Die Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes sind mit den Vorgaben des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar.
Die Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes sind mit den Vorgaben des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar.
(Leitsatz der Redaktion)
Die Berufung ist gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sie ist jedoch - soweit sich der Rechtsstreit nicht durch das angenommene Teilanerkenntnis erledigt hat - nicht begründet.
Nach dieser Regelung erhalten Leistungsberechtigte, die leistungsberechtigt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG sind, Leistungen nach diesem Gesetz nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist, wenn sie sich in den Geltungsbereich des Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen. Die Voraussetzungen dieser Regelungen liegen vor, wenn ein finaler Zusammenhang zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme der Leistung besteht. Dieser Zusammenhang besteht nicht nur dann, wenn der Wille, die Leistung zu erhalten, einziger Einreisegrund ist. Beruht die Einreise auf verschiedenen Motiven, ist das Erfordernis des finalen Zusammenhangs auch erfüllt, wenn der Zweck der Inanspruchnahme von Leistungen für den Einreiseentschluss von prägender Bedeutung gewesen ist. Das bedeutet, dass die Möglichkeit, auf Leistungen nach dem AsylbLG angewiesen zu sein, für den Einreiseentschluss, sei es allein, sei es neben anderen Gründen, in besonderer Weise bedeutsam gewesen sein muss. Es genügt demgegenüber nicht, dass der Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG beiläufig erfolgt oder anderen Einreisezwecken untergeordnet und in diesem Sinne nur billigend in Kauf genommen wird. Die nur in das Wissen des Ausländers gestellten Gründe für seine Ausreise muss dieser benennen und widerspruchsfrei sowie substanzreich darlegen, um der Behörde und auch dem Gericht die Möglichkeit zu geben, zu prüfen, ob der genannte Tatbestand erfüllt ist (BVerwG, Urteil vom 04.06.1992 - 5 C 22.87 - BVerfGE 90, 212 zur inhaltlich gleichen Regelung des § 120 BSHG).
Dies zugrunde gelegt, lagen die Voraussetzungen des § 1a Nr. 1 AsylbLG vor. Die Kläger haben gegenüber dem Beklagten als Gründe für die Einreise im Beisein ihrer Tochter erklärt, dass es ihnen in Serbien nicht gut gegangen sei, weil sie dort keine Wohnung gehabt hätten und der Kläger zu 2) auch psychisch krank sei. Er wolle sich hier behandeln lassen, weil er die Behandlung in Serbien nicht bezahlen könne. Die gleichen Gründe haben die Kläger in ihrer am 17. September 2004 beim Beklagten eingegangenen schriftlichen Stellungnahme genannt. Zudem haben die Kläger als Grund ihrer Einreise den Umstand genannt, dass sie als Angehörige des Roma-Volkes in Serbien keine Möglichkeit gehabt hätten, die psychische Erkrankung des Klägers zu 2) sowie die Zucker-, Herz-, Asthma-Erkrankung der Klägerin zu 1) behandeln zu lassen. Sie seien als Roma Menschen zweiter Klasse. Diesen Erklärungen ist zu entnehmen, dass prägend für die Einreise der Antragsteller der Wunsch nach einer medizinischen Versorgung in Deutschland war, wenn auch möglicherweise der Wunsch, mit weiteren nahen Familienangehörigen zusammenzuleben, ebenfalls von Bedeutung war. Das bedeutet indes, dass ihre Motivation für die Einreise wesentlich davon geleitet war, Leistungen nach dem AsylbLG, hier Leistungen nach § 4 AsylbLG zu erlangen. Den diesbezüglichen Ausführungen des 7. Senates des erkennenden Gerichts im Beschluss vom 25. April 2005 folgt der erkennende Senat auch nach nochmaliger Überprüfung. Eine hiervon abweichende Motivation haben die Kläger insbesondere auch im Berufungsverfahren nicht hinreichend darlegen können.
Die Kläger haben für die Zeit ab dem 5. Oktober 2004 bis zum 31. Mai 2005, für die der Beklagte nachträglich die Kürzungsentscheidung nach § 1a AsylbLG aufgehoben und ungekürzte Leistungen nach § 3 AsylbLG gewährt hat, keinen Anspruch auf die Gewährung erhöhter Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG.
Die 36-Monatsfrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG (in der bis zum 27. August 2007 geltenden Fassung) beginnt hier nämlich erst ab dem Zeitpunkt der Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland am 25. August 2004 zu laufen. Deshalb war sie in dem hier streitigen Zeitraum von der Wiedereinreise am 25. August 2004 bis zum 31. Mai 2005 noch nicht abgelaufen. Sie lief erst zum 25. August 2007 ab, wobei zu berücksichtigen ist, dass inzwischen mit Wirkung ab dem 28. August 2007 diese Frist vom Gesetzgeber auf 48 Monate verlängert wurde.
