VG Stuttgart

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Zitieren als:
VG Stuttgart, Urteil vom 07.07.2008 - 11 K 5940/07 - asyl.net: M14032
https://www.asyl.net/rsdb/M14032
Leitsatz:

1. Die bloße Teilnahme an friedlichen, nicht verbotenen Demonstrationen, die etwa gegen die Menschenrechtsverletzungen in einem bestimmten Land gerichtet sind, bedeutet auch dann keine Unterstützung von Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, wenn zu diesen Demonstrationen auch Organisationen aufgerufen haben, die objektiv derartige Ziele verfolgen, selbst dann nicht, wenn auf diesen Demonstrationen die Abzeichen einer verbotenen Organisation wie der PKK gezeigt werden.

2. Die Mitgliedschaft in einem nicht verbotenen Verein reicht nicht als Grundlage für die Annahme aus, die einzelnen Aktivitäten einer verbotenen Organisation in den Räumlichkeiten dieses Vereins seien mit Einwilligung und Duldung des Vereinsmitglieds erfolgt. Vielmehr muss im Einzelfall feststehen, dass die Tätigkeit des Einbürgerungsbewerbers in diesem Verein von solchem Gewicht ist, dass die Zweifel an der Organisation zugleich Zweifel in Bezug auf den Einbürgerungsbewerber begründen.

3. Der Ausweisungsgrund nach § 54 Nr. 5 AufenthG setzt voraus, dass das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus und nicht nur ganz unwesentlich oder ganz untergeordnet beiträgt und er deshalb selbst potentiell gefährlich erscheint.

 

Schlagwörter: D (A), Staatsangehörigkeitsrecht, Einbürgerung, Anspruchseinbürgerung, Untätigkeitsklage, Übergangsregelung, verfassungsfeindliche Bestrebungen, Unterstützung, begründeter Verdacht, Beweislast, PKK, Mesopotamischer Kulturverein, Demonstrationen, Kadek, Kongra-Gel, Verwertungsverbot, Strafverfahren, Einstellung, Meinungsfreiheit, Meinungsäußerungsfreiheit, YEK-KOM, Abwenden von verfassungsfeindlichen Bestrebungen, Ausweisungsgrund, Terrorismus, Sprachkenntnisse, Dolmetscher, mündliche Verhandlung
Normen: StAG § 40c; StAG § 10 Abs. 1; StAG § 11 S. 1 Nr. 2 a.F.; StAG § 11 S. 1 Nr. 1; BZRG § 51 Abs. 1; GG Art. 5 Abs. 1; StAG § 11 S. 1 Nr. 3 a.F.; AufenthG § 54 Nr. 5; StAG § 11 S. 1 Nr. 1 a.F.; VwGO § 75
Auszüge:

1. Die bloße Teilnahme an friedlichen, nicht verbotenen Demonstrationen, die etwa gegen die Menschenrechtsverletzungen in einem bestimmten Land gerichtet sind, bedeutet auch dann keine Unterstützung von Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, wenn zu diesen Demonstrationen auch Organisationen aufgerufen haben, die objektiv derartige Ziele verfolgen, selbst dann nicht, wenn auf diesen Demonstrationen die Abzeichen einer verbotenen Organisation wie der PKK gezeigt werden.

2. Die Mitgliedschaft in einem nicht verbotenen Verein reicht nicht als Grundlage für die Annahme aus, die einzelnen Aktivitäten einer verbotenen Organisation in den Räumlichkeiten dieses Vereins seien mit Einwilligung und Duldung des Vereinsmitglieds erfolgt. Vielmehr muss im Einzelfall feststehen, dass die Tätigkeit des Einbürgerungsbewerbers in diesem Verein von solchem Gewicht ist, dass die Zweifel an der Organisation zugleich Zweifel in Bezug auf den Einbürgerungsbewerber begründen.

3. Der Ausweisungsgrund nach § 54 Nr. 5 AufenthG setzt voraus, dass das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus und nicht nur ganz unwesentlich oder ganz untergeordnet beiträgt und er deshalb selbst potentiell gefährlich erscheint.

(Amtliche Leitsätze)

 

Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.

Die Frage, ob dem Kläger der von ihm geltend gemachte Anspruch zukommt, beurteilt sich grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.08.1996, InfAuslR 1996, 399). Allerdings bestimmt § 40 c StAG i.d.F. des am 18.08.2007 in Kraft getretenen Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970), dass auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30.03.2007 gestellt worden sind, die §§ 8-14 und § 40 c in der vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden sind, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten.

