesetzesbegründung zu § 55 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG stellt das in Nummer 9 aufgeführte Verhalten aufgrund seiner generationsübergreifenden Verfestigung von Vorurteilen und seiner Multiplikationswirkung eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder sonstiger Interessen der Bundesrepublik Deutschland dar. Durch die Verwendung des Begriffs des Einwirkens soll eine deutliche Grenze eingezogen und damit sichergestellt werden, dass nicht jede beliebige Handlung dem Ausweisungstatbestand unterfällt. Vielmehr sollen nur solche Handlungen relevant sein, die objektiv geeignet sind, Hass zu erzeugen oder zu verstärken und hierzu zielgerichtet und über einen längeren Zeitraum eingesetzt werden. Dies ergibt sich auch aus der besonderen Zweckregelung, wonach das Einwirken darauf gerichtet sein muss (Gemeinschaftskommentar zum Ausländerrecht, § 55 S. 6).

Wendet man nun diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so muss man feststellen, dass der Gesetzgeber bei Schaffung dieses Tatbestandes nicht den hier vorliegenden Fall vor Augen hatte.

Der Kläger hat die streitgegenständlichen CDs weder direkt an ein Kind oder einen Jugendlichen weitergegeben noch hat er hierzu zielgerichtet und über einen längeren Zeitraum auf ein Kind oder einen Jugendlichen eingewirkt, so dass eine Verwirklichung des Ausweisungstatbestandes des § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 9 AufenthG durch den Kläger ausscheidet. Beim Kläger fehlt es gerade an der erforderlichen Tathandlung des "Einwirkens", vor allem in Anbetracht des Umstandes, dass nach der Gesetzesbegründung zu § 55 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG nicht jede beliebige Handlung zur Erfüllung des Ausweisungstatbestandes ausreichen soll. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid selbst ausgeführt, dass der Kläger die unzähligen Kinder, die die von ihm vertriebenen CDs hören werden, zum größten Teil nicht einmal kennen wird. [...]

IV. Der Kläger genießt besonderen Ausweisungsschutz (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) und kann gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. [...]

a) Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel in den Fällen der § 53 und § 54 Nr. 5, Nr. 5 a und Nr. 7 AufenthG vor. [...]