Die Zeiten des Leistungsbezuges vor der Ausreise der Kläger im Februar 2003 sind nicht berücksichtigungsfähig, weil hier durch den ca. 1 ½ jährigen Aufenthalt im Heimatland (Februar 2003 bis August 2004) eine nachhaltige und tiefgreifende Unterbrechung eingetreten ist, die dazu führt, dass nach einer solchen Unterbrechung die Fristberechnung erneut zu beginnen hat. Hierzu wird auf den den Beteiligten zugeleiteten Beschluss des Nds. Oberverwaltungsgerichts (vom 27. März 2001 – 12 MA 1012/01 – GK-AsylbLG, VII – zu § 2 Abs. 1 (OVG – Nr. 27); so auch VG München, Beschluss vom 26. Juli 2004 – M 15 E 04.916, recherchiert in Juris, Rn. 48 m.w.N.) verwiesen, wonach Unterbrechungen ab einer Dauer von 6 Monaten relevant sein können. Dieses gilt danach insbesondere, wenn sich Ausländer längere Zeit in ihrem Heimatland aufgehalten haben (vgl. Seite 2 des Beschlussabdruckes). Diesen Ausführungen des Nds. Oberverwaltungsgerichts schließt sich der erkennende Senat nach eigener Überzeugungsbildung an.
Auch über den (allerdings für das Sozialversicherungsrecht) entwickelten sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch lassen sich tatsächliche Abwesenheitszeiten nicht fiktiv ersetzen. Vor diesem Hintergrund ist es für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht relevant, unter welchen Umständen es zur Ausreise im Februar 2003 gekommen ist. Dieses wäre gegebenenfalls in einem Amtshaftungsverfahren gegen die Ausländerbehörde zu klären.
Das Verfahren ist auch nicht – wie von den Klägern beantragt – gemäß Art. 100 Abs. 1 oder Abs. 2 Grundgesetz (GG) auszusetzen.
Die Regelungen in dem AsylbLG, wonach nicht alle Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 AsylbLG einen Anspruch auf Leistungen auf den Niveau von Sozialhilfeleistungen haben und entsprechend dem ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus innerhalb des AsylbLG differenziert wird, wobei Ausländer mit einem bestimmten Aufenthaltsstatus aus dem Anwendungsbereich des AsylbLG herausfallen und statt dessen Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII beanspruchen können, verstoßen zur Überzeugung des Senates nicht gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes. Verfassungsrechtlich ist das Existenzminimum in Art. 1 Abs. 1 GG dergestalt garantiert, dass es Aufgabe des Staates ist, die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zu schaffen. In Anwendung dieser Maßstäbe hatte bereits das BVerwG (Beschluss vom 29. September 1998 – 5 B 82/97 -, NVwZ 1999, 669 mit Bezug auf die Rechtsprechung des BVerfG) entschieden, dass der Umstand, dass die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG geringer ausfallen als vergleichbare Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (jetzt SGB XII), nicht die Annahme rechtfertigt, der Gesetzgeber gewährleiste mit den Leistungen nach dem AsylbLG nicht das verfassungsrechtlich Gebotene. Auch das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 11. Juli 2006 (– 1 BvR 293/05 -, NVwZ 2007, 436, mit Verweis auf die bisherige Rechtsprechung des BVerfG) keine Veranlassung, die damals noch geltende 36-Monats-Frist aus verfassungsrechtlichen Gründen in Frage zu stellen. Vielmehr hat es ausdrücklich ausgeführt, dass es im sozialpolitischen Ermessen des Gesetzgebers steht, für Personen, die nach dem AsylLG zu beurteilen sind, ein eigenes Konzept zur Sicherung ihres Lebensbedarfs zu entwickeln und dabei auch Regelungen über die Gewährung von Leistungen abweichend vom Recht der Sozialhilfe zu treffen. Insbesondere ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, Art und Umfang von Sozialleistungen an Ausländer grundsätzlich von der voraussichtlichen Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland abhängig zu machen (zu allem auch Hachmann/Hohm, Änderungen des Asylbewerberleistungsgesetzes durch EU-Richtlinien, NVwZ 2008, 33, 36). Auch das Nds. Oberverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Bestimmungen des AsylbLG (in der Fassung von 1997) verfassungsmäßig sind (Beschluss vom 21. Juni 2000 – 12 L 3349/99 – einsehbar in juris).
Auch das Europarecht lässt Differenzierungen bei der Gewährung von Sozialleistungen an Ausländer zu (vgl. z.B. Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten, Amtsblatt der Europäischen Union L 31/18 vom 6.2.2003).