Der Kläger besitzt danach einen Einbürgerungsanspruch nach § 10 Abs. 1 StAG a.F. Diesem Anspruch steht entgegen der Auffassung der Beklagten der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a. F. nicht entgegen.

Allerdings ist die Beklagte in der angefochtenen Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger bis zum Jahre 1999 Aktivitäten entfaltet hat, die unter § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. fallen. Nach dem Sinn und Zweck des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. (wörtlich identisch mit § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG n.F.) sollen diejenigen Bewerber keinen Anspruch auf Einbürgerung haben, bei denen zumindest der begründete Verdacht besteht, dass sie Bestrebungen gegen Schutzgüter unterstützen, die für den deutschen Staat, in den sie eingebürgert werden wollen, wesentlich sind. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. schließt einen Anspruch auf Einbürgerung nicht erst dann aus, wenn der Ausländer Handlungen unterstützt hat, die die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen. Für den Anspruchsausschluss nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. genügt es vielmehr, wenn der Ausländer ungeachtet späterer möglicher tatsächlicher Beeinträchtigungen bereits vorgelagert Bestrebungen unterstützt hat, die gegen die Sicherheit des Bundes gerichtet sind. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. erfordert nicht, dass die Bestrebungen auch objektiv geeignet sind, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen; es genügt vielmehr, wenn der Träger der Bestrebungen mit ihnen das Ziel verfolgt, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 22.02.2007, BVerwGE 128, 140).

Dass der Einbürgerungsbewerber sicherheitsrelevante Bestrebungen in diesem Sinne unterstützt, muss nicht mit dem üblichen Grad der Gewissheit festgestellt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr ein tatsachengestützter hinreichender Tatverdacht. Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers angesichts der Nachweisprobleme gegenüber vielfach verkappt agierenden Aktivisten unter Senkung der Nachweisschwelle die Einbürgerung von PKK-Aktivisten oder radikalen Islamisten auch dann verhindert werden, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können (vgl. BT-Drs. 14/533 S. 18 f.). Andererseits genügen allgemeine Verdachtsmomente, die nicht durch bezeichenbare, konkrete Tatsachen gestützt sind, nicht. Erforderlich ist eine wertende Betrachtungsweise, bei der auch die Ausländern zustehenden Grundrechte (Art. 5 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 3 GG) zu berücksichtigen sind. Dabei können aber auch legale Betätigungen herangezogen werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris -; VGH München, Urt. v. 27.05.2003 - 5 B 01.1805 - juris - ; VGH Kassel, Beschl. v. 06.01.2006, NVwZ-RR 2006, 429). Mit § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. wird der Sicherheitsschutz im Einbürgerungsrecht weit vorverlagert in Handlungsbereiche, die strafrechtlich noch nicht beachtlich sind und für sich betrachtet auch noch keine unmittelbare Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellen (vgl. VGH München, Urt. v. 27.05.2003 - 5 B 01.1805 - a.a.O.; VGH Kassel, Beschl. v. 06.01.2006 a.a.O.). Auch Unterstützungshandlungen in der Vergangenheit lösen ein zeitlich unbefristetes Einbürgerungshindernis aus; dann obliegt es dem Ausländer, glaubhaft zu machen, dass er sich hiervon abgewandt hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.04.2008 - 13 S 298/06).

Als tatbestandsmäßiges Unterstützen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. ist jede Handlung anzusehen, die für die dort genannten Bestrebungen objektiv vorteilhaft ist. Dazu zählt jede Tätigkeit auch eines Nichtmitglieds einer Vereinigung, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer inkriminierten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt. Hierunter fallen neben der Gewährung finanzieller Unterstützung oder der Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele auch die öffentliche oder nichtöffentliche Befürwortung von gemäß § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. inkriminierten Bestrebungen. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es dabei nicht an. Allerdings sind nur solche Handlungen ein Unterstützen, die eine Person für sie erkennbar und von ihrem Willen getragen zum Vorteil der genannten Bestrebungen vornimmt. An einem Unterstützen fehlt es, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung der inkriminierten Ziele befürwortet und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung der inkriminierten Bestrebungen zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potentiell gefährliches Unterstützen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. vor; die Freiheit der Meinungsäußerung ist insoweit beschränkt. Eine Unterstützung im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. kommt ferner in Betracht, wenn der Einbürgerungsbewerber durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer inkriminierten Vereinigung auch als Nichtmitglied in eine innere Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung gerät, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefährdungspotentials beiträgt (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. vom 15.03.2005, BVerwGE 123, 114 = NVwZ 2005, 1091 = DVBl. 2005, 1203 und Urt. vom 22.02.2007 a.a.O.; OVG Hamburg, Urt. vom 06.12.2005 - 3 Bf 172/04 - juris -; OVG Saarlouis, Urt. vom 08.03.2006 - 1 R 1/06 -juris -).

