VG Stuttgart

Merkliste
Zitieren als:
VG Stuttgart, Urteil vom 10.11.2008 - 6 K 2472/08 - asyl.net: M14426
https://www.asyl.net/rsdb/M14426
Leitsatz:

Die Ausländerbehörde darf die Bescheinigung über die in § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG geregelte Fortbestandsfiktion befristen. Sie ist - innerhalb der gesetzlichen Grenzen - frei, wie sie die Bescheinigung gestaltet.

 

Schlagwörter: D (A), Verfahrensrecht, Fiktionswirkung, Fortgeltungsfiktion, Bescheinigung, Form, Befristung, Gebühren, Verhältnismäßigkeit
Normen: AufenthG § 84 Abs. 2 S. 2; AufenthV § 47 Abs. 1 Nr. 9
Auszüge:

Die Ausländerbehörde darf die Bescheinigung über die in § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG geregelte Fortbestandsfiktion befristen. Sie ist - innerhalb der gesetzlichen Grenzen - frei, wie sie die Bescheinigung gestaltet.

(Amtlicher Leitsatz)

 

[...]

Die Klage hat keinen Erfolg. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Ausstellung von Bescheinigungen nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG entsprechend ihrem Klageantrag im Schriftsatz vom 07.10.2008. Sie werden durch die ihnen ausgestellten Bescheinigungen nicht in ihren Rechten verletzt; diese widersprechen keinen Rechtsvorschriften.

Bescheinigungen nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sind keine rechtsgestaltenden Verwaltungsakte, denn sie wirken nur deklaratorisch; sie weisen nämlich lediglich auf die Rechtslage hin, die sich aus § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ergibt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.05.2008 - 13 S 499/08 - m.w.N., Juris, für Bescheinigungen nach § 81 Abs. 5 AufenthG, die insoweit vergleichbar sind). § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG schreibt den Ausländerbehörden nicht vor, wie die Bescheinigung auszusehen hat. Daher sind sie bei der Ausgestaltung und Formulierung der Bescheinigung - innerhalb der gesetzlichen Grenzen - frei; dies gilt auch für den Fall, dass sie darin weitere Hinweise auf die ohnehin geltende Gesetzeslage aufnehmen. Soweit der VGH Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 18.03.2008 - 11 S 167/08 - (InfAuslR 2008, 355) meint, es sei der Vordruck Anlage D 3 zur AufenthV zu verwenden, kann dies lediglich ein (unverbindlicher) Vorschlag zur Gestaltung sein, da das AufenthG darüber nichts aussagt. Es steht der Beklagten mithin frei, die Bescheinigung auch anders zu gestalten, wobei sie vorträgt, die Bescheinigung sei in Abstimmung mit dem Innenministerium Baden-Württemberg und den vier Regierungspräsidien formuliert worden.

Die den Klägern am 23.04.2008 ausgestellten Bescheinigungen, die inzwischen verlängert worden sind, stehen im Einklang mit den Rechtsvorschriften. Im Hinblick auf die Fiktionswirkung wird der Wortlaut von § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG übernommen. Es ist rechtlich unbedenklich, dass der Aufenthaltstitel, der den Klägern zuletzt erteilt wurde, nicht konkret genannt wird (vgl. hierzu Beschluss des Kammervorsitzenden vom 13.08.2008 und Beschluss des VGH Bad.-Württ. vom 15.09.2008 - 13 S 2374/08 -, jeweils im Verfahren wegen Prozesskostenhilfe).

Auch die weiteren Hinweise in den Bescheinigungen entsprechen der Gesetzeslage. Weshalb die von der Beklagten gewählte Form der Bescheinigung diskriminierende Wirkung haben sollte, erschließt sich dem Gericht nicht.

Aber auch die Befristung der Bescheinigungen, gegen die der Prozessbevollmächtigte der Kläger sich vor allem wendet, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Zwar trifft es zu, dass die Fortbestehensfiktion des § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG keine absolute zeitliche Obergrenze hat (vgl. allerdings § 80b VwGO, auf den die Beklagte hinweist). Durch die Befristung der Bescheinigung wird die Zeitdauer der Fiktionswirkung aber nicht berührt, denn die Fiktionswirkung selbst und eine Bescheinigung darüber sind zwei verschiedene Dinge. Auch die Beklagte erkennt die Zeitdauer der Fiktionswirkung an, wie sich aus ihrem Schriftsatz vom 15.10.2008 ergibt. Die Befristung der Bescheinigung hat demgegenüber ausschließlich Kontrollfunktion, denn unbefristete Bescheinigungen sind nun einmal anfälliger für Missbrauch als befristete. Außerdem kann die Beklagte durch die Befristung erreichen, dass die Kläger regelmäßig bei ihr erscheinen und vorsprechen; es kann dann jeweils geprüft werden, ob die Fiktionswirkung des § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG weiter besteht. Trifft dies zu, wird die Bescheinigung ohne weiteres verlängert. Zwar kostet die Verlängerung eine Gebühr (in Höhe von 10 EUR), aber auch dies ist rechtmäßig (§ 47 Abs. 1 Nr. 9 AufenthV).

Zur Richtigkeitskontrolle des gefundenen Ergebnisses zieht das Gericht eine Parallele zur Aufenthaltsgestattung, die gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG zwingend zu befristen ist, obwohl der Asylbewerber während des gesamten Asylverfahrens ein gesetzliches Bleiberecht hat (vgl. zur Kontrollfunktion bei der Bescheinigung nach § 63 AsylVfG Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, § 63 Rdnr. 16 sowie Marx, AsylVfG, 6. Aufl., § 63 Rdnr. 12 f).

Auch die Zeitdauer der Befristung (drei Monate) ist angesichts der Kontrollfunktion und des Zweckes, Missbrauch zu vermeiden, verhältnismäßig.

[...]