Die Abschiebung eines abgelehnten Asylbewerbers in einen anderen Zielstaat als den im Ablehnungsbescheid des Bundesamt angedrohten Staat setzt die vorherige Prüfung von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen durch das Bundesamt voraus; kein berechtigtes Interesse an der vorbeugenden Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebung.
Die Abschiebung eines abgelehnten Asylbewerbers in einen anderen Zielstaat als den im Ablehnungsbescheid des Bundesamt angedrohten Staat setzt die vorherige Prüfung von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen durch das Bundesamt voraus; kein berechtigtes Interesse an der vorbeugenden Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebung.
(Leitsatz der Redaktion)
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Das Vorbringen des Beklagten begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Abschiebung des Klägers nach Guinea am ... 2006 rechtswidrig war. Dem Kläger wurde die Abschiebung in diesen Zielstaat weder angedroht noch sonst wirksam mitgeteilt.
Gemäß § 59 Abs. 1 AufenthG soll die Abschiebung schriftlich unter Bestimmung einer Ausreisefrist angedroht werden. Gemäß § 59 Abs. 2 AufenthG soll in der Androhung der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und soll der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Wird der Ausländer nach Durchführung eines Asylverfahrens – wie hier – nicht als Asylberechtigter anerkannt und besitzt er keinen Aufenthaltstitel, wird die Abschiebungsandrohung von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erlassen (§ 34 Abs. 1 AsylVfG). Eine solche Abschiebungsandrohung ist hier in dem Bescheid des Bundesamtes vom ... 2000 enthalten. Als Staat, in den der Kläger abgeschoben werden soll, wird darin der Staat Burkina Faso genannt. Zwar enthält die Androhung den Hinweis nach § 59 Abs. 2 AufenthG, dass der Kläger auch in jeden anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. Beschl. v. 30.05.2007 – 2 M 153/07 –, Juris) lässt eine solche Androhung aber nicht ohne weiteres eine Abschiebung in einen in der Androhung nicht bezeichneten Staat zu.
Ein Hinweis in der Abschiebungsandrohung nach § 59 Abs. 2 AufenthG, dass ein Ausländer auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, hat keinen Regelungscharakter und entbindet die Behörde nicht davon, dem Ausländer einen konkret ins Auge gefassten neuen Abschiebezielstaat rechtzeitig vorher mitzuteilen, um ihm Gelegenheit zu geben, etwaige Abschiebungshindernisse bezüglich dieses Staats geltend zu machen und gegebenenfalls Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (BVerwG vom 04.12.2001 – 1 C 11.01 –, InfAuslR 2002, 284). In seinem Urteil vom 25.07.2000 (9 C 42.99 – InfAusR 2001, 46) hat das BVerwG offen gelassen, ob für die nachträgliche Konkretisierung des Zielstaats das Bundesamt oder die Ausländerbehörde zuständig ist und in welcher Weise beide Behörden dabei gegebenenfalls angesichts der nach wie vor nach § 24 Abs. 2 AsylVfG bestehenden Zuständigkeit für Entscheidungen über Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (nunmehr § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG) zusammenwirken müssen. Nach der Rechtsprechung des Senats allerdings muss, wenn die Abschiebungsandrohung in einem Bescheid des Bundesamts ausgesprochen wurde, vor einer Abschiebung eine Prüfung von Abschiebeverboten hinsichtlich des neuen Zielstaats durch das Bundesamt erfolgt sein (vgl. Beschl. v. 30.05.2007, a.a.O.). Gemäß § 24 Abs. 2 AsylVfG obliegt nämlich dem Bundesamt nach Stellung eines Asylantrags auch die Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Der Schutzzweck des § 24 Abs. 2 AsylVfG kann nur dann erreicht werden, wenn eine solche Prüfung gerade hinsichtlich des Staates erfolgt, in den der Ausländer tatsächlich abgeschoben werden soll. Hat das Bundesamt eine solche Prüfung lediglich hinsichtlich des in der Androhung bezeichneten Zielstaates durchgeführt, würde der Schutzzweck des § 24 Abs. 2 AsylVfG unterlaufen, wenn der Ausländer ohne weiteres und allein wegen des erfolgten Hinweises nach § 59 Abs. 2 AufenthG auch in jeden anderen Staat abgeschoben werden könnte. Voraussetzung für eine solche Abschiebung ist vielmehr, dass das Bundesamt auch hinsichtlich dieses Zielstaates die Prüfung im Sinne des § 24 Abs. 2 AsylVfG i. V. m. § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vornimmt (Beschl. d. Senats v. 30.05.2007, a.a.O., m. w. Nachw.).
Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, die vom Verwaltungsgericht angenommene Zuständigkeit des Bundesamts ergebe sich nicht aus dem Gesetz; das Asylverfahren sei mit dem Erlass der Abschiebungsandrohung und der Unterrichtung der Ausländerbehörde nach § 40 AsylVfG beendet.
Es mag zutreffen, dass die erforderliche Konkretisierung des Zielstaats nicht durch Ergänzung oder Modifizierung der Abschiebungsandrohung durch das Bundesamt erfolgen muss (in diesem Sinne allerdings: VGH BW, Beschl. v. 13.09.2007 – 11 S 1684/07 –, VBlBW 2008, 32; Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, § 59 RdNr. 58). Dafür sprechen die Gesetzesmaterialien zu der – mit § 59 Abs. 2 AufenthG wortgleichen – Neufassung des § 50 Abs. 2 AuslG durch das Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens (vgl. BT-Drucks. 12/2062, S. 43). Danach sollte die Neufassung zum einen der Verfahrensbeschleunigung dienen und die notwendige Konsequenz daraus ziehen, dass die Behörde, die die Abschiebung androht, nicht mit der Behörde identisch ist, die die Abschiebung vollzieht. Die generelle Erweiterung des Kreises der Zielstaaten wurde für notwendig erachtet, weil die androhende Behörde nicht in der Lage sei, abschließend alle für die Abschiebung in Betracht kommenden Zielstaaten zu nennen. Erweise sich beim Vollzug der Abschiebung, dass die Rückführung in den in der Androhung genannten Staat nicht möglich ist oder dass eine günstigere Abschiebungsmöglichkeit besteht, sollte die Abschiebung nicht daran scheitern, dass der andere Zielstatt nicht ebenfalls schon in der Androhung konkret bezeichnet ist.