Für den Begriff des Unterstützens ist ferner zu berücksichtigen, dass er mit dem gleichen Inhalt bei der Frage der Abwendung in Bezug genommen wird. Wenn für das Abwenden von einer früheren Unterstützung über das bloße Unterlassen hinaus ein Element der Nachhaltigkeit gefordert wird, so ist dieses auch für die Unterstützung selbst zu fordern (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.11.2005 - 12 S 1696/05 - juris -). Die materielle Beweislast für das Vorliegen des Ausschlussgrundes liegt bei der Behörde (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - juris -).

Der Kläger war am 17.10.1999 und am 05.12.1999 Teilnehmer an Versammlungen von PKK-Anhängern in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins in Stuttgart. Durch die Teilnahme an diesen beiden PKKVersammlungen hat der Kläger die inkriminierten Bestrebungen der PKK unterstützt.

Die PKK hat zum Zeitpunkt dieser Unterstützungshandlungen des Klägers am 17.10.1999 und am 05.12.1999 Bestrebungen verfolgt, die gegen die Sicherheit des Bundes gerichtet waren.

Weiter ist davon auszugehen, dass die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen auch heute noch Bestrebungen verfolgen, die gegen die Sicherheit des Bundes gerichtet sind. Zwar verkündete die PKK auf dem 7. Parteikongress im Januar 2000, sie strebe die Anerkennung der kurdischen Identität und kulturellen Autonomie auf politischem Wege und ohne Gewalt an, und es sind auch seitdem keine Anschläge auf türkische oder deutsche Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland seitens der PKK mehr verübt worden. An der strikt hierarchischen und autoritären Struktur der Organisation hat sich aber auch nach der Umbenennung der PKK in KADEK im April 2002 bzw. in KONGRA-GEL im November 2003 nichts Wesentliches geändert (vgl. BMI, Verfassungsschutzbericht 2004, S. 232). Zudem wird weiterhin von Bestrafungsaktionen im Rahmen der alljährlich in Deutschland durchgeführten Spendenkampagne berichtet (vgl. Verfassungsschutzbericht BW 2004, S. 100). Darüber hinaus gefährdet die PKK auch durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland. Unter diese Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. fallen Bestrebungen bzw. Organisationen, die im Bundesgebiet selbst keine Gewalt (mehr) anwenden oder vorbereiten, wohl aber im Herkunftsstaat gewalttätig agieren oder - als politische Exilorganisation - dortige Bestrebungen durch Wort (Propaganda) oder Tat (etwa durch die Überweisung von Spenden) unterstützen (vgl. Berlit in: GK-StAR § 11 RdNr. 131).

Die von der Beklagten dem Kläger vorgehaltenen weiteren Aktivitäten sind jedoch entweder nicht erwiesen oder aber nicht als einbürgerungsschädliche Unterstützungshandlungen zu bewerten. Im Einzelnen:

Eine Teilnahme des Klägers an Blockadeaktionen auf der Autobahn bei Augsburg am 19.03.1994 ist nicht erwiesen. Das insoweit eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. Gleiches gilt hinsichtlich der am 08.12.1994 erfolgten Hausdurchsuchung in der Wohnung des Klägers. Diese Sachverhalte können dem Kläger im Hinblick auf das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG nicht mehr entgegengehalten werden. Unter das Verwertungsverbot fallen Tat und Verurteilung, es umfasst also den gesamten Lebenssachverhalt, der Gegenstand der Urteilsfindung war (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.07.2007 - 13 S 3002/06 -). Hat aber ein möglicherweise strafrechtliches Verhalten nicht einmal zu einer Verurteilung des Betroffenen geführt, so muss das absolute Verwertungsverbot, das für den gesamten Rechtsverkehr gilt und alle Rechtsverhältnisse und Rechtsbeziehungen im privaten und im öffentlichen Recht erfasst, erst Recht Anwendung finden.

