OVG Sachsen

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Zitieren als:
OVG Sachsen, Urteil vom 09.07.2008 - A 2 B 296/07 - asyl.net: M14016
https://www.asyl.net/rsdb/M14016
Leitsatz:

Keine Verfolgungsgefahr im Iran wegen lediglich untergeordneten Unterstützunghandlungen für die Volksmudjahedin.

 

Schlagwörter: Iran, MEK, Volksmudjahedin, Demonstration, Unterstützung, exilpolitische Betätigung, Antragstellung als Asylgrund
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Keine Verfolgungsgefahr im Iran wegen lediglich untergeordneten Unterstützunghandlungen für die Volksmudjahedin.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht hinsichtlich der begehrten Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG hinsichtlich des Iran vorliegen, abgewiesen.

Die vom Kläger bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt geltend gemachten Vorfluchtgründe sind aus den im Bescheid dargestellten Gründen, auf die gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG verwiesen wird, nicht glaubhaft.

Dem Kläger droht bei Rückkehr in den Iran auch nicht wegen der von ihm geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr politischer Verfolgung.

Die Annahme einer Verfolgungsgefahr wegen exilpolitischer Aktivitäten ist nur dann gerechtfertigt, wenn davon ausgegangen werden muss, dass den Staatssicherheitsbehörden Irans die exilpolitischen Tätigkeiten des Betroffenen bekannt geworden sind und anzunehmen ist, dass die iranischen Behörden diese als erhebliche, den Bestand des Staates gefährdende oppositionelle Aktivitäten bewerten. Grundsätzlich reicht die einfache Mitgliedschaft in einer exilpolitischen Organisation verbunden mit den hierfür typischen Aktivitäten, wie der wiederholten einfachen Demonstrationsteilnahme, der Betreuung von Büchertischen und dem Verteilen von Flugblättern nicht aus. Der Betroffene muss vielmehr aufgrund seiner Aktivitäten aus der Vielzahl der exilpolitisch aktiven Iraner hervortreten (vgl. Urt. des Senats v. 27.3.2007, a.a.O. sowie v. 14.3.2006 - A 2 B 632/05 - und - A 2 B 633/05 -).

Zu exilpolitischen Aktivitäten für die Organisation der Volksmudjaheddin hat der Senat im Urteil vom 26.6.2003 - A 2 B 1025/02 - ausgeführt:

"Der Gruppe der Volksmudjaheddin gilt ausweislich der Erkenntnisquellen das besondere Interesse des iranischen Nachrichtendienstes, was auf die Gewaltbereitschaft der Organisation, die einen gewaltsamen Umsturz im Iran propagiert, und ihre Guerillaaktivitäten zurückzuführen ist. Die Volksmudjaheddin gehören zu den Hauptfeinden der Islamischen Regierung und sind die am meisten verfolgte Oppositionsgruppe (vgl. näher SächsOVG, Urt. v. 22.9.2000 - A 4 B 4313/98 -). Mitglieder der Volksmudjaheddin haben Strafen auch wegen bloßer Mitgliedschaft zu der Organisation zu befürchten. Die Teilnahme an einer von den Volksmudjaheddin organisierten Demonstration reicht jedoch nach Auffassung des Auswärtigen Amtes (Auskunft an das VG Trier vom 8.2.2000) heutzutage für eine drohende Verfolgung im Falle der Rückkehr in den Iran auch dann nicht aus, wenn der Asylbewerber ein Schild mit dem Namen Rajavi getragen hat und ein Bild dieser Demonstration, das ihn inmitten anderer Demonstrationsteilnehmer zeigt, in der Zeitschrift Modjahid veröffentlicht wurde, da es sich bei ihm offensichtlich nur um einen Sympathisanten handele. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (vgl. Auskunft an das VG Köln vom 21.2.2001) wertet die mehrfache Teilnahme an Demonstrationen einschließlich des Haltens eines Transparents, die Verteilung von Informationsmaterial an einem Informationsstand der Volksmudjaheddin, die Veröffentlichung eines Fotos, auf dem die Klägerin als Demonstrationsteilnehmerin zu erkennen ist, in einer deutschen überregionalen Zeitung sowie die Erledigung von Arbeiten im Stützpunkt der Volksmudjaheddin einschließlich der Vorbereitung von Demonstrationen an etwa drei Tagen pro Woche um reine Unterstützungshandlungen, die keine exponierte Stellung und damit keine Verfolgungsgefahr begründen. Nach der Einschätzung des Deutschen Orient-Instituts (vgl. Auskunft an das Schleswig-Holsteinische OVG vom 8.1.1998) spielt der Umstand, dass exilpolitische Aktivitäten auch im Zusammenhang mit der Durchführung des Asylverfahrens gesehen werden können, nach der iranischen Rechtspraxis dann keine Rolle, wenn dort tatsächlich davon ausgegangen wird, dass der Betreffende Anhänger der Volksmudjaheddin ist, und zwar ein echter, dauernd oder doch mehr als im Zusammenhang lediglich mit einzelnen Demonstrationen, Veranstaltungen oder sonstigen Aktionen aktiver Anhänger. Ob die Entschuldigung im Hinblick auf das in Deutschland geführte Asylverfahren letztlich bei einer etwaigen Rückkehr in den Iran „abgekauft“ werde oder ob dies dann aus dortiger Sicht nur als Schutzbehauptung erscheine, dürfte davon abhängen, was die iranischen Behörden tatsächlich von ihm wissen und was sie von ihm halten."