Diese Erwägungen des Gesetzgebers ändern aber nichts daran, dass vor einer Abschiebung das Bundesamt – in welcher Form auch immer – zu prüfen hat, ob Abschiebeverbote hinsichtlich des neuen Zielstaats bestehen. Dies kann etwa in Gestalt einer verwaltungsinternen Beteiligung des Bundesamts durch die Ausländerbehörde erfolgen. Eine Kompetenz der Ausländerbehörde zur alleinigen Zielstaatskonkretisierung besteht auf Grund der vom Gesetzgeber vorgenommenen klaren Aufgabenverteilung zwischen dem Bundesamt und den Ausländerbehörden aber nicht (Hailbronner, Ausländerrecht, B 2, § 34 AsylVfG RdNr. 70). Dass zumindest eine Beteiligung des Bundesamts zu erfolgen hat, legt auch die Vorschrift des § 72 Abs. 2 AufenthG nahe, nach der die Ausländerbehörde über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamts entscheidet. Diese Verpflichtung der Ausländerbehörde zur Einholung einer Stellungnahme wurde eingeführt, um das Einfließen der besonderen Sachkunde hinsichtlich der Verhältnisse in den Herkunftsländern sicherzustellen (BT-Drucks. 15/420, S. 94). In der vom Kläger zitierten Entscheidung vom 02.08.2007 (10 C 13.07 – BVerwGE 129, 155) hat das BVerwG im Übrigen betont, dass der Asylsuchende Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch das Bundesamt u.a. hinsichtlich der Staaten habe, in die abgeschoben zu werden er aus berechtigtem Anlass sonst befürchten müsse.
Eine solche Beteiligung des Bundesamts ist hier indes nicht vorgenommen worden. Entgegen der Annahme des Beklagten war diese nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger gegenüber dem Beklagten keine auf den neuen Zielstaat Guinea bezogenen Abschiebungsverbote, sondern lediglich nicht zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse geltend gemacht hat. Eine Beteiligung des Bundesamts mag entbehrlich sein, wenn kein Asylverfahren mit der Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 5, Abs. 7 AufenthG durch das Bundesamt durchgeführt wurde (vgl. zu diesem Fall: OVG Hamburg, Beschl. v. 02.05.2007 – 3 Bs 403/05 –, AuAS 2007, 200). Eine solche einschränkende Auslegung ist jedenfalls dann nicht statthaft, wenn mit der Stellung eines Asylantrags die Prüfungspflicht des Bundesamts nach § 24 Abs. 2 AsylVfG begründet worden war.
2. Die Rechtssache hat auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Es fehlt jedenfalls an der Klärungsfähigkeit dieser Fragen; denn sie wären in einem Berufungsverfahren nach Lage der Dinge nicht entscheidungserheblich.
Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebung damit begründet, dass im Falle der Rechtswidrigkeit der Abschiebung keine Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 AufenthG eingetreten und er nicht zur Tragung der Abschiebungskosten gemäß § 66 AufenthG verpflichtet wäre. Bei der Klage, mit der ein nach vollzogener Abschiebung wieder in seinem Heimatland lebender Ausländer die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebung begehrt, um auf diese Weise zu verhindern, dass ein in Zukunft möglicherweise einmal beabsichtigter erneuter Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland an dem gesetzlichen Verbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG scheitert, handelt es sich um eine vorbeugende Feststellungsklage; der Kläger will einer möglichen künftigen Versagung einer Aufenthaltserlaubnis vorbeugen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.09.1989 – 9 B 165/89 –, Juris). Für eine vorbeugende Feststellungsklage ist jedoch ein besonderes Rechtsschutzinteresse erforderlich, das nur dann zu bejahen ist, wenn mit dem Abwarten der befürchteten Maßnahme für den Kläger Nachteile verbunden wären, die ihm auch unter Berücksichtigung der Möglichkeiten vorläufigen Rechtsschutzes nach den §§ 80 und 123 nicht zumutbar sind, insbesondere wenn Rechtsnachteile drohen, die mit einer späteren Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage usw. nicht mehr ausräumbar sind (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 43 RdNr. 24, m. w. Nachw.). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass zum effektiven Schutz vor einer ungerechtfertigten Versagung einer vom Kläger in der Zukunft möglicherweise einmal beantragten Aufenthaltserlaubnis nicht eine Klage oder ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren ausreicht, das im Anschluss an die behördliche Ablehnung eines tatsächlich gestellten Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder zumindest im Zusammenhang mit einer konkreten Absicht, erneut in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen, angestrengt wird (BVerwG, Beschl. v. 20.09.1989, a. a.O.). Entsprechendes gilt für die Erstattung von Abschiebungskosten. Auch insoweit will der Kläger dem Erlass eines Leistungsbescheids vorbeugen. Es ist ihm aber zumutbar, den Erlass eines solchen Bescheids abzuwarten, diesen mit der Anfechtungsklage und ggfs. einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO anzugreifen und dabei inzident die Rechtmäßigkeit der Abschiebung klären zu lassen.