Auch die dem Kläger vorgehaltenen Teilnahmen an Demonstrationen am 03.06.1995, am 12.06.1996, am 10.09.1996, am 28.09.1996 und am 04.10.1996 - jeweils in Stuttgart - stehen seinem Einbürgerungsanspruch nicht entgegen. Gegenstand dieser Demonstrationen war das Vorgehen des türkischen Militärs gegen kurdische Dörfer, der Hungerstreik der Gefangenen in der Türkei, die türkischen Angriffe im Irak sowie ein Massaker in Diyarbakir. Die bloße Teilnahme an friedlichen, nicht verbotenen Demonstrationen, die etwa gegen die Menschenrechtsverletzungen in einem bestimmten Land gerichtet sind, bedeutet auch dann keine Unterstützung von Bestrebungen im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a. F., wenn zu diesen Demonstrationen auch Organisationen aufgerufen haben, die objektiv derartige Ziele verfolgen, selbst dann nicht, wenn auf diesen Demonstrationen die Abzeichen einer verbotenen Organisation wie der PKK gezeigt werden (vgl. Berlit in: GK-StAR § 11 RdNr. 97). Entsprechendes gilt hinsichtlich der Teilnahme des Klägers an der Newroz-Kundgebung am 20.03.1997. Selbst wenn aber die Teilnahme des Klägers an den oben angeführten Demonstrationen und an der Newroz-Kundgebung objektive Unterstützungshandlungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a. F. sein sollten, fehlt es insoweit an dem erforderlichen subjektiven Moment. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit der Teilnahme an den genannten Demonstrationen und an der Newroz-Kundgebung tatsächlich die PKK oder ihre Nachfolgeorganisationen unterstützen wollte. Wie bereits oben dargelegt, kann nicht jede Handlung, die sich zufällig für Bestrebungen als objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen solcher Bestrebungen verstanden werden. Bereits aus der Wortbedeutung des Unterstützens ergibt sich, dass nur solche Handlungen ein Unterstützen sind, die eine Person für sie erkennbar und von ihrem Willen getragen zum Vorteil der genannten Bestrebungen vornimmt. Eine Unterstützung der Vereinigung, ihrer Bestrebungen oder ihrer Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns muss für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.02.2007 a.a.O.). Sämtliche Demonstrationen haben sich - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen dargelegt hat - gegen Vorfälle in der Türkei und im Irak gerichtet. Dass die genannten Demonstrationen und die Newroz-Veranstaltung die Bestrebungen der PKK zum Gegenstand oder zum Ziel hatten, wird weder im angefochtenen Bescheid dargelegt noch ist derartiges der vom Gericht eingeholten Stellungnahme des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 23.05.2008 zu entnehmen. Bei diesem Sachverhalt fehlen Anhaltspunkte für das Vorliegen des erforderlichen subjektiven Unterstützungsmoments. Dass auf den genannten Demonstrationen PKK-Parolen und Abzeichen der PKK gezeigt wurden, reicht - wie bereits oben dargelegt - für die Annahme einer Unterstützungshandlung nicht aus.

Dem Kläger kann auch die bloße Mitgliedschaft im - nicht verbotenen -Mesopotamischen Kulturverein e. V. Stuttgart nicht als Unterstützungshandlung vorgehalten werden. Zwar bietet der Mesopotamische Kulturverein der PKK eine Plattform für Veranstaltungen, zumal eine organisatorische Verflechtung der YEK-KOM (Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e. V.) und des Mesopotamischen Kulturvereins besteht (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris -). Aus der bloßen Mitgliedschaft in einem derartigen Verein folgt jedoch nicht zwangsläufig ein Sicherheitsrisiko im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F.. Die Mitgliedschaft reicht auch nicht als Grundlage für die Annahme aus, die einzelnen Aktivitäten der PKK in den Räumlichkeiten des Vereins seien mit Einwilligung und Duldung des Vereinsmitglieds erfolgt (vgl. BGH, Beschl. v. 11.02.2000, BGHSt 46, 6). Vielmehr muss im Einzelfall feststehen, dass die Tätigkeit des Einbürgerungsbewerbers in diesem Verein von solchem Gewicht ist, dass die Zweifel an der Organisation zugleich Zweifel in Bezug auf den Einbürgerungsbewerber begründen (vgl. Berlit a.a.O. RdNr. 69). Derartige Feststellungen sind vorliegend jedoch nicht getroffen worden. Der Kläger hat selbst vorgetragen, der Mesopotamische Kulturverein sei für ihn ein Ort, an dem sich Kurden träfen, um ihre Sprache und Kultur zu pflegen und auch über die Situation im Heimatland zu diskutieren.

