VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 22.09.2008 - 5 ZB 07.1031 - asyl.net: M14228
https://www.asyl.net/rsdb/M14228
Leitsatz:

Ein minderjähriges Kind verliert die deutsche Staatsangehörigkeit nicht nach § 25 Abs. 1 StAG, wenn es eine ausländische Staatsangehörigkeit kraft automatischer gesetzlicher Erstreckung mit der Einbürgerung seiner Eltern erwirbt (Bestätigung der Rspr. des Senats).

 

Schlagwörter: D (A), Staatsangehörigkeitsrecht, deutsche Staatsangehörigkeit, Verlust, Wiedereinbürgerung, Türken, Türkei, Kinder, Antrag, Eltern, Erstreckungserwerb
Normen: VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1; StAG § 25 Abs. 1; StAG § 19 Abs. 2
Auszüge:

Ein minderjähriges Kind verliert die deutsche Staatsangehörigkeit nicht nach § 25 Abs. 1 StAG, wenn es eine ausländische Staatsangehörigkeit kraft automatischer gesetzlicher Erstreckung mit der Einbürgerung seiner Eltern erwirbt (Bestätigung der Rspr. des Senats).

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag der Beteiligten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht durchgreifen (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. An der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Verlusttatbestand des § 25 Abs. 1 StAG in Bezug auf die Klägerin nicht erfüllt ist.

a) Die Beteiligte verweist darauf, die Regelung des § 25 Abs. 1 StAG gehe vom Konzept der Familieneinheit aus. Der Tatbestand des § 25 Abs. 1 StAG sei bereits dann erfüllt, wenn die Eltern im Rahmen ihres eigenen Erwerbs einer ausländischen Staatsangehörigkeit ihren Willen bekundeten, dass neben ihnen auch ihre Kinder die ausländische Staatsangehörigkeit erwerben sollten. Dabei sei es unmaßgeblich, dass eine solche Willensbekundung wegen des im Recht des ausländischen Staates vorgesehenen Erstreckungserwerbs für den Staatsanghörigkeitserwerb durch die Kinder nicht ursächlich werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinen den Beteiligten bekannten Urteilen vom 14. November 2007 (Az. 5 B 06.2769, 5 B 05.2958 und 5 B 05.3039; sämtlich in juris veröffentlicht) die Auffassung vertreten, dass der Staatsangehörigkeitsverlust nach § 25 Abs. 1, § 19 Abs. 2 StAG auch bei minderjährigen Kindern eine Ursächlichkeit des Antrags voraussetzt und mithin entsprechend dem allgemeinen Grundsatz bei einer ausschließlich durch das Gesetz bewirkten Einbürgerungserstreckung ausscheidet. Der für die Gegenansicht allein angeführte Grund, anderenfalls wäre der vom Gesetz für Sorgeberechtigte und Kinder gemeinsam gewollte Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit unmöglich (Makarov/v. Mangoldt, a.a.O., RdNrn. 43 zu § 25 RuStAG), kann nicht überzeugen. Denn ein solches Konzept der Familieneinheit beim Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit liegt § 25 Abs. 1, § 19 Abs. 2 StAG gerade nicht zugrunde. Indem das Gesetz die Verlustfolge an den für jeden Familienangehörigen gesondert zu beurteilenden Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit auf Antrag knüpft, nimmt es hin, dass sich die staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnisse zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern unterschiedlich entwickeln können, je nachdem ob ein Antragserwerb erfolgt oder nicht. Damit aber fehlt es an einem tragfähigen Grund, bei Minderjährigen von dem Erfordernis einer Ursächlichkeit des Antrags für den Staatsangehörigkeitserwerb abzusehen. Die bloße Willensbekundung der Eltern kann den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit mit seinen weitreichenden Folgen nicht rechtfertigen, wenn das Recht des aufnehmenden Staates ihr keinerlei rechtliche Bedeutung beimisst und die Einbürgerungserstreckung zwingend auf die minderjährigen Kinder vorschreibt, ob die Eltern das wollen oder nicht. Denn zum einen knüpft § 25 Abs. 1 StAG die Verlustfolge nicht an die Willensbekundung als solche, sondern an den durch sie bewirkten und deshalb freiwilligen Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit. Zum anderen kommt einer elterlichen Willensäußerung im Fall des gesetzlichen Erstreckungserwerbs allenfalls geringe Aussagekraft zu, weil es typischerweise von Zufälligkeiten, wie etwa dem verwendeten Antragsformular oder der Beratung durch die Behörde des aufnehmenden Staates abhängt, ob die Eltern hinreichend deutlich erklären, die (gesetzlich zwingende) Erstreckung der eigenen Einbürgerung auf ihre minderjährigen Kinder zu "wollen" oder diese nur hinnehmen. Den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit an solche rechtlich unbeachtlichen und in ihrem Aussagegehalt zweifelhaften Willensbekundungen zu knüpfen, lässt sich mit der verfassungsrechtlich gebotenen Verlässlichkeit des Staatsangehörigkeitsstatus (vgl. BVerfG, U.v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04, BVerfGE 116, 24/44 f.) schwerlich vereinbaren.

Diese Urteile sind nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerden der Landesanwaltschaft Bayern durch das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom 22. Mai 2008 Az. BVerwG 5 B 27.08, vom 12. August 2008 Az. BVerwG 5 B 25.08 und vom 15. August 2008 Az. BVerwG 5 B 26.08) rechtskräftig.