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Zitieren als:
, Bescheid vom 31.07.2008 - 5278336-246 - asyl.net: M13953
https://www.asyl.net/rsdb/M13953
Leitsatz:
Schlagwörter: Demokratische Republik Kongo, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, Herzerkrankung, Infektionsgefahr, Malaria, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Die Antragstellerin ist Staatsangehörige der Demokratischen Republik Kongo und hat bereits unter Aktenzeichen 2748247-246 Asyl in der Bundesrepublik Deutschland beantragt.

Am 25.09.2997 stellte die Antragstellerin mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 21.09.2007 einen auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach nunmehr § 60 Abs. 2 bis 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), der den § 53 AuslG ersetzt hat, beschränkten Antrag. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, die im März 2002 geborene Antragstellerin leide an einem Herzdefekt. Sie habe einen hochsitzenden, teilgedeckten, drucktrennenden, perimembranös gelegenen Ventrikelseptumdefekt mit geringfügigem Links-Rechts-Shunt. Aufgrund dieses Herzdefektes seien für die Antragstellerin zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gegeben.

Es wurden ärztliche Atteste zur Akte gereicht.

1. Dem Antrag wird insofern entsprochen, als festgestellt wird, dass die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich der Demokratischen Republik Kongo vorliegen.

Für die Antragstellerin besteht unter dem Aspekt der schlechten medizinischen Versorgungslage in der Demokratischen Republik Kongo unter Berücksichtigung ihrer Herzschädigung ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Dies folgt aus einer Gesamtbewertung der Situation, die sich aus dem Alter der im Jahr 2002 geborenen Antragstellerin, ihrer durch die eingereichten ärztlichen Atteste belegten Herzschädigung und der Situation in ihrem Heimatland insbesondere im Hinblick auf ärztliche Versorgung sowie die Grundversorgung mit Medikamenten und Lebensmitteln ergibt.

Das Gesundheitswesen in der Demokratischen Republik Kongo ist nach wie vor in sehr schlechtem Zustand. Staatliche Krankenhäuser wurden heruntergewirtschaftet bzw. geplündert. Vor allem bei komplizierten Eingriffen ist die Hygiene unzureichend. Der Großteil der Bevölkerung kann nicht hinreichend medizinisch versorgt werden. Ein Bericht der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" vom Oktober 2005 zeigt, dass zwischen 45 % und 67 % von 4.900 befragten Familien in den entlegenen Regionen in Landesinneren (Bsankusu, Inongo, Lubutu, Kilwa und Bunkeya) keinerlei Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Wie "Ärzte ohne Grenzen" bezeichnen auch andere Organisationen die Gesundheitsversorgung im ganzen Land als katastrophal. Ein funktionierendes Krankenversicherungssystem existiert nicht. In der Regel zahlen Arbeitgeber die Behandlungskosten ihrer Beschäftigten. Die Behandlungskosten Arbeitsloser werden unter erheblichen Anstrengungen von der Großfamilie aufgebracht. Nur wenn die notwendigen Geldmittel zur Verfügung stehen, können die meisten in der DR Kongo vorkommenden Krankheiten diagnostiziert und mit Einschränkungen fachgerecht behandelt werden. Bei ausreichenden Geldmitteln sind, zumindest im Großraum von Kinshasa, grundsätzlich private Krankenhäuser, Ärzte und Medikamente verfügbar.

Unabhängig von der - nach den Darlegungen zu verneinenden - Frage, ob die Familie der Antragstellerin über ausreichende Geldmittel für ihre medizinische Behandlung verfügen würde, besteht jedoch für die Antragstellerin bei einer Gesamtbeurteilung ihrer Situation im Falle einer Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo dort dennoch eine erhebliche, individuelle und konkrete Gesundheitsgefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG.

Die Möglichkeit der, wie attestiert, erforderlichen regelmäßigen Kontrollen des kardiologischen Befundes der Antragstellerin mit der Abklärung einer etwaigen Notwendigkeit einer Herzoperation erscheint angesichts der jedenfalls mangelhaften medizinischen Versorgungslage in der Demokratischen Republik Kongo zweifelhaft.

Außerdem besteht, wie von der Tropen- und Reisemedizinischen Beratung schlüssig dargelegt, die erhöhte Gefahr einer Endokarditis aufgrund des vorbestehenden Herzfehlers und der fehlenden Möglichkeit einer konsequenten Prophylaxe im Hinblick auf die Antragstellerin.

Zudem wird in den eingereichten ärztlichen Attesten plausibel festgestellt und dargelegt, dass aufgrund der Herzschädigung der Antragstellerin eine Malaria-Prophylaxe und Behandlung sehr viel schwieriger ist und einer guten kardiologischen Überwachung bedarf. Auch eine solche (schwierige) Malaria-Prophylaxe und Behandlung erscheint angesichts der jedenfalls mangelhaften medizinischen Versorgungslage in der Demokratischen Republik Kongo zweifelhaft.

Insoweit ergeben sich aus der Herzschädigung der Antragstellerin mehrere Gefährdungspunkte, die, selbst wenn davon auszugehen ist, dass bei ausreichenden Geldmitteln zumindest im Großraum von Kinshasa grundsätzlich private Krankenhäuser, Ärzte und Medikamente verfügbar sind, dazu führen, dass für die Antragstellerin bei Rückführung ins Heimatland dort eine erhebliche, individuelle und konkrete Gesundheitsgefahr bestehen würde. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen vor.