Die oben festgestellten Unterstützungshandlungen des Klägers für die PKK, von denen hiernach auszugehen ist, stehen seiner Einbürgerung jedoch nicht entgegen, weil er sich jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung glaubhaft hiervon abgewandt hat.

Ein Abwenden i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. erfordert mehr als ein bloß äußeres - zeitweiliges oder situationsbedingtes - Unterlassen der früheren Unterstützungshandlungen und setzt einen individuellen oder mitgetragenen kollektiven Lernprozess voraus, aufgrund dessen angenommen werden kann, dass mit hinreichender Gewissheit die zukünftige Verfolgung oder Unterstützung inkriminierter Bestrebungen auszuschließen ist. Bei veränderten Rahmenbedingungen kann eine Abwendung auch dann vorliegen, wenn für eine in der Vergangenheit liegende historisch-politische Situation die Entscheidung für die Verfolgung oder Unterstützung der inkriminierten Bestrebungen weiterhin als richtig behauptet, aber hinreichend deutlich erkennbar wird, dass und aus welchen Gründen sich die Rahmenbedingungen nachhaltig geändert haben und aus diesem Grunde eine von § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. angesprochene Tätigkeit nicht mehr zu befürchten ist (vgl. VGH München, Urt. v. 27.05.2003 - 5 B 00.1819 und 5 B 01.1805, jew. juris; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20.02.2008 - 13 S 457/06 und Urt. v. 10.11.2005 - 12 S 1696/05 - juris -). Die Glaubhaftmachung der Abwendung erfordert die Vermittlung einer entsprechenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.07.2002 - 13 S 1111/01- juris -). Weiter ist die Glaubhaftmachung einer Abwendung nur möglich, wenn der Einbürgerungsbewerber einräumt oder zumindest nicht bestreitet, früher eine durch § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. inkriminierte Bestrebung unterstützt zu haben (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.07.2002 a.a.O.). Der Einbürgerungsbewerber muss andererseits zur Glaubhaftmachung der Abwendung die früheren Aktivitäten weder bedauern noch ihnen abschwören (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.12.2004, InfAuslR 2005, 64). Die Umstände, die seine Abwendung belegen, hat der Einbürgerungsbewerber so substantiiert und einleuchtend darzulegen, dass man diese Gründe als "triftig" anerkennen kann; Nachvollziehbarkeit der Erklärung im Hinblick auf einen inneren Gesinnungswandel kann aber dann genügen, wenn dieser auch durch äußere Handlungen nach außen hin erkennbar wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v . 12.12.2004 a.a.O.). Der bloße Zeitablauf allein kann ein Abwenden von inkriminierten Bestrebungen nicht belegen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 02.04.2008 - 13 S 171/08). Liegen die einbürgerungsschädlichen Aktivitäten jedoch bereits erhebliche Zeit zurück, führt dies zu einer zusätzlichen Herabsetzung der Anforderungen an die Glaubhaftmachung innerer Lernprozesse (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.12.2004 a.a.O. und Beschl. v. 12.12.2005, NVwZ 2006, 484). Auch die Art, Gewicht und Häufigkeit der Handlungen sind für die an die Glaubhaftmachung zu stellenden Anforderungen maßgeblich (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.12.2005 a.a.O. und Urt. v. 20.02.2008 - 13 S 457/06 -).

Gemessen hieran hat der Kläger eine Abwendung von seinen früheren Unterstützungshandlungen hinreichend glaubhaft gemacht. Diese Abwendung ist bereits durch äußere Anzeichen erkennbar. So hat das Landesamt für Verfassungsschutz und das Innenministerium Baden-Württemberg seit dem Jahre 1999 keine neuen Erkenntnisse über weitere politische Aktivitäten des Klägers für die PKK. Das Gericht ist davon überzeugt, dass diese Abkehr von seinen früheren Aktivitäten für die PKK nicht auf taktischen Erwägungen im Hinblick auf sein Einbürgerungsverfahren beruht.

