AG Oldenburg

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Zitieren als:
AG Oldenburg, Urteil vom 23.07.2008 - E2 C 2126/07 (V) - asyl.net: M13991
https://www.asyl.net/rsdb/M13991
Leitsatz:

Weist der Türsteher einer Diskothek einen Besucher mit der Bemerkung "Keine Ausländer" ab, stellt dies eine Benachteiligung gem. § 3 Abs. 1 AGG dar; bei der Höhe der Entschädigung nach § 21 Abs. 2 S. 3 AGG ist zu berücksichtigen, ob die Benachteiligung den Betroffenen unvorbereitet traf oder ob er mit der Benachteiligung rechnete, weil er das Verhalten des Türstehers testen wollte.

 

Schlagwörter: Allgemeines Gleichstellungsgesetz, Diskothek, Rassismus, Zutritt, Benachteiligung, Entschädigung
Normen: AGG § 21 Abs. 2; AGG § 3; AGG § 19 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 278; AGG § 21 Abs. 5
Auszüge:

Weist der Türsteher einer Diskothek einen Besucher mit der Bemerkung "Keine Ausländer" ab, stellt dies eine Benachteiligung gem. § 3 Abs. 1 AGG dar; bei der Höhe der Entschädigung nach § 21 Abs. 2 S. 3 AGG ist zu berücksichtigen, ob die Benachteiligung den Betroffenen unvorbereitet traf oder ob er mit der Benachteiligung rechnete, weil er das Verhalten des Türstehers testen wollte.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Dem Kläger steht eine Entschädigung aus §§ 21 Abs. 2 Satz 3, 3 AGG zu.

Der Kläger wurde durch eine verweigerte Zutrittsgenehmigung zu der Diskothek des Beklagten benachteiligt im Sinne von §§ 3, 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG. Eine Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG liegt immer dann vor, wenn eine Person aufgrund eines der in § 19 Abs. 1 AGG bezeichneten Merkmale in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstigere Behandlung als eine andere erfährt. Eine solche unzulässige Benachteiligung nach § 19 Abs. 1 AGG liegt insbesondere dann vor, wenn die Begründung eines zivilrechtlichen Schuldverhältnisses, das typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommt, aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft abgelehnt wird. Bei den Diskotheken handelt es sich um solche Schuldverhältnisse, da die Betreiber regelmäßig keine besonderen Anforderungen an ihre Besucher stellen. Es besteht jedenfalls kein Anlass, die Besucher einer Diskothek nach deren Nationalität oder Rasse auszuwählen.

Die durchgeführte Beweisaufnahme hat hier ergeben, dass dem Kläger von dem Türsteher des Beklagten, dem Zeugen ... mit dem Bemerken: "Keine Ausländer. Anweisung vom Chef" der Zutritt verweigert wurde. Dies haben die Zeugen ... und ... übereinstimmend bekundet. Das Gericht sah keinerlei Veranlassung, an der Richtigkeit der Angaben der Zeugen zu zweifeln, auch wenn - wie die weitere Beweisaufnahme ergeben hat - der Besuch der Diskothek des Beklagten auch dazu diente, gerade Ausländerfeindlichkeit festzustellen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände war allerdings davon auszugehen, dass es sich hier nicht um einen normalen Diskothekenbesuch handelte und deshalb auch der Kläger bereits mit einer anderen Erwartungshaltung versehen war und mit Sicherheit auch mit einem anderen Auftreten Einlass begehren wollte.

Dies ändert allerdings nichts an dem von den Zeugen geschilderten Verstoß gegen Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes dem Grunde nach, ist aber, was später ausgeführt wird, bei der Höhe der Entschädigung zu berücksichtigen.

Nach allem war davon auszugehen, dass die vorliegende Einlassverweigerung damit begründet wurde, dass der Einlass für alle Ausländer nach der Anweisung des Beklagten ausgeschlossen ist. Trotzdem wurde jedoch der Begleitung des Klägers, welche iranischer Herkunft ist, der Zutritt in die Diskothek gestattet. Der Kläger hat demzufolge eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG erfahren. Die Benachteiligung des Klägers führte auch zu einer Beeinträchtigung, da dieser sich durch die Zurückweisung in seiner Persönlichkeit verletzt fühlte. Dazu kam, dass die Verweigerung des Einlasses öffentlich geschah und der Kläger sich dadurch bloßgestellt und öffentlich herabgesetzt fühlte. Die Erheblichkeit der Beeinträchtigung wird grundsätzlich vermutet, wenn dem Benachteiligenden nicht der Beweis gelingt, dass die Erheblichkeit in diesem Einzelfall nicht gegeben ist. Hier hat die Beweisaufnahme zwar auch ergeben, dass die Beeinträchtigung gerade durch ein Testverhalten herbeigeführt werden sollte, doch ändert dies nichts an der Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens des Türstehers.

Dass der Beklagte hier selbst nicht gehandelt hat, ist unschädlich, weil ihm das Verhalten des Türstehers nach § 278 BGB zugerechnet wird.

Die Ausschlussfrist des § 21 Abs. 5 AGG ist eingehalten worden.

Nach § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG kann der Kläger eine angemessene Entschädigung in Geld fordern, wobei nach dieser Vorschrift die Genugtuung des Benachteiligten sowie sie Sanktion des Benachteiligenden im Vordergrund stehen sollen. Daher hängt die Höhe der Entschädigung von den Umständen des Einzelfalles ab. Ausgangspunkt ist jedoch immer die erlittene Persönlichkeitsverletzung. Es ist somit auf die Tragweite des Eingriffs, Ausmaß des Verschuldens sowie auf den Anlass und Beweggrund des Handelnden abzustellen. Dem Kläger wurde der Eintritt in die Diskothek des Beklagten verweigert. Dies geschah aufgrund seiner Stellung als männlicher Ausländer. Eine Beurteilung einer Person nach Herkunft oder Hautfarbe und Geschlecht ist zu verachten und muss daher nach dem Willen des Gesetzgebers sanktioniert werden. Es muss darauf geachtet werden, dass gerade im öffentlichen Leben derartige Diskriminierungen vermieden oder wenigstens mit Sanktionen geahndet werden und damit unter den Gesichtspunkt der Generalprävention weitere vergleichbare Handlungen vermieden werden. Die Entschädigung soll eine Buße für den Benachteiligenden darstellen. Hier muss der Kläger sich jedoch vorhalten lassen, dass er den Vorfall provoziert hat. Er hatte von vornherein auch vor, das Verhalten der Türsteher und des Betreibers zu testen und musste somit auch mit einer Abweisung rechnen. Der dadurch entstandene Schaden, die Verletzung seiner Persönlichkeit, ist demnach nicht so groß, als wenn jemand völlig unverhofft an einer Diskothek abgewiesen und öffentlich diskriminiert wird. Er konnte sich also im gewissen Maße auf die Diskriminierung vorbereiten - nachdem er sie ja förmlich erwartet hatte -. Hinzu kommt, dass der Kläger offensichtlich keine psychischen Schäden durch die Abweisung erlitten hat. Selbstverständlich fühlt er sich durch das Handeln des Beklagten und seines Türstehers diskriminiert, jedoch war ihm eine derartige Reaktion von Anfang an bewusst und er rechnete damit und konnte sich auch darauf einstellen.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände erschien hier eine Entschädigung von 500,00 Euro angemessen, wobei hier die bewusste und billigend in Kauf genommene Herbeiführung der Benachteiligung zu einer Halbierung des ansonsten verwirkten Betrages führte.