VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 15.10.2008 - 11 B 2104/08 - asyl.net: M14465
https://www.asyl.net/rsdb/M14465
Leitsatz:

In den Zeiten eines Aufenthalts auf der Grundlage des § 81 Abs. 4 AufenthG kann eine assoziationsrechtliche Position nicht mehr entstehen, wenn der Verlängerungsantrag abgelehnt wird.

 

Schlagwörter: D (A), Assoziationsratsbeschluss EWG/Türkei, Aufenthaltsdauer, Aufenthaltserlaubnis, Fortgeltungsfiktion, Verlängerungsantrag
Normen: ARB Nr. 1/80 Art. 6 Abs. 1; AufenthG § 81 Abs. 4
Auszüge:

In den Zeiten eines Aufenthalts auf der Grundlage des § 81 Abs. 4 AufenthG kann eine assoziationsrechtliche Position nicht mehr entstehen, wenn der Verlängerungsantrag abgelehnt wird.

(Amtlicher Leitsatz)

 

[...]

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. [...]

Mit der Beschwerdebegründung wird allein die Auffassung des Verwaltungsgerichts angegriffen, der Antragsteller habe aufgrund seiner Beschäftigung bei der Fa. M. seit dem 2. Oktober 2006 kein eigenständiges Aufenthaltsrecht aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 1. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben. Das Verwaltungsgericht erstreckt den Zeitraum einer möglichen "ordnungsgemäßen Beschäftigung" bis zum Ablauf der dem Antragsteller erteilten Aufenthaltserlaubnis am 16. März 2007. Die folgenden Zeiten des durch den rechtzeitigen Verlängerungsantrag ausgelösten fingierten Aufenthaltsrechts aus § 81 Abs. 4 AufenthG bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Verlängerungsantrags sieht das Verwaltungsgericht nicht mehr als ordnungsgemäße, weil nicht durch einen gesicherten Aufenthaltsstatus abgedeckte Beschäftigung an. [...]

Die gegen diese Begründung vorgebrachten Argumente des Antragstellers überzeugen nicht. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (neuestens etwa Urteil vom 24. Januar 2008 - C-294/06 - "Payir") verlangt für eine ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinne des Art. 6 ARB 1/80 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedsstaats und damit auch ein nicht bestrittenes Aufenthaltsrecht (EuGH, a.a.O., Rdnr. 30). Ein solcher unbestrittener Aufenthaltsstatus liegt gerade auch dann nicht vor, wenn der bisherige Aufenthaltstitel gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG lediglich bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend gilt und der Verlängerungsantrag dann abgelehnt wird. Das ist nach Auffassung des Senats so eindeutig aus der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs herzuleiten, dass eine Vorlage dieser Frage an den EuGH fernliegend erschiene. Entgegen der Auffassung des Antragstellers macht es keinen Unterschied, ob es um den Zeitraum bis zur behördlichen Entscheidung oder um den Zeitraum eines Klageverfahrens geht, währenddessen die Vollziehung der Ausreiseverpflichtung ausgesetzt ist. Auch während des Verfahrens der behördlichen Prüfung des Verlängerungsantrags hat der Ausländer kein unbestrittenes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, weil die Frage des Fortbestehens eines Aufenthaltsrechts gerade erst geklärt werden soll (siehe so bereits den Beschluss des Senats vom 26. Juli 2007 zu Art. 7 ARB 1/80 - 11 TG 1414/07 -).

Auch wenn man davon ausgehen wollte, dass der Gesetzgeber mit § 81 Abs. 4 AufenthG ein "neues Rechtsinstitut" (siehe Hailbronner, Ausländerrecht, § 81 AufenthG, Rdnr. 23) bzw. "einen völlig neuen aufenthaltsrechtlichen Status" (Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, § 81 Rdnr. 38 sowie Pfaff, ZAR 2007, 415) geschaffen hat, würde dies keine Veränderung der assoziationsrechtlichen Rechtslage bewirkt haben. Denn nach wie vor gilt nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 81 Abs. 4 AufenthG der bisherige Aufenthaltstitel (lediglich) "bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend". Dies schließt es - wie ausgeführt - aus, hierin ein unbestrittenes Aufenthaltsrecht zu sehen. Mit der neuen Regelung in § 81 Abs. 4 AufenthG wollte der Gesetzgeber nicht bewirken, dass während der behördlichen Prüfung eines Verlängerungsantrags noch weitere Stufen einer Aufenthaltsverfestigung entstehen. Vielmehr sollte sichergestellt werden, dass auch die mit dem Aufenthaltstitel verbundene Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit bis zur Bescheidung des Antrags fortgilt (siehe BT-Drs. 15/420, S. 96), es sollte also der Eintritt von Nachteilen für den Ausländer im Zeitraum der behördlichen Prüfung vermieden werden.

[...]