VG Kassel

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Zitieren als:
VG Kassel, Beschluss vom 15.09.2008 - 4 L 1259/08.KS - asyl.net: M14613
https://www.asyl.net/rsdb/M14613
Leitsatz:

Ein verspätet gestellter Verlängerungsantrag löst nicht die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG aus.

 

Schlagwörter: D (A), Verlängerung, Aufenthaltserlaubnis, verspätete Antragstellung, Fortgeltungsfiktion, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Suspensiveffekt, eigenständiges Aufenthaltsrecht, Kindernachzug
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; AufenthG § 81 Abs. 4; VwGO § 123 Abs. 1; AufenthG § 31
Auszüge:

Ein verspätet gestellter Verlängerungsantrag löst nicht die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG aus.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Der sinngemäß gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage (4 K 987/08.KS) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20.06.2008 anzuordnen, ist unzulässig, soweit die Klage sich gegen die Versagung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis richtet. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines solchen Rechtsschutzantrags wäre nämlich ein rechtzeitiger Antrag zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 01.04.2005 gewesen. In diesem Fall hätte der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG ausgelöst mit der Folge, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO der richtige Rechtsbehelf ist. Von rechtzeitiger Antragstellung kann aber nicht ausgegangen werden. Denn die dem Antragsteller erteilte Aufenthaltserlaubnis vom 01.04.2005 hatte nur bis zum 01.10.2005 Geltung. Der angefochtene Bescheid lehnt aber einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 06.10.2005 ab; erst ab diesem Zeitpunkt sind auch Fiktionsbescheinigungen ausgestellt worden. Dabei geht das Gericht zugunsten des Antragstellers im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes davon aus, dass dieser überhaupt einen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis gestellt hat, was durchaus fraglich sein kann, da sich in den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin ein solcher Antrag nicht findet und dieser auch auf Verfügung des Gerichts vom 04.09.2008 nicht vorgelegt worden ist.

Der danach jedenfalls verspätet gestellte Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis löst die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG nicht aus. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach Voraussetzung der Fiktionswirkung ein Verlängerungsantrag ist. Ist der vorhergehende Aufenthaltstitel aber vor Antragstellung abgelaufen, kommt eine Verlängerung des Titels nicht mehr in Betracht ( Renner, Ausländerrecht, 2005, § 8 AufenthG Rdnr. 11; GK-AufenthG, Stand 2008, § 81 AufenthG Rdnr. 43). Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, wonach die zunächst für die verspätete Antragstellung wie bei § 81 Abs. 3 S. 2 AufenthG vorgesehene Duldung gestrichen worden ist (vgl. im Einzelnen Renner, a.a.O., § 81 Rdnr. 19 ff.), lässt keine andere Auslegung zu. Und in der Sache führte die Annahme, auch die verspätete Antragstellung löse die Fiktionswirkung aus, zu dem nicht nachvollziehen Ergebnis, dass es dann in der Hand des Ausländers läge, zu einem ihm günstig erscheinenden Zeitpunkt durch die Antragstellung die Fiktionswirkung auszulösen (im Ergebnis wie hier Renner, a.a.O., § 81 AufenthG Rdnr. 18 ff.; GK-AufenthG, a.a.O., § 81 Rdnr. 43 ff.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 2008, § 81 AufenthG Rdnr,.25 ff.; a. A. Dienelt, Die Titelfunkton des § 81 Abs. 4 AufenthG bei verspäteter Antragstellung, InfAuslR 2005, 136; OVG Münster, Beschluss vom 23.03.2006 – 18 B 120/06 –, InfAuslR 2006, 448; VG Darmstadt, Beschluss vom 12.04.2006 – 8 G 303/06 –, Juris). Auch die gleichwohl durch die Antragsgegnerin ausgestellten Fiktionsbescheinigungen ändern daran nichts, weil diese nur deklaratorischen Charakter haben (BVerwG, Beschluss vom 03.06.1997 – 1 C 7.96 –, InfAuslR 1997, 391). Soweit erwogen wird, bei nur geringfügig verspäteter Antragstellung zur Vermeidung unzuträglicher Ergebnisse mit einer analogen Anwendung von § 81 Abs. 3 S. 2 AufenhtG zu helfen (Hailbronner, a.a.O., § 81 Rdnr. 81; Renner, a.a.O., § 81 Rdnr. 24), steht dem der Umstand entgegen, dass angesichts der ausdrücklichen Regelung für verspätete Anträge in § 81 Abs. 3 S. 2 AufenthG und der Gesetzgebungsgeschichte eine Gesetzeslücke nicht begründet werden kann (Hailbronner, a. a.O., § 81 AufenthG Rdnr. 28, Renner, a.a.O., § 81 AufenthG Rdnr. 23).

Der hilfsweise gestellte sinngemäße Antrag, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO aufzugeben, bis zur Entscheidung im Klageverfahren keine Abschiebemaßnahmen zu ergreifen, ist dagegen zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Denn auch wenn man davon ausgeht, dass angesichts der abgelaufenen Ausreisefrist ein Anordnungsgrund gegeben ist, hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nämlich nicht glaubhaft gemacht. [...]