FG Münster

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Zitieren als:
FG Münster, Urteil vom 23.10.2008 - 5 K 4269/06 Kg - asyl.net: M14415
https://www.asyl.net/rsdb/M14415
Leitsatz:

Die Einschränkungen des Zugangs zu Kindergeld für Personen, die subsidiären Schutz genießen, steht mit dem Grundgesetz und der Qualifikationsrichtlinie im Einklang.

 

Schlagwörter: D (A), Kindergeld, subsidiärer Schutz, Aufenthaltserlaubnis, Erwerbstätigkeit, Verfassungsmäßigkeit, Anerkennungsrichtlinie, Sozialhilfe, Kernleistungen
Normen: EStG § 62 Abs. 2 Nr. 3; EStG § 62 Abs. 2 Nr. 2; AufenthG § 25 Abs. 3; RL 2004/83/EG Art. 28
Auszüge:

Die Einschränkungen des Zugangs zu Kindergeld für Personen, die subsidiären Schutz genießen, steht mit dem Grundgesetz und der Qualifikationsrichtlinie im Einklang.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Für den Zeitraum ab September 2005 hat die Klin. nach § 62 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 c) EStG n.F. keinen Anspruch auf Kindergeld. Nach dieser Vorschrift erhält ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG besitzt, nur dann Kindergeld, wenn er sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldzahlungen nach dem SGB III bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt.

Die Klin. ist seit dem 29. Juni 2005 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Da sie sich seit dem 16. Februar 2004 gestattet in Deutschland aufhält, ist zwar die Dreijahresfrist seit Februar 2007 abgelaufen. Die Klin, ist jedoch im gesamten streitigen Zeitraum weder erwerbstätig gewesen noch hat sie Leistungen nach dem SGB III bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen. Die von ihr bezogenen Leistungen beruhten auf dem AsylbLG und auf dem SGB II.

Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, sind sowohl die Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG als auch die zeitliche Anwendungsregelung (§ 52 Abs. 61 a Satz 2 EStG) verfassungsgemäß (BFH-Urteile vom 15. März 2007 III R 93/03, BFHE 217, 443, HFR 2007, 672; vom 22. November 2007 III R 54/02, BFHE 220. 45, HFR 2008, 353; vom 21. Februar 2008, III R 79/03, HFR 2008, 709. BFH/NV 2008, 1036). In den beiden letztgenannten Entscheidungen tritt der BFH ausdrücklich den Entscheidungen des Finanzgerichts Köln vom 9. Mai 2007 (10 K 1690/07, EFG 2007, 1247; 10 K 983/04, EFG 2007, 1254) entgegen, das die Neuregelungen für verfassungswidrig hält. Nach dem von der Klin. angeführten Urteil des BVerfG vom 6. Juli 2004 (1 BvL 4/97, BVerfGE 111, 160. HFR 2005, 162) liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, wenn die Gewährung von Kindergeld allein von der Art des Aufenthaltstitels abhängt. Da § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG im Hinblick auf die in § 62 Abs. 2 c) EStG genannten Aufenthaltstitel eine Differenzierung vornimmt, wird gerade nicht mehr allein auf den Aufenthaltstitel abgestellt, so dass nach Auffassung des Senats kein Verfassungsverstoß vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 2007 III R 54/02, BFHE 220, 45. HFR 2008, 353).

Die Klin. hat auch keinen Anspruch auf Kindergeld aus der unmittelbaren Anwendung von Art. 28 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH können in allen Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, diese Bestimmungen gegenüber allen nicht richtlinienkonformen nationalen Vorschriften herangezogen werden (EuGH-Urteil vom 30. April 1996, Rs. C-194/94, Slg. 1996 I-2201, Rn. 42 m.w.N.). Aus Art. 28 der genannten Richtlinie ergibt sich nach Auffassung des Senats nicht, dass Personen mit subsidiärem Schutzstatus einen Anspruch auf Kindergeld haben.

Der Klin., die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG ist, ist unstreitig der subsidiäre Schutzstatus im Sinne der Richtlinie zuerkannt worden. Das nach dem EStG zu gewährende Kindergeld stellt jedoch keine Sozialhilfe im Sinne der Richtlinie dar. Der Begriff der "Sozialhilfe" ist nach den Grundsätzen des Europarechts auszulegen. Danach zeichnet sich die Sozialhilfe dadurch aus, dass das Merkmal der Bedürftigkeit als besondere persönliche Anspruchsvoraussetzung gegeben ist. Dagegen fallen solche Leistungen, die keine Beurteilung nach dem Einzelfall vorsehen, nicht unter die Sozialhilfe (vgl. EuGH-Urteil vom 5. Mai 1983 C-139182, Slg. 1983, 1427, Rn. 11). Das Kindergeld wird dagegen nach § 62 EStG unabhängig davon gewährt, ob der Anspruchsberechtigte bedürftig ist oder nicht.

Selbst wenn das Kindergeld abweichend von dieser Auffassung als "Sozialhilfe" in diesem Sinne anzusehen sein sollte, stellen die in § 62 Abs. 2 EStG vorgenommenen zusätzlichen Voraussetzungen eine zulässige Beschränkung auf Kernleistungen für Personen mit subsidiärem Schutzstatus gemäß Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie dar. Nach der Richtlinie soll sichergestellt werden, dass ein Mindesteinkommen und eine Unterstützung unter anderem bei Elternschaft gewährt wird (vgl. Erwägungsgrund 34). Diese Unterstützungsleistungen werden aber bereits durch die Leistungen nach dem AsylbLG und dem SGB II abgedeckt, die auch der Klin. zustehen und von ihr im streitigen Zeitraum in Anspruch genommen wurden.