Die Regelungen des AsylbLG, insbesondere die von den Klägern betonte Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG, verstoßen auch nicht im Sinne des Art. 100 Abs. 2 GG gegen völkerrechtliche Vorgaben, die gemäß Art. 25 GG als Bundesrecht gelten. Es ist allgemein anerkannt und bedarf deshalb keiner Erläuterungen, dass die hier relevante Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) insoweit in der Bundesrepublik Deutschland zu beachten ist. Ein Verstoß der Regelungen des AsylbLG gegen die Vorgaben der EMRK kann jedoch nicht festgestellt werden; dieses ist im Sinne des Art. 100 Abs. 2 GG auch nicht zweifelhaft. Die Regelungen des AsylbLG verstoßen insbesondere nicht gegen das in Art. 14 EMRK niedergelegte Diskriminierungsverbot. Danach ist der Genuss der in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ohne Benachteiligung zu gewährleisten, die insbesondere im Geschlecht, in der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, in den politischen oder sonstigen Anschauungen, in nationaler oder sozialer Herkunft, in der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, im Vermögen, in der Geburt oder im sonstigen Status begründet ist. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) ist eine unterschiedliche Behandlung im Sinne von Art. 14 der Konvention, der auch im Rahmen der Gewährung von Sozialleistungen angewandt wird, diskriminierend, wenn es für sie "keine objektive und angemessene Rechtfertigung gibt", d.h. wenn mit ihr kein "legitimes Ziel" verfolgt wird oder "die eingesetzten Mittel zum angestrebten Ziel nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen". Die Vertragsstaaten haben einen gewissen Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Frage, ob und inwieweit Unterschiede bei ansonsten ähnlichen Situationen eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (vgl. EGMR, Urteil vom 25. Oktober 2005 – 59140/00 (Okpisz)-, Nr. 33 des Urteils, recherchiert in juris, mit Verweis u.a. auf Urteil vom 11. Juni 2002 – 36042/97 (Willis), Nr. 39 des Urteils). Der EGMR hat bezüglich der Gewährung von Sozialleistungen an Ausländer nicht entschieden, dass es generell verboten ist, zwischen Inhabern verschiedener Arten von Aufenthaltsgenehmigungen zu unterscheiden (vgl. u.a. EGMR, Urteil vom 25. Oktober 2005 (Okpisz) Nr. 34, aaO.). Er hat die Frage, ob gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK verstoßen wird, jeweils unter besonderer Berücksichtigung der konkreten Sozialleistung und der gesetzgeberischen Konzeption entschieden. So hat der EGMR jeweils ganz konkret und einzelfallbezogen z.B. im Verfahren Okpisz zu der deutschen Kindergeldregelung (Urteil vom 25. Oktober 2005 – 59140/00 -), im Verfahren Petrovic zu einer österreichischen Urlaubsgeldregelung (Urteil vom 27. März 1998 – 20458/92 -), im Verfahren Willis zu einer britischen Beihilferegelung (Urteil vom 11. Juni 2002 – 36042/97 -) oder zu einer österreichischen Pensionsvorschussregelung (Urteil vom 16. September 1996 – 39/1995/545/631 -) entschieden. Unter Berücksichtigung der im o.a. Urteil des EGMR vom 25. Oktober 2005 dargelegten Maßstäbe gibt es unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber einzuräumenden gewissen Ermessensspielraumes eine objektive und angemessene Rechtfertigung dafür, bestimmte Gruppen von Ausländern durch die Regelung in § 1 Abs. 1 AsylbLG dem Leistungskonzept des AsylbLG zu unterstellen. Es handelt sich bei diesen Gruppen von Ausländern nämlich regelmäßig um Personen, die sich üblicherweise nur vorübergehend in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Andere Personen fallen nicht in den Anwendungsbereich des AsylbLG. Dieses gilt auch für die von § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG erfassten Ausländer mit den dort genannten Aufenthaltserlaubnissen nach § 23 Abs. 1 oder § 24 AufenthG wegen Krieges in ihrem Heimatland oder nach § 25 Abs. 4 Satz 1 oder § 25 Abs. 5 AufenthG. Nicht alle Aufenthaltserlaubnisse nach §§ 23, 24 AufenthG werden erfasst, sondern nur diejenigen, die "wegen Krieges in ihrem Heimatland" erteilt worden sind, d.h. wegen eines typischerweise vorübergehenden Ereignisses. Gleiches gilt für die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 AufenthG, die schon nach den Wortlaut dieser Vorschrift für einen vorübergehenden Aufenthalt erteilt wird. Auch die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG wird vom Konzept her nicht für einen Daueraufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland erteilt, denn die Ausländer sind vollziehbar ausreisepflichtig. Auch wenn Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ist, dass die Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist, wird diese Aufenthaltserlaubnis gemäß § 26 Abs. 1 AufenthG grundsätzlich jeweils nur für längstens sechs Monate, nach einem mindestens 18-monatigen rechtmäßigen Aufenthalt nur für jeweils längstens drei Jahre erteilt. Aus § 26 Abs. 2 AufenthG wird deutlich, dass jeweils zu prüfen ist, ob das Ausreisehindernis entfallen ist. Sollte der Aufenthalt mit Bezug von Sozialleistungen entgegen den mit dem jeweiligen Aufenthaltsstatus verbundenen Erwartungen eine bestimmte Dauer (36 Monate nach Rechtslage bis zum 27. August 2007 bzw. 48 Monate nach der seit dem 28. August 2007 geltenden Rechtslage) übersteigen, hat der Gesetzgeber dem dadurch Rechnung getragen, dass sodann gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG grundsätzlich Leistungen entsprechend dem allgemeinen Sozialhilfeniveau gewährt werden. Aufgrund dieser nicht sachwidrigen Differenzierungen liegt ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK nicht vor.