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VG Hannover

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Zitieren als:
VG Hannover, Urteil vom 14.08.2008 - 12 A 22/08 - asyl.net: M14137
https://www.asyl.net/rsdb/M14137
Leitsatz:
Schlagwörter: Kosovo, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, Multiple Sklerose, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit, Sozialhilfe
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Die Klägerin zu 2) hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte im Hinblick auf ihre Erkrankung das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in ihrer Person feststellt.

Die Klägerin zu 2) leidet ausweislich der vorgelegten ärztlichen Atteste an einer schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose. Nachdem die Behandlung mit dem Medikament Copaxone wegen Nebenwirkungen abgesetzt werden musste, wird die Erkrankung mit dem Medikament Tysabri behandelt, wodurch - so die Atteste vom 11.01.2007 und vom 10.07.2008 - der Verlauf hinreichend stabil ist, auch wenn nach wie vor eine massive Gangstörung besteht, die den Einsatz von Hilfsmitteln erforderlich macht. Bei Abbruch der Behandlung würde sich die neurologische Symptomatik massiv verschlechtern und sich Rollstuhlpflichtigkeit und ein Zustand völliger Hilflosigkeit einstellen mit u.a weiteren massiven Paresen, die grundsätzlich die Lebenserwartung verkürzen können. Warum der Inhalt der Atteste - wie die Beklagte meint - nicht aussagekräftig sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Vielmehr wird der Klägerin zu 2) für den Fall des Behandlungsabbruchs eine - massive - Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes attestiert. Auch ist davon auszugehen, dass "Rollstuhlpflichtigkeit" im Verhältnis zu dem gegenwärtig "lediglich" erforderlichen Einsatz einer Gehhilfe eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin zu 2) darstellt, die durch die Behandlung mit dem Medikament Tysabri gerade verhindert werden soll.

Das Medikament Tysabri - davon geht offenbar auch die Beklagte aus - wird die Klägerin zu 2) bei einer Rückkehr in den Kosovo zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit jedoch nicht erhalten. Das Medikament ist nicht auf der "essential drug list" (Stand Dezember 2006) aufgeführt, so dass die Klägerin zu 2) das Medikament, sofern es überhaupt erhältlich ist, aus eigenen Mitteln bezahlen müsste (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 29.11.2007). Eine Infusionseinheit (300 mg Natalizumab) des Medikaments kostet etwa 2.260 Euro (vgl. de.wikipedia.org/wiki/Natalizumab, Stand August 2007). Über diese Mittel verfügt die Klägerin zu 2) ersichtlich nicht. Aufgrund ihres jahrelangen Aufenthalts in Deutschland und unter Berücksichtigung der hohen Arbeitslosigkeit im Kosovo haben weder sie noch ihre Angehörigen Aussicht, einen Arbeitsplatz zu erhalten. Dies gilt erst recht für die Klägerin zu 2) im Hinblick auf ihre Erkrankung und für ihren Ehemann, der sie betreuen muss. Die Sozialhilfeleistungen, die lediglich 35 Euro für die erste Person und maximal 75 Euro für Familien betragen, reichen kaum aus, um den laufenden Lebensunterhalt zu bestreiten (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 29.11.2007) und stehen daher für den Kauf des von der Klägerin benötigten Medikaments nicht zur Verfügung.