Hieran ist weiterhin festzuhalten. Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.3.2008 berücksichtigt bei den exilpolitischen Tätigkeiten (S. 29) die Volksmudjaheddin nicht gesondert. Im Hinblick auf die Situation im Irak ist zu berücksichtigen, dass das Internationale Komitee vom Roten Kreuz über 500 Personen mit MEK-Vergangenheit aus dem Irak zurückgeführt hat. Diese wurden, soweit bekannt, bislang von staatlicher Seite nicht behelligt. In der Auskunft an das Verwaltungsgericht Köln vom 8.2.2007 führt das Auswärtige Amt aus, aktuelle Strafverfahren gegen Angehörige der MEK seien dem Auswärtigen Amt in den vergangenen zwei Jahren nicht bekannt geworden. Zeitgleich seien nach Angaben iranischer Regierungskreise ca. 750 Angehörige der MEK in den Iran zurückgekehrt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz führt in der Auskunft an das Verwaltungsgericht Köln vom 3.7.2006 aus, keine Erkenntnisse dazu zu haben, wie sich die derzeitige politische Machtkonstellation im Iran auf die Verfolgung der Volksmudjaheddin auswirkt. Es sei davon auszugehen, dass eine exponierte Stellung innerhalb der Organisation mit größerer Wahrscheinlichkeit zu politischer Verfolgung durch iranische Stellen führe als eine bloße Mitgliedschaft.

Vor diesem Hintergrund begründen die vom Kläger entfalteten exilpolitischen Aktivitäten keine Verfolgungsgefahr.

Dieses Vorbringen, als wahr unterstellt, vermag eine exponierte exilpolitische Tätigkeit im vorgenannten Sinne nicht zu begründen. Im Wesentlichen handelt es sich um die Teilnahme an Demonstrationen und eine Tätigkeit als Ordner. Bei einer Demonstration hat der Kläger als einer von vielen eine Rede gehalten. Dies alles sind typische nicht exponierte exilpolitische Aktivitäten. Auch die geschilderten organisatorischen Tätigkeiten sind solche einfacher Art. Der Kläger spricht Landsleute in Asylbewerberheimen an, erstellt Teilnehmerlisten, damit die notwendigen Fahrzeuge zur Verfügung stehen, und stellt bei längeren Fahrten mit Mitteln der Volksmudjaheddin Getränke zur Verfügung. Insoweit hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung zutreffend ausgeführt, der Kläger sei nicht in höheren Bereichen tätig gewesen, aber ein sehr aktives Mitglied, ein treuer Mensch und ein fleißiger Arbeiter. Dies genügt jedoch für die Annahme einer exponierten, den Bestand des Iran gefährdenden exilpolitischen Tätigkeit nicht.

c) Auch die Stellung des Asylantrags und der mehrjährige Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen nicht die Annahme, der Kläger werde mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei Rückkehr in den Iran einer politischen Verfolgung ausgesetzt sein.