Der Kläger hat bereits im gerichtlichen Verfahren vorgetragen, gefördert durch Gespräche mit seinen Kindern sei er zu dem Ergebnis gekommen, dass im Zeitalter der Globalisierung die Länder enger zusammenrücken müssten. Nur durch Gespräche und Verhandlungen in der Politik seien Fortschritte zu erreichen. Er finde es nicht mehr richtig, dass junge Leute den Tod fänden, den bewaffneten Kampf in der Türkei halte er inzwischen für falsch. Dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung dahingehend ergänzt, dass nach 1999 für ihn seine Familie (Ehefrau und drei Kinder) ganz im Vordergrund gestanden hätten. Dieses Vorbringen zeigt eine zunehmend realistische Sicht des Klägers im Hinblick auf die Verfolgung von politischen Zielen.

Das Gericht nimmt dem Kläger auch ab, dass die äußerlich wahrnehmbare Abkehr von Unterstützungshandlungen für die PKK von einem inneren Abwendungsprozess getragen ist. Der Kläger hat deutlich gemacht, dass er die Weigerung der PKK, das staatliche Gewaltmonopol zu achten, missbilligt und er ganz auf den politischen Dialog zur Durchsetzung der Ziele der Kurden setzt. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger bei einer Zuspitzung der Verhältnisse in der Türkei sich durchaus vorstellen kann, erneut an Demonstrationen teilzunehmen. Denn in diesem Fall würde der Kläger nur von dem auch ihm zustehenden Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG Gebrauch machen.

Entgegen der im Bescheid vom 29.02.2008 vertretenen Auffassung steht dem Einbürgerungsanspruch des Klägers auch nicht der Versagungsgrund des § 11 Satz 1 Nr. 3 StAG a.F. entgegen. Der angefochtene Bescheid lässt jegliche Erörterung vermissen, warum bei dem Kläger von dem Vorliegen eines Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 5 AufenthG ausgegangen wird. Der Ausweisungsgrund nach § 54 Nr. 5 AufenthG setzt voraus, dass das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus und nicht nur ganz unwesentlich oder ganz untergeordnet beiträgt und er deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint. Dabei muss die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Beurteilungszeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwa glaubhafter Distanzierungen von der Vorfeldunterstützung des Terrorismus oder des Fehlens jeglicher Distanzierung gewürdigt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005, BVerwGE 123, 114 = NVwZ 2005, 191; VGH Kassel, Beschl. v. 10.01.2006, NVwZ-RR 2007, 131; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.07.2007 - 13 S 3002/06). Für die Annahme, der Kläger habe eine derartige Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus begangen und die Unterstützungshandlungen begründeten eine gegenwärtige Gefährlichkeit, fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Im Übrigen wird die PKK strafrechtlich nicht mehr als terroristische Vereinigung eingestuft, sondern nur noch als kriminelle Vereinigung (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.2004, NJW 2005, 80).

Dem Einbürgerungsanspruch des Klägers steht auch nicht der Versagungsgrund nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG a.F. entgegen. Nach dieser Bestimmung besteht ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG a.F. nicht, wenn der Einbürgerungsbewerber nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt.

Mit dem Kläger war in der mündlichen Verhandlung eine ausreichende mündliche Verständigung in deutscher Sprache gerade noch möglich. Allerdings war die Verständigung mit ihm, wovon sich alle Beteiligten überzeugen konnten, sehr beschwerlich. Zwar hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung einen Verhandlungsdolmetscher hinzugezogen. Dies steht der Annahme ausreichender Deutschkenntnisse im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG a.F. vorliegend ausnahmsweise jedoch nicht entgegen. Denn in der mündlichen Verhandlung ging es zum Teil um komplexe Sachverhalte, bei denen allein der Verhandlungsdolmetscher eingesetzt wurde. Die diesbezüglichen Fragen des Gerichts erforderten eine hohe sprachliche Ausdrucksfähigkeit, über die der Kläger nicht verfügt. Dies berührt jedoch nicht die Einschätzung des Gerichtes, dass der Kläger sich im normalen Umgang mit Behörden zurechtzufinden vermag und ein sinnvolles Gespräch gerade noch geführt werden kann. Bestätigt wird dies durch den Inhalt der Behördenakte; dort finden sich zahlreiche Vermerk, in denen die Beklagte die ausreichenden Deutschkenntnisse des Klägers bestätigt hat. Den in der mündlichen Verhandlung abgelegten Test zu den schriftlichen Deutschkenntnissen hat der Kläger bestanden; die von ihm eigenhändig frei formulierten Sätze zu seiner beruflichen Tätigkeit waren inhaltlich klar und verständlich.