VG München

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Zitieren als:
VG München, Urteil vom 13.08.2008 - M 21 K 06.50666 - asyl.net: M14141
https://www.asyl.net/rsdb/M14141
Leitsatz:

Im Allgemeinen kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG für Erwachsene und Familien mit Kinder, die nach Kinshasa zurückkehren.

 

Schlagwörter: Demokratische Republik Kongo, Kinshasa, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Situation bei Rückkehr, Versorgungslage, Kinder, Kleinkinder, allgemeine Gefahr, extreme Gefahrenlage, Infektionsgefahr
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 3; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Im Allgemeinen kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG für Erwachsene und Familien mit Kinder, die nach Kinshasa zurückkehren.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Widerrufsentscheidung gemäß § 73 Abs. 3 AsylVfG sind erfüllt.

Nach den vorliegenden Erkenntnissen käme eine Abschiebung des Klägers alleine nach Kinshasa in Betracht (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 01.02.2008, S. 20). Für die Frage einer etwaigen Rückkehrgefährdung ist daher auf die Verhältnisse dort abzustellen; das Gericht geht davon aus, dass es dem Kläger nicht ohne weiteres möglich wäre, von dort aus in eine andere Region seines Heimatstaates zu gelangen.

Auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse zur Situation im Großraum Kinshasa und zur Rückkehrsituation für abgelehnte Asylbewerber (vgl. dazu insbesondere Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 01.02.2008, S. 17 ff.; Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 14.04.2005 an das OVG Münster) geht das erkennende Gericht davon aus, dass Erwachsenen und Familien mit Kindern trotz der schwierigen Verhältnisse im Land eine Rückkehr zumutbar ist und sie regelmäßig, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, keine Gefahr laufen, mit hoher Wahrscheinlichkeit dort mangels jeglicher Lebensgrundlage in eine existenzgefährdende Situation zu geraten. Das erkennende Gericht folgt insoweit ausdrücklich nicht der früheren Rechtsprechung der 21. Kammer des Verwaltungsgerichts München (vgl. etwa Urteil vom 28.09.2004, Az.: M 21 K 03.50130), sondern schließt sich der neueren Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster (grundsätzlich etwa Beschluss vom 03.02.2006, Az.: 4 A 4227/04.A - juris) sowie des Verwaltungsgerichts Augsburg (Urteil vom 20.02.2007, Az.: Au 1 A 06.30166 - juris; Urteil vom 22.03.2007, Az.: Au 1 K 06.30324 - juris) an. Mit dieser Rechtsprechung hält das erkennende Gericht dafür, dass für nach Kinshasa abgeschobene bzw. abzuschiebende Erwachsene sowie Familien mit Kindern lediglich im Einzelfall gefahrenerhöhende Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen können.

Solche Umstände sind aber im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Der Kläger hat die Möglichkeit zusammen mit seinen Eltern, deren Asylverfahren ebenfalls erfolglos geblieben sind, in die Demokratische Republik Kongo zurückzukehren. Er wäre also dort nicht auf sich allein gestellt. Im Übrigen gibt es in der Demokratischen Republik Kongo kirchliche Einrichtungen und karitativ tätige Hilfsorganisationen sowie private Einrichtungen, die sich um rückkehrende erfolglos Asylbewerber zumindest in der Weise bemühen, dass ihnen das Einleben erleichtert wird. Auch wenn der Kläger mit seiner Rückkehr mit seiner Familie keinerlei Verwandte oder Bekannte vorfinden und nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen mag, kann dennoch von einer extremen Gefahrenlage in seinem Fall nicht ausgegangen werden. Denn wenn es sich bei den Rückkehrern um Erwachsene mit Kindern handelt, können diese im Allgemeinen die anstehenden Probleme gemeinsam angehen und sich gegenseitig helfen. Befinden sich jüngere Kinder in ihrer Obhut, so trägt eine wechselseitige Unterstützung dazu bei, auch deren Ernährung sicherzustellen (so ausdrücklich OVG Münster a.a.O.). Ob dies auch für minderjährige Einzelpersonen gilt, die in Kinshasa nicht auf die Unterstützung von Verwandten oder Bekannten zurückgreifen können ("unbegleitet zurückgeführte Minderjährige"), kann hier offen bleiben, weil es dem Kläger möglich ist, zusammen mit seiner Familie dorthin zu gelangen. Das Oberverwaltungsgericht Münster weist darauf hin, dass namentlich bei jüngeren Kindern, die der Fürsorge bedürfen, nach der Rückkehr zunächst die Hilfe einer der genannten zahlreichen karitativen Einrichtungen in Anspruch genommen werden kann, später besteht dann die Möglichkeit, das Personen aus der Nachbarschaft sich um solche Kinder kümmern. Diesen Standpunkt teilt das erkennende Gericht.

Das erkennende Gericht bezieht in diesem Zusammenhang in seine Entscheidung ein, dass in der aktuellen Rechtsprechung die Tendenz besteht, Kleinkindern unter 5 Jahren, die in Deutschland geboren sind, in Sonderheit aufgrund erhöhter Gefahr lebensgefährlicher Magen- und Darminfektionen im Kongo für diesen Personenkreis eine extreme Gefahrenlage und sonach ein Abschiebungshindernis in verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG zuzuerkennen (vgl. etwa VG Augsburg vom 22.03.2007, Az.: Au 1 K 06.30353 sowie vom 11.04.2006, Az.: Au 1 K 06.30043 - beide juris). Der Kläger ist jedoch inzwischen 8 Jahre alt, so dass nach den insoweit herangezogenen medizinischen Erkenntnissen (vgl. im Einzelnen die beiden Entscheidungen des VG Augsburg a.a.O.) eine solche Gefahr für ihn nicht mehr zu erwarten ist. Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht München bereits in einer Entscheidung aus dem Jahre 2004 angenommen, dass für ein 6-jähriges, in München geborenes Kind, welches mit seinen Eltern in die Demokratische Republik Kongo zurückkehren kann, eine extreme Gefahrenlage i.S.v. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG a.F. nicht mehr gegeben ist (vgl. Urteil vom 01.07.2004, Az.: M 21 K 00.50616). Das erkennende Gericht schließt sich dem unter Zugrundelegung der nunmehrigen, der Auskunftslage zu entnehmenden hygienischen und Seuchen bzw. Epidemien betreffenden Situation (vgl. dazu im Einzelnen VG Augsburg in den beiden zitierten Entscheidungen) an.